Sieben Jahre sinds her und drüber, da schenkte mein Oheim
Seine Lieb und Treue zum guten Teile der schönen
Frauen Gieremund; solches geschah beim nächtlichen Tanze;
Isegrim war verreist, ich sag es, wie mirs bekannt ist.
Freundlich und höflich ist sie ihm oft zu Willen geworden,
Und was ist es denn mehr? Sie bracht es niemals zur Klage,
Ja, sie lebt und befindet sich wohl, was macht er für Wesen?
Wär er klug, so schwieg' er davon, es bringt ihm nur Schande.
Weiter sagte der Dachs: Nun kommt das Märchen vom Hasen!
Eitel leeres Gewäsche! Den Schüler sollte der Meister
Etwa nicht züchtigen, wenn er nicht merkt und übel bestehet?
Sollte man nicht die Knaben bestrafen, und ginge der Leichtsinn,
Ginge die Unart so hin, wie sollte die Jugend erwachsen?
Nun klagt Wackerlos, wie er ein Würstchen im Winter verloren
Hinter der Hecke; das sollt er nur lieber im stillen verschmerzen,
Denn wir hören es ja, sie war gestohlen; zerronnen
Wie gewonnen; und wer kann meinem Oheim verargen,
Daß er gestohlenes Gut dem Diebe genommen? Es sollen
Edle Männer von hoher Geburt sich gehässig den Dieben
Und gefährlich erzeigen. Ja, hätt er ihn damals gehangen,
War es verzeihlich. Doch ließ er ihn los, den König zu ehren;
Denn am Leben zu strafen, gehört dem König alleine.
Aber wenigen Danks kann sich mein Oheim getrösten,
So gerecht er auch sei und Übeltaten verwehret.
Denn seitdem des Königes Friede verkündiget worden,
Hält sich niemand wie er. Er hat sein Leben verändert,
Speiset nur einmal des Tags, lebt wie ein Klausner, kasteit sich,
Trägt ein härenes Kleid auf bloßem Leibe und hat schon
Lange von Wildbret und zahmem Fleische sich gänzlich enthalten,
Wie mir noch gestern einer erzählte, der bei ihm gewesen.
Malepartus, sein Schloß, hat er verlassen und baut sich
Eine Klause zur Wohnung. Wie er so mager geworden,
Bleich von Hunger und Durst und andern strengeren Bußen,
Die er reuig erträgt, das werdet Ihr selber erfahren.
Denn was kann es ihm schaden, daß hier ihn jeder verklaget?
Kommt er hieher, so führt er sein Recht aus und macht sie zuschanden.
Als nun Grimbart geendigt, erschien zu großem Erstaunen
Henning, der Hahn, mit seinem Geschlecht. Auf trauriger Bahre,
Ohne Hals und Kopf, ward eine Henne getragen,
Kratzefuß war es, die beste der eierlegenden Hennen.
Ach, es floß ihr Blut, und Reineke hatt es vergossen!
Jetzo sollt es der König erfahren. Als Henning, der wackre,
Vor dem König erschien, mit höchstbetrübter Gebärde,
Kamen mit ihm zwei Hähne, die gleichfalls trauerten. Kreyant
Hieß der eine, kein besserer Hahn war irgend zu finden
Zwischen Holland und Frankreich; der andere durft ihm zur Seite
Stehen, Kantart genannt, ein stracker, kühner Geselle;
Beide trugen ein brennendes Licht; sie waren die Brüder
Der ermordeten Frau. Sie riefen über den Mörder
Ach und Weh! Es trugen die Bahr zwei jüngere Hähne,
Und man konnte von fern die Jammerklage vernehmen.
Henning sprach: Wir klagen den unersetzlichen Schaden,
Gnädigster Herr und König! Erbarmt Euch, wie ich verletzt bin,
Meine Kinder und ich. Hier seht Ihr Reinekens Werke!
Als der Winter vorbei, und Laub und Blumen und Blüten
Uns zur Fröhlichkeit riefen, erfreut ich mich meines Geschlechtes,
Das so munter mit mir die schönen Tage verlebte!
Zehen junge Söhne, mit vierzehn Töchtern, sie waren
Voller Lust zu leben; mein Weib, die treffliche Henne,
Hatte sie alle zusammen in Einem Sommer erzogen.
Alle waren so stark und wohl zufrieden, sie fanden
Ihre tägliche Nahrung an wohlgesicherter Stätte.
Reichen Mönchen gehörte der Hof, uns schirmte die Mauer,
Und sechs große Hunde, die wackern Genossen des Hauses,
Liebten meine Kinder und wachten über ihr Leben;
Reineken aber, den Dieb, verdroß es, daß wir in Frieden
Glückliche Tage verlebten und seine Ränke vermieden.
Immer schlich er bei Nacht um die Mauer und lauschte beim Tore,
Aber die Hunde bemerktens; da mocht er laufen! sie faßten
Wacker ihn endlich einmal und ruckten das Fell ihm zusammen;
Doch er rettete sich und ließ uns ein Weilchen in Ruhe.
