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Officer Jensen, der auf den Hilferuf vom Grand Union Supermarkt reagiert und die alte Lady, Priscilla Rhea, befragt hatte, wurde das Gefühl nicht mehr los, in etwas Ernstes hineingeraten zu sein. In Gedanken ging er noch einmal durch, was er bis jetzt in Erfahrung gebracht hatte.

Bei seiner Zeugenbefragung vor dem Supermarkt hatten einige Personen übereinstimmend ausgesagt, sie hätten gesehen, wie eine Frau in großer Eile und offensichtlich sehr bestürzt den Supermarkt verließ. Zwei der Zeugen konnten die Frau als Mrs. Crawford Sloane identifizieren. Den Angaben zufolge war sie in Begleitung ihres Sohnes und zweier Männer, der eine um die Dreißig, der andere älter. Der Dreißigjährige hatte den Laden offensichtlich alleine betreten. Er hatte zunächst einige andere Frauen gefragt, ob sie Mrs. Sloane seien. Sobald er dann die richtige Mrs. Sloane gefunden hatte, kam es zu dem überstürzten Aufbruch.

Danach war Miss Rhea die einzige, die behauptete, die vier gesehen zu haben. Ihre Geschichte eines Überfalls, bei dem die Opfer in einem »kleinen Bus« entführt worden seien, wurde immer glaubwürdiger. Unter anderem auch deshalb, weil Mrs. Sloanes Volvo, auf den ein Bekannter des Opfers Jensen hingewiesen hatte, noch immer auf dem Parkplatz des Supermarkts stand, während Mrs. Sloane und ihre Begleiter offensichtlich verschwunden waren. Und schließlich gab es noch diese Flecken auf dem Asphalt, die möglicherweise Blut waren. Jensen hatte einen der inzwischen eingetroffenen Beamten gebeten, sie als Beweismittel für eine spätere Untersuchung zu sichern.

Ein weiterer Zeuge, der in der Nähe der Sloanes wohnte, hatte Jensen die Adresse der Familie genannt. Da es nun am Supermarkt für ihn nichts mehr zu tun gab, hatte er die Adresse durchgegeben und um einen Kriminalbeamten gebeten, der ihn dort treffen sollte. Unter anderen Umständen hätte er auch den Namen der mutmaßlich Entführten genannt, zumal der Funkverkehr der Polizei von Larchmont etwas zwangloser ablief als der größerer Einheiten. Da aber Larchmonts berühmtester Einwohner betroffen war und möglicherweise Unbefugte den Funkverkehr abhörten, hielt er den Namen vorerst zurück.

Jensen war jetzt auf dem Weg zur Park Avenue - eine Fahrt von wenigen Minuten.

Er war eben in die Auffahrt zum Haus Nr. 66 eingebogen, als ein zweites - ziviles - Fahrzeug mit aufgesetztem Blinklicht und heulender Sirene auftauchte und hinter ihm anhielt. Detective Ed York, ein altgedienter Kriminalbeamter, den Jensen gut kannte, stieg aus. York und Jensen unterhielten sich kurz und gingen dann gemeinsam zum Haus. Die beiden Polizisten stellten sich Florence, dem Dienstmädchen der Sloanes, vor, die bei dem Lärm der Sirene zur Haustür gelaufen war. Mit einem Gesicht, in dem sich Überraschung und Besorgnis spiegelten, ließ sie die Beamten ein.

»Es besteht die Möglichkeit, aber wirklich nur die Möglichkeit«, begann nun Detective York, »daß Mrs. Sloane etwas zugestoßen ist.« Dann stellte er ihr einige Fragen, und während Florence darauf antwortete, wurde ihre Besorgnis immer größer.

Ja, sie sei im Haus gewesen, als Mrs. Sloane, Nicky und Mr. Sloanes Vater zum Einkaufen wegfuhren. Gegen elf Uhr sei das gewesen. Um 9 Uhr 30, als sie gekommen sei, habe gerade Mr. Sloane das Haus verlassen. Nein, seit Mrs. Sloanes Abfahrt habe sich niemand von der Familie gemeldet. Aber das habe sie auch nicht erwartet. Auch sonst habe es keine Anrufe gegeben. Nein, sie habe nichts Ungewöhnliches bemerkt, als Mrs. Sloane und die anderen wegführen. Bis auf... na ja...

