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Er machte impulsiv einen Schritt auf mich zu. Ich dachte an den flotten Karateschlag, den er den Relgan in Kempton versetzt hatte, und fragte mich, ob er auf seinen Schnursohlen auf dem Parkett genauso gut war. Fragte mich, ob er irgendwas richtig konnte. oder ob es sich einmal mehr um Augenwischerei handelte, um das Vakuum zu kaschieren.

Er wirkte albern, nicht gefährlich. Ein Mann, weder jung noch alt, Ansatz zur Glatze, Brillenträger. Strandkleidung im Dezember.

Ein Mann unter Druck. der töten konnte, wenn man ihn zu sehr unter Druck setzte. Nicht durch unmittelbare körperliche Gewalt, wenn man’s recht bedachte, sondern in seiner Abwesenheit, durch Drogen und Gas.

Er kam nie dazu, mir den blinden Racheschlag zu versetzen, den er beabsichtigt hatte. Er trat auf eins der zu Boden gefallenen Fotos, rutschte aus und fiel hart auf ein Knie. Diese Demütigung schien ihm sein letztes Restchen Selbstvertrauen zu rauben, denn als er zu mir aufblickte, sah ich weder Haß noch Trotz, sondern Furcht.

Ich sagte:»Ich will nicht das, was George wollte. Ich

verlange nicht von Ihnen, mit dem Drogenhandel Schluß zu machen. Ich will wissen, wer Sie mit Heroin versorgt.«

Er kam wackelig auf die Füße und machte ein entsetztes Gesicht.»Das kann ich nicht. Das… kann ich nicht.«

«Das ist doch wohl nicht weiter schwierig«, sagte ich milde.»Sie müssen doch wissen, wo Sie es herbekommen. Sie bekommen es in ziemlich großen Mengen, zum Verkauf, zur Weitergabe. Sie haben immer viel auf Lager, habe ich gehört. Demnach müssen Sie einen ständigen Lieferanten haben… oder? Den will ich haben.«

Die Quelle, dachte ich. Eine Quelle, die etliche Dealer versorgte. Das Drogengeschäft glich einer monströsen Kreatur mit vielen Fangarmen. Wenn man einen Fangarm abschnitt, wuchs an seiner Stelle ein neuer. Der Krieg gegen die Drogen war nicht zu gewinnen. aber er mußte geführt werden, wenn auch nur um der dummen Mädchen willen, die sich ihren Weg in die ewige Verdammnis schnupften. Für die Hübschen. Für Dana. Für Caroline. meine verlorene Schmetterlingsmutter, die mich vor der Sucht bewahrt hatte.

«Sie wissen nicht. «Lance Kinship schien die Luft wegzubleiben.»Es ist unmöglich. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es wäre… mein Tod.«

Ich schüttelte den Kopf.»Es wird ein Geheimnis zwischen uns beiden bleiben. Niemand wird je erfahren, daß Sie es mir erzählt haben. es sei denn, Sie selbst plaudern es aus, wie den Relgan in den Spielclubs.«

«Ich kann nicht«, sagte er verzweifelt.

«Wenn Sie es nicht tun«, sagte ich im Plauderton,»werde ich erstens den Polizisten, die den Mordanschlag in

meinem Haus untersuchen, erzählen, daß meine Nachbarin Sie eindeutig als angeblichen Steuerbeamten identifiziert hat. Das allein reicht natürlich nicht aus, Sie unter Anklage zu stellen, wird aber sicher dazu führen, daß Ermittlungen über Sie angestellt werden… wegen Zugangs zu Chemikalien und dergleichen.«

Ihm wurde übel.

«Zweitens werde ich dafür sorgen, daß es sich überall herumspricht, daß man trotz Ihrer kleinen Mitbringsel gut daran tut, Sie nicht mehr zu Partys einzuladen, weil man jederzeit mit einer Razzia rechnen muß. Illegaler Drogenbesitz ist immer noch ein Vergehen, glaube ich.«

«Sie. Sie.«

Ich nickte. Er fand kein Wort, das schlimm genug war.

«Ich weiß, wo Sie verkehren… in welchen Häusern. Jeder redet darüber. Man hat es mir erzählt. Ein Wort ins Ohr der Drogenfahndung. und Sie werden zum unerwünschtesten Gast in ganz England.«

«Ich… ich…«

«Ja, ich weiß«, sagte ich.»Der Zutritt zu diesen Häusern macht das Leben für Sie erst lebenswert. Ich will nicht, daß Sie nicht mehr dorthin gehen. Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie Ihre Geschenke nicht mehr verteilen. Sagen Sie mir nur, wo das Heroin herkommt. Nicht das Kokain, nicht das Haschisch, nur das Heroin. Nur die tödliche Droge.«

In seine verängstigten Augen stahl sich ein leicht gerissener Blick.