Aber nun höret mich an! es währte nicht lange, so kam er
Als ein Klausner und brachte mir Brief und Siegel. Ich kannt es:
Euer Siegel sah ich am Briefe; da fand ich geschrieben:
Daß Ihr festen Frieden so Tieren als Vögeln verkündigt.
Und er zeigte mir an: er sei ein Klausner geworden,
Habe strenge Gelübde getan, die Sünden zu büßen,
Deren Schuld er leider bekenne. Da habe nun keiner
Mehr vor ihm sich zu fürchten, er habe heilig gelobet,
Nimmermehr Fleisch zu genießen. Er ließ mich die Kutte beschauen,
Zeigte sein Skapulier. Daneben wies er ein Zeugnis,
Das ihm der Prior gestellt, und, um mich sicher zu machen,
Unter der Kutte ein härenes Kleid. Dann ging er und sagte:
Gott dem Herren seid mir befohlen! ich habe noch vieles
Heute zu tun! ich habe die Sext und die None zu lesen
Und die Vesper dazu. Er las im Gehen und dachte
Vieles Böse sich aus, er sann auf unser Verderben.
Ich mit erheitertem Herzen erzählte geschwinde den Kindern
Eures Briefes fröhliche Botschaft, es freuten sich alle.
Da nun Reineke Klausner geworden, so hatten wir weiter
Keine Sorge, noch Furcht. Ich ging mit ihnen zusammen
Vor die Mauer hinaus, wir freuten uns alle der Freiheit.
Aber leider bekam es uns übel. Er lag im Gebüsche
Hinterlistig; da sprang er hervor und verrannt uns die Pforte;
Meiner Söhne schönsten ergriff er und schleppt' ihn von dannen,
Und nun war kein Rat, nachdem er sie einmal gekostet;
Immer versucht' er es wieder, und weder Jäger noch Hunde
Konnten vor seinen Ränken bei Tag und Nacht uns bewahren.
So entriß er mir nun fast alle Kinder; von zwanzig
Bin ich auf fünfe gebracht, die andern raubt' er mir alle.
O, erbarmt Euch des bittern Schmerzes! er tötete gestern
Meine Tochter, es haben die Hunde den Leichnam gerettet.
Seht, hier liegt sie! Er hat es getan, o! nehmt es zu Herzen!
Und der König begann: Kommt näher, Grimbart, und sehet,
Also fastet der Klausner, und so beweist er die Buße!
Leb ich noch aber ein Jahr, so soll es ihn wahrlich gereuen!
Doch was helfen die Worte! Vernehmet, trauriger Henning:
Eurer Tochter ermangl es an nichts, was irgend den Toten
Nur zu Rechte geschieht. Ich lass ihr Vigilie singen,
Sie mit großer Ehre zur Erde bestatten; dann wollen
Wir mit diesen Herren des Mordes Strafe bedenken.
Da gebot der König, man solle Vigilie singen.
Domino placebo begann die Gemeine, sie sangen
Alle Verse davon. Ich könnte ferner erzählen,
Wer die Lektion gesungen und wer die Responsen;
Aber es währte zu lang, ich lass es lieber bewenden.
In ein Grab ward die Leiche gelegt und drüber ein schöner
Marmorstein, poliert wie ein Glas, gehauen im Viereck,
Groß und dick, und oben darauf war deutlich zu lesen:
«Kratzefuß, Tochter Hennings des Hahns, die beste der Hennen,
Legte viel Eier ins Nest und wußte klüglich zu scharren.
Ach, hier liegt sie! durch Reinekens Mord den Ihren genommen.
Alle Welt soll erfahren, wie bös und falsch er gehandelt,
Und die Tote beklagen. «So lautete, was man geschrieben.
Und es ließ der König darauf die Klügsten berufen,
Rat mit ihnen zu halten, wie er den Frevel bestrafte,
Der so klärlich vor ihn und seine Herren gebracht war.
Und sie rieten zuletzt: man habe dem listigen Frevler
Einen Boten zu senden, daß er um Liebes und Leides
Nicht sich entzöge, er solle sich stellen am Hofe des Königs
An dem Tage der Herrn, wenn sie zunächst sich versammeln;
Braun, den Bären, ernannte man aber zum Boten. Der König
Sprach zu Braun, dem Bären: Ich sag es, Euer Gebieter,
Daß Ihr mit Fleiß die Botschaft verrichtet! Doch rat ich zur Vorsicht:
Denn es ist Reineke falsch und boshaft, allerlei Listen
Wird er gebrauchen, er wird Euch schmeicheln, er wird Euch belügen,
Hintergehen, wie er nur kann. Mitnichten, versetzte
Zuversichtlich der Bär: bleibt ruhig! Sollt er sich irgend
Nur vermessen und mir zum Hohne das mindeste wagen,
Seht, ich schwör es bei Gott! der möge mich strafen, wofern ich
Ihm nicht grimmig vergölte, daß er zu bleiben nicht wüßte.
Zweiter Gesang
Also wandelte Braun auf seinem Weg zum Gebirge
Stolzen Mutes dahin, durch eine Wüste, die groß war,
Lang und sandig und breit; und als er sie endlich durchzogen,
Kam er gegen die Berge, wo Reineke pflegte zu jagen;