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Töten dürfe die Schlange den Mann; der leidige Hunger

Kenne keine Gesetze, die Not entbinde vom Eidschwur.

Sorgen und Angst befielen den Wandrer, denn alle zusammen

Wollten sein Leben. Da schoß die Schlange mit grimmigem Zischen,

Spritzte Geifer auf ihn, und ängstlich sprang er zur Seite.

Großes Unrecht, rief er: begehst du! Wer hat dich zum Herren

Über mein Leben gemacht? Sie sprach: Du hast es vernommen;

Zweimal sprachen die Richter, und zweimal hast du verloren.

Ihr versetzte der Mann: Sie rauben selber und stehlen;

Ich erkenne sie nicht, wir wollen zum Könige gehen.

Mag er sprechen, ich füge mich drein; und wenn ich verliere,

Hab ich noch Übels genug, allein ich will es ertragen.

Spottend sagte der Wolf und der Bär: Du magst es versuchen,

Aber die Schlange gewinnt, sie wirds nicht besser begehren.

Denn sie dachten, es würden die sämtlichen Herren des Hofes

Sprechen wie sie, und gingen getrost und führten den Wandrer,

Kamen vor Euch, die Schlange, der Wolf, der Bär und die Raben.

Ja, selbdritt erschien der Wolf, er hatte zwei Kinder,

Eitelbauch hieß der eine, der andre Nimmersatt, beide

Machten dem Mann am meisten zu schaffen; sie waren gekommen,

Auch ihr Teil zu verzehren, denn sie sind immer begierig,

Heulten damals vor Euch mit unerträglicher Grobheit.

Ihr verbotet den Hof den beiden plumpen Gesellen.

Da berief sich der Mann auf Eure Gnaden, erzählte,

Wie ihn die Schlange zu töten gedenke, sie habe der Wohltat

Völlig vergessen, sie breche den Eid! So fleht' er um Rettung.

Aber die Schlange leugnete nicht: Es zwingt mich des Hungers

Allgewaltige Not, sie kennet keine Gesetze.

Gnädiger Herr, da wart Ihr bekümmert; es schien Euch die Sache

Gar bedenklich zu sein und rechtlich schwer zu entscheiden.

Denn es schien Euch hart, den guten Mann zu verdammen,

Der sich hilfreich bewiesen; allein Ihr dachtet dagegen

Auch des schmählichen Hungers. Und so berieft Ihr die Räte.

Leider war die Meinung der meisten dem Manne zum Nachteil;

Denn sie wünschten die Mahlzeit und dachten der Schlange zu helfen.

Doch Ihr sendetet Boten nach Reineken: alle die andern

Sprachen gar manches und konnten die Sache zu Rechte nicht scheiden.

Reineke kam und hörte den Vortrag, Ihr legtet das Urteil

Ihm in die Hände, und wie er es spräche, so sollt es geschehen.

Reineke sprach mit gutem Bedacht: Ich finde vor allem

Nötig, den Ort zu besuchen, und seh ich die Schlange gebunden,

Wie der Bauer sie fand, so wird das Urteil sich geben.

Und man band die Schlange von neuem an selbiger Stätte,

In der Maße, wie sie der Bauer im Zaune gefunden.

Reineke sagte darauf: Hier ist nun jedes von beiden

Wieder im vorigen Stand, und keines hat weder gewonnen,

Noch verloren; jetzt zeigt sich das Recht, so scheint mirs, von selber.

Denn beliebt es dem Manne, so mag er die Schlange noch einmal

Aus der Schlinge befrein; wo nicht, so läßt er sie hängen,

Frei, mit Ehren geht er die Straße nach seinen Geschäften.

Da sie untreu geworden, als sie die Wohltat empfangen,

Hat der Mann nun billig die Wahl. Das scheint mit des Rechtes

Wahrer Sinn; wers besser versteht, der laß es uns hören.

Damals gefiel Euch das Urteil und Euren Räten zusammen;

Reineke wurde gepriesen, der Bauer dankt' Euch, und jeder

Rühmte Reinekens Klugheit, ihn rühmte die Königin selber.

Vieles wurde gesprochen: im Kriege wären noch eher

Isegrim und Braun zu gebrauchen, man fürchte sie beide

Weit und breit, sie fänden sich gern, wo alles verzehrt wird.

