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O, erbarmt Euch des bittern Schmerzes! er tötete gestern

Meine Tochter, es haben die Hunde den Leichnam gerettet.

Seht, hier liegt sie! Er hat es getan, o! nehmt es zu Herzen!

Und der König begann: Kommt näher, Grimbart, und sehet,

Also fastet der Klausner, und so beweist er die Buße!

Leb ich noch aber ein Jahr, so soll es ihn wahrlich gereuen!

Doch was helfen die Worte! Vernehmet, trauriger Henning:

Eurer Tochter ermangl es an nichts, was irgend den Toten

Nur zu Rechte geschieht. Ich lass ihr Vigilie singen,

Sie mit großer Ehre zur Erde bestatten; dann wollen

Wir mit diesen Herren des Mordes Strafe bedenken.

Da gebot der König, man solle Vigilie singen.

Domino placebo begann die Gemeine, sie sangen

Alle Verse davon. Ich könnte ferner erzählen,

Wer die Lektion gesungen und wer die Responsen;

Aber es währte zu lang, ich lass es lieber bewenden.

In ein Grab ward die Leiche gelegt und drüber ein schöner

Marmorstein, poliert wie ein Glas, gehauen im Viereck,

Groß und dick, und oben darauf war deutlich zu lesen:

«Kratzefuß, Tochter Hennings des Hahns, die beste der Hennen,

Legte viel Eier ins Nest und wußte klüglich zu scharren.

Ach, hier liegt sie! durch Reinekens Mord den Ihren genommen.

Alle Welt soll erfahren, wie bös und falsch er gehandelt,

Und die Tote beklagen. «So lautete, was man geschrieben.

Und es ließ der König darauf die Klügsten berufen,

Rat mit ihnen zu halten, wie er den Frevel bestrafte,

Der so klärlich vor ihn und seine Herren gebracht war.

Und sie rieten zuletzt: man habe dem listigen Frevler

Einen Boten zu senden, daß er um Liebes und Leides

Nicht sich entzöge, er solle sich stellen am Hofe des Königs

An dem Tage der Herrn, wenn sie zunächst sich versammeln;

Braun, den Bären, ernannte man aber zum Boten. Der König

Sprach zu Braun, dem Bären: Ich sag es, Euer Gebieter,

Daß Ihr mit Fleiß die Botschaft verrichtet! Doch rat ich zur Vorsicht:

Denn es ist Reineke falsch und boshaft, allerlei Listen

Wird er gebrauchen, er wird Euch schmeicheln, er wird Euch belügen,

Hintergehen, wie er nur kann. Mitnichten, versetzte

Zuversichtlich der Bär: bleibt ruhig! Sollt er sich irgend

Nur vermessen und mir zum Hohne das mindeste wagen,

Seht, ich schwör es bei Gott! der möge mich strafen, wofern ich

Ihm nicht grimmig vergölte, daß er zu bleiben nicht wüßte.

Zweiter Gesang

Also wandelte Braun auf seinem Weg zum Gebirge

Stolzen Mutes dahin, durch eine Wüste, die groß war,

Lang und sandig und breit; und als er sie endlich durchzogen,

Kam er gegen die Berge, wo Reineke pflegte zu jagen;

Selbst noch Tages zuvor hatt er sich dorten erlustigt.

Aber der Bär ging weiter nach Malepartus; da hatte

Reineke schöne Gebäude. Von allen Schlössern und Burgen,

Deren ihm viele gehörten, war Malepartus die beste.

Reineke wohnte daselbst, sobald er Übels besorgte.

Braun erreichte das Schloß und fand die gewöhnliche Pforte

Fest verschlossen. Da trat er davor und besann sich ein wenig;

Endlich rief er und sprach: Herr Oheim, seid Ihr zu Hause?

Braun, der Bär, ist gekommen, des Königs gerichtlicher Bote.

Denn es hat der König geschworen, Ihr sollet bei Hofe

Vor Gericht Euch stellen, ich soll Euch holen, damit Ihr

Recht zu nehmen und Recht zu geben keinem verweigert,

Oder es soll Euch das Leben kosten; denn bleibt Ihr dahinten,

Ist mit Galgen und Rad Euch gedroht. Drum wählet das Beste,

Kommt und folget mir nach, sonst möcht es Euch übel bekommen.

Reineke hörte genau vom Anfang zum Ende die Rede,

Lag und lauerte still und dachte: Wenn es gelänge,

Daß ich dem plumpen Kompan die stolzen Worte bezahlte?

