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Les Chippingham wußte das nur zu gut.

CBA war der letzte der großen, überregionalen Sender, der einem Phänomen zum Opfer fiel, das Insider »die Invasion der Philister« nannten. Gemeint war damit die Übernahme der Sender durch Industriekonglomerate, die ihr Profitstreben über ihre Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber stellten. Es war ein krasser Gegensatz zu früheren Zeiten, als Führer wie Paley von CBS, Sarnoff von NBC und Goldenson von ABC, obwohl lupenreine Kapitalisten, es doch nie versäumten, ebendiese Verantwortung zu demonstrieren.

Vor neun Monaten war CBA, nach vergeblichen Versuchen, die Unabhängigkeit des Senders zu bewahren, von Globanic Industries Inc., einem weltweit operierenden Konzernriesen, geschluckt worden. Wie General Electric, der sich zuvor schon NBC einverleibt hatte, war auch Globanic ein bedeutender Rüstungskonzern. Und wie bei GE war es auch bei Globanic nicht ohne kriminelle Machenschaften abgegangen. Bei einer Gelegenheit war der Konzern wegen Preisabsprachen und Wettbewerbsverzerrungen rechtskräftig verurteilt worden, einige Topmanager wanderten ins Gefängnis. Bei einer anderen mußte er sich des Betrugs an der US-Regierung schuldig bekennen, nachdem bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen Geschäftsbücher manipuliert worden waren. Die Strafe lautete auf eine Million Dollar, das rechtlich zulässige Höchstmaß, doch verglichen mit dem Gesamtwert des Auftrags nur ein verschwindend geringer Betrag. »Globanic hat zu viele Sonderinteressen, um CBA auch weiterhin absolute redaktionelle Unabhängigkeit zu gewähren«, schrieb ein Kommentator zur Zeit der Übernahme. »Können Sie sich vorstellen, daß CBA je wieder heikle Probleme aufgreift, wenn die Muttergesellschaft darin verwickelt ist?«

Seit der Übernahme von CBA hatten die neuen Herren immer wieder öffentlich versichert, die traditionelle Unabhängigkeit des Senders bleibe gewahrt. Doch kam man immer mehr zu der Überzeugung, daß dies nur leere Versprechen waren.

Begonnen hatte die Umwandlung von CBA mit der Ankunft von Margot Lloyd-Mason, der neuen Präsidentin und Chefin des Senders. Die als tüchtig, skrupellos und maßlos ehrgeizig bekannte Frau war bereits Vizepräsidentin bei Globanic Industries. Es ging das Gerücht, ihre Versetzung zu CBA sei nur ein Probelauf, um zu sehen, ob sie genug Härte und Durchsetzungsvermögen für den Vorsitz der Muttergesellschaft aufbringen könne.

Leslie Chippingham lernte seine neue Chefin kennen, als sie ihn wenige Tage nach ihrer Ankunft zu sich rufen ließ. Statt des üblichen persönlichen Anrufs - eine Gunst, die Mrs. Lloyd-Masons Vorgänger seinen Abteilungschefs gewährt hatte -übermittelte ihm eine Sekretärin die barsche Aufforderung, er habe sofort in »Stonehenge« zu erscheinen, so der Spitzname der CBA -Zentrale an der Third Avenue. In einer Limousine mit Chauffeur fuhr Chippingham dorthin.

Margot Lloyd-Mason war sehr groß, sie hatte hochgekämmte blonde Haare, ein leicht gebräuntes Gesicht mit hohen Wangenknochen und kühl abschätzende Augen. Sie trug ein elegantes, braun-graues Chanel-Kostüm mit einer etwas helleren Seidenbluse. Chippingham sollte sie später als »attraktiv, aber furchteinflößend« beschreiben.

Die Präsidentin war freundlich, aber kühl. »Sie dürfen mich mit Vornamen anreden«, sagte sie dem Nachrichtenchef, doch bei ihr klang es wie ein Befehl. Dann kam sie ohne Umschweife zum Thema.

»Es wird heute im Lauf des Tages zur Bekanntgabe einer Affäre kommen, die Theo Elliott betrifft.«

Theodore Elliott war der Vorsitzende von Globanic Industries.

»Das ist bereits passiert«, erwiderte Chippingham. »Das Finanzministerium in Washington hat bekanntgegeben, daß unser Oberhäuptling im Verdacht steht, fünf Millionen Dollar Steuern unterschlagen zu haben.«

Chippingham hatte die Meldung zufällig auf dem AP-Telex gesehen. Soweit bekannt war, hatte Elliott in ein Abschreibungsprojekt investiert, das sich nachträglich als illegal herausstellte. Der Initiator des Projekts mußte vor Gericht. Elliott blieb das erspart, doch mußte er die Steuern nachzahlen und erhielt außerdem eine beträchtliche Geldstrafe.

