Und von Angst zu erzählen, besonders, wie er beinahe
Vor den hohen Burgen in Sachsen sein Leben verloren,
Wo ihn Jäger mit Pferden und Hunden alltäglich verfolgten,
Daß er knapp und mit Not mit heilem Pelze davonkam.
Freudig zeigt' er darauf den vier Verrätern die Liste,
Welche Gesellen er alle mit Gold und Versprechen gewonnen.
Braunen erfreute die Botschaft; es lasen die fünfe zusammen,
Und es hieß: Zwölfhundert von Isegrims kühnen Verwandten
Werden kommen mit offenen Mäulern und spitzigen Zähnen,
Ferner: die Kater und Bären sind alle für Braunen gewonnen,
Jeder Vielfraß und Dachs aus Sachsen und Thüringen stellt sich.
Doch man solle sich ihnen zu der Bedingung verbinden:
Einen Monat des Soldes vorauszuzahlen; sie wollten
Alle dagegen mit Macht beim ersten Gebote sich stellen.
Gott sei ewig gedankt, daß ich die Plane gehindert!
Denn nachdem er nun alles besorgt, so eilte mein Vater
Über Feld und wollte den Schatz auch wieder beschauen.
Da ging erst die Bekümmernis an: da grub er und suchte;
Doch je länger er scharrte, je weniger fand er. Vergebens
War die Mühe, die er sich gab, und seine Verzweiflung:
Denn der Schatz war fort, er konnt ihn nirgend entdecken.
Und vor Ärger und Scham — wie schrecklich quält die Erinnrung
Mich bei Tag und bei Nacht! — erhängte mein Vater sich selber.
Alles das hab ich getan, die böse Tat zu verhindern.
Übel gerät es mir nun; jedoch es soll mich nicht reuen.
Isegrim aber und Braun, die gefräßigen, sitzen am nächsten
Bei dem König zu Rat. Und Reineke! wie dir dagegen,
Armer Mann, jetzt gedankt wird! daß du den leiblichen Vater
Hingegeben, den König zu retten. Wo sind sie zu finden
Die sich selber verderben, nur Euch das Leben zu fristen?
König und Königin hatten indes, den Schatz zu gewinnen,
Große Begierde gefühlt; sie traten seitwärts und riefen
Reineken, ihn besonders zu sprechen, und fragten behende:
Saget an, wo habt Ihr den Schatz? Wir möchten es wissen.
Reineke ließ sich dagegen vernehmen: Was könnt es mir helfen,
Zeigt ich die herrlichen Güter dem Könige, der mich verurteilt?
Glaubet er meinen Feinden doch mehr, den Dieben und Mördern,
Die Euch mit Lügen beschweren, mein Leben mir abzugewinnen.
Nein, versetzte die Königin: nein! so soll es nicht werden!
Leben läßt Euch mein Herr, und das Vergangne vergißt er.
Er bezwingt sich und zürnet nicht mehr. Doch möget Ihr künftig
Klüger handeln und treu und gewärtig dem Könige bleiben.
Reineke sagte: Gnädige Frau, vermöget den König,
Mir zu geloben vor Euch, daß er mich wieder begnadigt,
Daß er mir alle Verbrechen und Schulden und alle den Unmut,
Den ich ihm leider erregt, auf keine Weise gedenket,
So besitzet gewiß in unsern Zeiten kein König
Solchen Reichtum, als er durch meine Treue gewinnet;
Groß ist der Schatz! ich zeige den Ort, Ihr werdet erstaunen.
Glaubet ihm nicht! versetzte der König: doch wenn er von Stehlen,
Lügen und Rauben erzählet, das möget Ihr allenfalls glauben;
Denn ein größerer Lügner ist wahrlich niemals gewesen.
Und die Königin sprach: Fürwahr, sein bisheriges Leben
Hat ihm wenig Vertrauen erworben; doch jetzo bedenket,
Seinen Oheim, den Dachs, und seinen eigenen Vater
Hat er diesmal bezichtigt und ihre Frevel verkündigt.
Wollt er, so konnt er sie schonen und konnte von anderen Tieren
Solche Geschichten erzählen; er wird so törig nicht lügen.
Meinet Ihr so? versetzte der König: und denkt Ihr, es wäre
Wirklich zum besten geraten, daß nicht ein größeres Übel
Draus entstände, so will ich es tun und diese Verbrechen
Reinekens über mich nehmen und seine verwundete Sache.
Einmal trau ich, zum letztenmal noch! das mag er bedenken:
Denn ich schwör es ihm zu bei meiner Krone! wofern er
Künftig frevelt und lügt, es soll ihn ewig gereuen;
Alles, wär es ihm nur verwandt ihm zehenten Grade,
Wer sie auch wären, sie sollens entgelten, und keiner entgeht mir,
Sollen in Unglück und Schmach und schwere Prozesse geraten!
Als nun Reineke sah, wie schnell sich des Königs Gedanken
Wendeten, faßt' er ein Herz und sagte: Sollt ich so töricht
Handeln, gnädiger Herr, und Euch Geschichten erzählen,
Deren Wahrheit sich nicht in wenig Tagen bewiese?
Und der König glaubte den Worten, und alles vergab er,
Erst des Vaters Verrat, dann Reinekens eigne Verbrechen.