Laßt uns die Sache bedenken. Er ging in die Tiefe der Wohnung,

In die Winkel des Schlosses, denn künstlich war es gebauet:

Löcher fanden sich hier und Höhlen mit vielerlei Gängen,

Eng und lang, und mancherlei Türen zum Öffnen und Schließen,

Wie es Zeit war und Not. Erfuhr er, daß man ihn suchte

Wegen schelmischer Tat, da fand er die beste Beschirmung.

Auch aus Einfalt hatten sich oft in diesen Mäandern

Arme Tiere gefangen, willkommene Beute dem Räuber.

Reineke hatte die Worte gehört, doch fürchtet' er klüglich,

Andre möchten noch neben dem Boten im Hinterhalt liegen,

Als er sich aber versichert, der Bär sei einzeln gekommen,

Ging er listig hinaus und sagte: Wertester Oheim,

Seid willkommen! Verzeiht mir! ich habe Vesper gelesen,

Darum ließ ich Euch warten. Ich dank Euch, daß Ihr gekommen,

Denn es nutzt mir gewiß bei Hofe, so darf ich es hoffen.

Seid zu jeglicher Stunde, mein Oheim, willkommen! Indessen

Bleibt der Tadel für den, der Euch die Reise befohlen,

Denn sie ist weit und beschwerlich. O Himmel! wie Ihr erhitzt seid!

Eure Haare sind naß und Euer Odem beklommen.

Hatte der mächtige König sonst keinen Boten zu senden,

Als den edelsten Mann, den er am meisten erhöhet?

Aber so sollt es wohl sein zu meinem Vorteil; ich bitte,

Helft mir am Hofe des Königs, allwo man mich übel verleumdet.

Morgen, setzt ich mir vor, trotz meiner mißlichen Lage,

Frei nach Hofe zu gehen, und so gedenk ich noch immer.

Nur für heute bin ich zu schwer, die Reise zu machen.

Leider hab ich zu viel von einer Speise gegessen,

Die mir übel bekommt; sie schmerzt mich gewaltig im Leibe.

Braun versetzte darauf. Was war es, Oheim? Der andre

Sagte dagegen: Was könnt es Euch helfen, und wenn ichs erzählte!

Kümmerlich frist ich mein Leben; ich leid es aber geduldig,

Ist ein armer Mann doch kein Graf! und findet zuweilen

Sich für uns und die Unsern nichts Besseres, müssen wir freilich

Honigscheiben verzehren, die sind wohl immer zu haben.

Doch ich esse sie nur aus Not; nun bin ich geschwollen.

Wider Willen schluckt ich das Zeug, wie sollt es gedeihen?

Kann ich es immer vermeiden, so bleibt mirs ferne vom Gaumen.

Ei! was hab ich gehört! versetzte der Braune, Herr Oheim!

Ei! verschmähet Ihr so den Honig, den mancher begehret?

Honig, muß ich Euch sagen, geht über alle Gerichte,

Wenigstens mir; o schafft mir davon, es soll Euch nicht reuen!

Dienen werd ich Euch wieder. — Ihr spottet, sagte der andre.

Nein, wahrhaftig! verschwor sich der Bär, es ist ernstlich gesprochen.

Ist dem also, versetzte der Rote: da kann ich Euch dienen,

Denn der Bauer Rüsteviel wohnt am Fuße des Berges.

Honig hat er! Gewiß, mit allem Eurem Geschlechte

Saht Ihr niemal so viel beisammen. Da lüstet' es Braunen

Übermäßig nach dieser geliebten Speise. O führt mich,

Rief er, eilig dahin! Herr Oheim, ich will es gedenken,

Schafft mir Honig, und wenn ich auch nicht gesättigt werde.

Gehen wir, sagte der Fuchs: es soll an Honig nicht fehlen.

Heute bin ich zwar schlecht zu Fuße; doch soll mir die Liebe,

Die ich Euch lange gewidmet, die sauern Tritte versüßen.

Denn ich kenne niemand von allen meinen Verwandten,

Den ich verehrte, wie Euch! Doch kommt! Ihr werdet dagegen

An des Königes Hof am Herren-Tage mir dienen,

Daß ich der Feinde Gewalt und ihre Klagen beschäme.

Honigsatt mach ich Euch heute, so viel Ihr immer nur tragen

Möget. — Es meinte der Schalk die Schläge der zornigen Bauern.