«Und glauben Sie nur nicht, Sie kämen mit irgendeiner dummen Lüge davon«, sagte ich wachsam.»Sie sollen ruhig wissen, daß Ihre Information an die Drogenfahndung weitergehen wird. Keine Sorge. auf derartigen Umwegen, daß nie jemand die Information mit Ihnen in Verbindung bringen wird. Aber Ihr gegenwärtiger Lieferant wird mit ziemlicher Sicherheit aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn das geschieht, lasse ich Sie in Ruhe.«

Er zitterte, als würden ihm die Beine den Dienst versagen.

«Wohlgemerkt«, sagte ich mit Bedacht,»wenn ein Lieferant aus dem Verkehr gezogen ist, müssen sie sich womöglich nach einem anderen umsehen. Und in einem Jahr könnte ich Sie nach dessen Namen fragen.«

Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, er konnte es nicht fassen.»Heißt das… es wird immer so weitergehen… immer weiter.«

«Genau das.«

«Aber das können Sie nicht machen.«

«Ich glaube, daß Sie George Millace umgebracht haben. Sie haben mit Sicherheit versucht, mich umzubringen. Sie hätten um ein Haar meinen Freund umgebracht. Warum sollte ich also keine Vergeltung wollen?«

Er starrte mich an.

«Ich verlange sehr wenig«, sagte ich.»Ein paar Worte auf Papier… dann und wann.«

«Nicht in meiner Handschrift«, sagte er entsetzt.

«Natürlich in Ihrer Handschrift«, sagte ich schließlich,»damit alles richtig geschrieben ist und so weiter. Aber keine Sorge, Ihnen wird nichts passieren. Ich verspreche Ihnen, daß nie jemand herausfinden wird, wo der Tip

herkam. Niemand wird je erfahren, daß er von mir kam. Weder mein Name noch Ihrer wird je erwähnt werden.«

«Sind Sie. sind Sie sicher?«

«Absolut.«

Ich zog einen kleinen Notizblock und einen Filzstift hervor.»Schreiben Sie jetzt«, sagte ich.»Ihr Lieferant.«

«Nicht jetzt«, sagte er wankend.

«Warum nicht?«sagte ich ruhig.»Bringen wir es doch hinter uns. Setzen Sie sich.«

Er setzte sich an eins seiner verchromten Glastischchen, wirkte völlig benommen. Er schrieb einen Namen und eine Adresse auf den Notizblock.

«Und unterschreiben«, sagte ich beiläufig.

«Unterschreiben…«

«Natürlich. Nur Ihr Name.«

Er schrieb: Lance Kinship. Und darunter mit einem Schnörkel Filmregisseur.

«Sehr gut«, sagte ich ohne besondere Betonung. Ich nahm den Notizblock auf und las, was er geschrieben hatte. Ein ausländischer Name. Eine Adresse in London. Ein Fangarm unter der Axt.

Ich verstaute das kleine Dokument, das ihn fürs nächste Jahr… und fürs übernächste und überübernächste… ins Schwitzen bringen würde, in einer Jackentasche. Das Dokument, das ich fotografieren und sicher aufbewahren würde.

«Ist das… alles?«sagte er wie betäubt.

Ich nickte.»Vorläufig ja.«

Er stand nicht auf, als ich ging. Saß einfach da, auf seinem schwarzen Lackstuhl in seinem T-Shirt, den weißen Hosen, sprachlos ins Leere starrend.

Über kurz oder lang würde er sich wieder aufblasen, dachte ich. Angeber konnten gar nicht anders.

Ich ging hinaus zu Clare und Jeremy, die auf mich warteten, und blieb kurz in der Winterluft stehen, bevor ich ins Auto einstieg.

Ich dachte, daß das Leben der meisten Leute nicht weiter weltbewegend war. Es drehte sich um Probleme aus ihrer unmittelbaren Umwelt. Es ging nicht um die Errettung der Menschheit, sondern darum, im eigenen Umkreis Ordnung zu halten, um kleine Korrekturen und Ausgleichsmaßnahmen.

Weder mein Leben noch das von George Millace würde je das Schicksal von Nationen beeinflussen, aber unsere Handlungen konnten das Leben von Individuen ändern; und sie hatten es bereits getan.