Über die Maßen freute sich der; zur glücklichen Stunde,
War er der Feinde Gewalt und seinem Verhängnis entronnen.
Edler König, gnädiger Herr! begann er zu sprechen:
Möge Gott Euch alles vergelten und Eurer Gemahlin,
Was Ihr an mir Unwürdigem tut; ich will es gedenken,
Und ich werde mich immer gar höchlich dankbar erzeigen.
Denn es lebet gewiß in allen Landen und Reichen
Niemand unter der Sonne, dem ich die herrlichen Schätze
Lieber gönnte, denn eben Euch beiden. Was habt Ihr nicht alles
Mir für Gnade bewiesen! Dagegen geb ich Euch willig
König Emmerichs Schatz, so wie ihn dieser besessen.
Wo er liegt, beschreib ich Euch nun, ich sage die Wahrheit.
Höret! Im Osten von Flandern ist eine Wüste, darinnen
Liegt ein einzelner Busch, heißt Hüsterlo, merket den Namen!
Dann ist ein Brunn, der Krekelborn heißt, Ihr werdet verstehen,
Beide nicht weit auseinander. Es kommt in selbige Gegend
Weder Weib noch Mann im ganzen Jahre. Da wohnet
Nur die Eul und der Schuhu, und dort begrub ich die Schätze.
Krekelborn heißt die Stätte, das merket und nützet das Zeichen.
Gehet selber dahin mit Eurer Gemahlin: es wäre
Niemand sicher genug, um ihn als Boten zu senden,
Und der Schande wäre zu groß; ich darf es nicht raten.
Selber müßt Ihr dahin. Bei Krekelborn geht Ihr vorüber,
Seht zwei junge Birken hernach, und merket! die eine
Steht nicht weit von dem Brunnen; so geht nun, gnädiger König,
Grad auf die Birken los, denn drunter liegen die Schätze.
Kratzt und scharret nur zu; erst findet Ihr Moos an den Wurzeln,
Dann entdeckt Ihr sogleich die allerreichsten Geschmeide,
Golden, künstlich und schön, auch findet Ihr Emmerichs Krone:
Wäre des Bären Wille geschehn, der sollte sie tragen.
Manchen Zierat seht Ihr daran und Edelgesteine
Goldnes Kunstwerk; man macht es nicht mehr, wer wollt es bezahlen?
Sehet Ihr alle das Gut, o gnädiger König, beisammen,
Ja, ich bin es gewiß, Ihr denket meiner in Ehren.
Reineke, redlicher Fuchs! so denkt Ihr: der du so klüglich
Unter das Moos die Schätze gegraben, o mög es dir immer,
Wo du auch sein magst, glücklich ergehen! So sagte der Heuchler.
Und der König versetzte darauf: Ihr müßt mich begleiten,
Denn wie will ich allein die Stelle treffen? Ich habe
Wohl von Aachen gehört, wie auch von Lübeck und Köllen
Und von Paris; doch Hüsterlo hört ich im Leben nicht einmal
Nennen, ebensowenig als Krekelborn; sollt ich nicht fürchten,
Daß du uns wieder belügst und solche Namen erdichtest?
Reineke hörte nicht gern des Königs bedächtige Rede,
Sprach: So weis ich Euch doch nicht fern von hinnen, als hättet
Ihr am Jordan zu suchen. Wie schien ich Euch jetzo verdächtig?
Nächst, ich bleibe dabei, ist alles in Flandern zu finden.
Laßt uns einige fragen; es mag es ein andrer versichern.
Krekelborn! Hüsterlo! sagt ich, und also heißen die Namen.
Lampen rief er darauf, und Lampe zauderte bebend.
Reineke rief. So kommt nur getrost, der König begehrt Euch,
Will, Ihr sollt bei Eid und bei Pflicht, die Ihr neulich geleistet,
Wahrhaft reden; so zeiget denn an, wofern Ihr es wisset,
Sagt, wo Hüsterlo liegt und Krekelborn? Lasset uns hören.
Lampe sprach: Das kann ich wohl sagen. Es liegt in der Wüste
Krekelborn nahe bei Hüsterlo. Hüsterlo nennen die Leute
Jenen Busch, wo Simonet lange, der Krumme, sich aufhielt,
Falsche Münzen zu schlagen mit seinen verwegnen Gesellen.
Vieles hab ich daselbst von Frost und Hunger gelitten,
Wenn ich vor Rynen, dem Hund, in großen Nöten geflüchtet.
Reineke sagte darauf: Ihr könnt Euch unter die andern
Wieder stellen; Ihr habet den König genugsam berichtet.
Und der König sagte zu Reineken: Seid mir zufrieden,
Daß ich hastig gewesen und Eure Worte bezweifelt;
Aber sehet nun zu, mich an die Stelle zu bringen.
Reineke sprach: Wie schätzt ich mich glücklich, geziemt' es mir heute
Mit dem König zu gehn und ihm nach Flandern zu folgen;
Aber es müßt Euch zur Sünde gereichen. So sehr ich mich schäme,
Muß es heraus, wie gern ich es auch noch länger verschwiege.
Isegrim ließ vor einiger Zeit zum Mönche sich weihen,