Groß und stark und kühn sei jeder, man könn es nicht leugnen;

Doch im Rate fehle gar oft die nötige Klugheit:

Denn sie pflegen zu sehr auf ihre Stärke zu trotzen,

Kommt man ins Feld und naht sich dem Werke, da hinkt es gewaltig.

Mutiger kann man nichts sehn, als sie zu Hause sich zeigen;

Draußen liegen sie gern im Hinterhalt. Setzt es denn einmal

Tüchtige Schläge, so nimmt man sie mit, so gut als ein andrer.

Bären und Wölfe verderben das Land; es kümmert sie wenig,

Wessen Haus die Flamme verzehrt, sie pflegen sich immer

An den Kohlen zu wärmen, und sie erbarmen sich keines,

Wenn ihr Kropf sich nur füllt. Man schlürft die Eier hinunter,

Läßt den Armen die Schalen und glaubt noch redlich zu teilen.

Reineke Fuchs mit seinem Geschlecht versteht sich dagegen

Wohl auf Weisheit und Rat, und hat er nun etwas versehen,

Gnädiger Herr, so ist er kein Stein. Doch wird Euch ein andrer

Niemals besser beraten. Darum verzeiht ihm, ich bitte!

Da versetzte der König: Ich will es bedenken. Das Urteil

Ward gesprochen, wie Ihr erzählt, es büßte die Schlange.

Doch von Grund aus bleibt er ein Schalk, wie sollt er sich bessern?

Macht man ein Bündnis mit ihm, so bleibt man am Ende betrogen;

Denn er dreht sich so listig heraus, wer ist ihm gewachsen?

Wolf und Bär und Kater, Kaninchen und Krähe, sie sind ihm

Nicht behende genug, er bringt sie in Schaden und Schande.

Diesem behielt er ein Ohr, dem andern das Auge, das Leben

Raubt' er dem dritten! Fürwahr, ich weiß nicht, wie Ihr dem Bösen

So zugunsten sprecht und seine Sache verteidigt.

Gnädiger Herr, versetzte die Äffin: ich kann es nicht bergen,

Sein Geschlecht ist edel und groß, Ihr mögt es bedenken.

Da erhub sich der König, herauszutreten, es stunden

Alle zusammen und warteten sein. Er sah in dem Kreise

Viele von Reinekens nächsten Verwandten, sie waren gekommen,

Ihren Vetter zu schützen, sie wären schwerlich zu nennen.

Und er sah das große Geschlecht, er sah auf der andern

Seite Reinekens Feinde: es schien der Hof sich zu teilen.

Da begann der König: So höre mich, Reineke! Kannst du

Solchen Frevel entschuldigen, daß du mit Hilfe Bellynens

Meinen frommen Lampe getötet? und daß Ihr Verwegnen

Mir sein Haupt ins Ränzel gesteckt, als wären es Briefe?

Mich zu höhnen, tatet ihr das! ich habe den einen

Schon bestraft, es büßte Bellyn; erwarte das gleiche.

Weh mir! sagte Reineke drauf: o wär ich gestorben!

Höret mich an, und wie es sich findet, so mag es geschehen:

Bin ich schuldig, so tötet mich gleich, ich werde doch nimmer

Aus der Not und Sorge mich retten, ich bleibe verloren.

Denn der Verräter Bellyn, er unterschlug mir die größten

Schätze, kein Sterblicher hat dergleichen jemals gesehen.

Ach, sie kosten Lampen das Leben! Ich hatte sie beiden

Anvertraut, nun raubte Bellyn die köstlichen Sachen.

Ließen sie sich doch wieder erforschen! Allein ich befürchte,

Niemand findet sie mehr, sie bleiben auf immer verloren.

Aber die Äffin versetzte darauf: Wer wollte verzweifeln?

Sind sie nur über der Erde, so ist noch Hoffnung zu schöpfen.

Früh und späte wollen wir gehn und Laien und Pfaffen

Emsig fragen; doch zeiget uns an, wie waren die Schätze?

Reineke sagte: sie waren so köstlich, wir finden sie nimmer;

Wer sie besitzt, verwahrt sie gewiß. Wie wird sich darüber

Nicht Frau Ermelyn quälen! sie wird mirs niemals verzeihen.

Denn sie mißriet mir, den beiden das köstliche Kleinod zu geben.

Nun erfindet man Lügen auf mich und will mich verklagen!

Doch ich verfechte mein Recht, erwarte das Urteil, und werd ich

Losgesprochen, so reis ich umher durch Länder und Reiche,