»Theo hat eben angerufen«, sagte Margot, »und mir versichert, er habe nicht gewußt, daß das Projekt illegal gewesen sei.«

»Vermutlich gibt es ein paar, die ihm das glauben«, entgegnete Chippingham und dachte dabei an die Armee von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, die der Vorsitzende von Globanic zur Verfügung hatte.

»Keine Respektlosigkeiten, bitte«, erwiderte Margot eisig. »Ich habe Sie rufen lassen, weil ich nicht will, daß über Theo und die Steuern irgend etwas in unseren Nachrichten erscheint. Und ich möchte auch, daß Sie die anderen Sender bitten, ebenfalls nicht darüber zu berichten.«

Chippingham war entsetzt, er wollte kaum glauben, was er eben gehört hatte. Nur mit Mühe konnte er den Unmut in seiner Stimme unterdrücken. »Margot, wenn ich mich mit dieser Bitte an die anderen Sender wende, würden die sie nicht nur zurückweisen, sondern darüber hinaus die Meldung bringen, daß CBA News versucht habe, seinen Chef zu decken. Und, offen gesagt, im umgekehrten Fall würden wir ähnlich reagieren.«

Noch während er sprach, erkannte er, daß die neue Präsidentin bereits in diesem kurzen Wortwechsel nicht nur ihre Unerfahrenheit im Fernsehgewerbe demonstriert hatte, sondern auch ihre totale Gleichgültigkeit gegenüber jeder Art von journalistischer Ethik. Aber dann fiel ihm ein, daß sie ja nicht deswegen auf diesem Stuhl saß, sondern wegen ihrer Kenntnisse in Finanzfragen und ihres Talents zur Profitoptimierung.

»Na gut«, sagte sie mißmutig. »Ich fürchte, ich muß akzeptieren, was Sie über die anderen Sender sagen. Aber in unseren Nachrichten will ich nichts von der Geschichte sehen.«

Chippingham seufzte innerlich, denn er wußte, daß von nun an sein Job als Nachrichtenchef um einiges schwieriger werden würde. »Bitte glauben Sie mir, Margot, wenn ich Ihnen sage, daß jeder andere Sender die Meldung über Mr. Elliott und seine Steuern in den Abendnachrichten bringen wird. Und wenn wir sie nicht ebenfalls bringen, wird das für mehr Aufmerksamkeit sorgen, als wenn wir sie bringen. Denn jeder wird unsere Nachrichten einschalten, um zu sehen, wie fair und unparteiisch wir sind, vor allem nach den Ankündigungen von Globanic, daß die Unabhängigkeit der Nachrichtenabteilung gewahrt bleibe.«

Margot kniff die Lippen zusammen und machte ein mürrisches Gesicht, aber ihr Schweigen zeigte, daß sie verstand, was Chippingham meinte. »Aber Sie werden es kurz halten?«

»Da brauch' ich mich nicht mal einzumischen. Die Sache ist einen längeren Bericht nicht wert.«

»Und ich will nicht, daß irgendein Klugscheißer von Reporter andeutet, Theo hätte von der Illegalität gewußt, obwohl er das Gegenteil behauptet.«

»Eins kann ich Ihnen versprechen«, sagte Chippingham. »Was wir auch tun, es wird fair sein. Ich werde mich persönlich darum kümmern.«

Ohne darauf einzugehen, nahm Margot ein Blatt Papier in die Hand, das auf ihrem Schreibtisch gelegen hatte. »Sie sind in einer Limousine mit Chauffeur hierhergekommen.«

»Ja.« Chippingham war überrascht. Das Auto mit Fahrer gehörte zu den Privilegien eines Studioleiters, aber die Erfahrung, ausspioniert zu werden - denn das war ja offensichtlich geschehen -, war neu und beunruhigend.

»In Zukunft benutzen Sie ein Taxi. Wenn ich es tue, dann können Sie das auch. Und noch etwas.« Sie warf ihm einen eisigen Blick zu. »Das Budget der Nachrichtenabteilung ist mit sofortiger Wirkung um zwanzig Prozent zu kürzen. Ich werde Ihnen morgen noch eine schriftliche Anweisung reinschicken; und wenn ich >sofort< sage, dann meine ich es auch. Innerhalb einer Woche möchte ich einen Bericht über die Art der Einsparungen.«