Florence hie lt inne und fragte dann ängstlich: »Was ist denn überhaupt los? Was ist mit Mrs. Sloane passiert?«

»Im Augenblick haben wir keine Zeit für lange Erklärungen«, antwortete der Detective. »Was meinen Sie mit >bis auf... na ja<?«

»Nun, als Mrs. Sloane, ihr Schwiegervater und Nicky wegfuhren, war ich da drin.« Sie deutete auf ein von der Sonne erleuchtetes Zimmer im vorderen Teil des Hauses. »Ich sah sie wegfahren.«

»Und?«

»Da stand ein Auto in dieser Nebenstraße, man kann die Stelle von hier aus sehen. Sobald Mrs. Sloane auf der Straße war, fuhr dieses andere Auto ebenfalls los und folgte ihr. Aber ich machte mir deswegen keine Gedanken.«

»Dafür hatten Sie ja auch keinen Grund«, sagte Jensen. »Können Sie das Auto beschreiben?«

»Ich glaube, es war dunkelbraun. So etwa mittelgroß.«

»Konnten Sie das Nummernschild sehen?«

»Nein.«

»Haben Sie die Marke erkannt?«

Florence schüttelte den Kopf. »Die sehen für mich alle gleich aus.«

»Lassen wir es für den Augenblick dabei«, sagte York zu Jensen. Dann wandte er sich an Florence. »Denken Sie über das Auto nach. Falls Ihnen noch irgend etwas einfällt, sagen Sie uns Bescheid.«

Der Detective und Jensen gingen nach draußen. Im selben Augenblick fuhren zwei weitere Polizeiwagen vor. Der eine brachte einen uniformierten Sergeanten, der andere den Polizeichef von Larchmont. Der Chef, ebenfalls in Uniform, war groß und schlank und hatte ein eher unauffälliges Auftreten, das viele täuschte. Die vier Beamten kamen in der Auffahrt zu einer kurzen Beratung zusammen.

Am Ende fragte der Chef den Detective York: »Glauben Sie, das ist was Ernstes - eine Entführung?«

»In diesem Augenblick«, antwortete York, »deutet alles darauf hin.«

»Jensen?«

»Ja, Sir. Es ist ernst.«

»Sie sagten, der Nissan hatte Nummernschilder aus New Jersey?«

»Nach Aussage eines Zeugen, ja, Sir.«

Der Chef überlegte. »Falls es sich um eine Entführung handelt und der Wagen über eine Staatsgrenze fährt, wird das FBI zuständig. So steht's im Lindbergh-Gesetz.« Dann fügte er hinzu: »Obwohl sich das FBI ja wenig um solche Kleinigkeiten kümmert.«

Der letzte Satz klang etwas säuerlich und spiegelte die Überzeugung vieler Ortspolizisten wider, daß das FBI jeden prestigeträchtigen Fall an sich riß, während es immer Gründe fand, andere, die es nicht interessierte, abzulehnen. Doch dann sagte der Chef kurz entschlossen: »Ich werde das FBI hinzuziehen.«

Er ging zu seinem Auto und griff nach dem Funkgerät.

Wenige Minuten später kehrte er zu den anderen zurück und befahl York, er solle ins Haus gehen und dort bleiben. »Lassen Sie sich zuallererst vom Dienstmädchen mit Mr. Sloane verbinden. Erzählen Sie ihm alles, was Sie wissen, und sagen Sie ihm, daß wir unser möglichstes tun. Und danach nehmen Sie alle Anrufe entgegen. Schreiben Sie sich alles auf. Wir werden Ihnen bald Verstärkung schicken.«

Der Sergeant und Jensen erhielten den Auftrag, vor dem Haus Wache zu halten. »Bald werden mehr Leute hier herumschwirren als Fliegen auf 'nem Örtchen. Laßt niemand durch, außer das FBI. Sobald die Presse auftaucht und Fragen stellt, schickt sie ins Revier.«

In diesem Augenblick hörten sie das laute Knattern eines herannahenden Autos. Sie drehten die Köpfe. Es war ein alter, weißer VW Käfer, und der Polizeichef meinte düster: »Da ist der erste.«

Bert Fisher mußte das Haus Nr. 66 an der Park Avenue nicht lange suchen. Das Aufgebot an Polizeifahrzeugen war nicht zu übersehen.

Als er seinen VW am Straßenrand abstellte und ausstieg, saß der Polizeichef bereits wieder in seinem Wagen und wollte losfahren. Bert lief zu ihm. »Chief, können Sie schon eine Erklärung abgeben?«

»Ach, Sie sind es!« Der Polizeichef kurbelte das Fenster herunter, er kannte den alten Nachrichtenjäger sehr gut. »Eine Erklärung wozu?«

»Ach kommen Sie, Chief. Ich hab' den ganzen Funkverkehr mitgekriegt und gerade eben noch Ihre Anweisung, das FBI zu informieren.« Bert sah sich um und merkte, daß er mit seiner Vermutung recht behalten hatte. »Das ist doch Crawford Sloanes Haus, oder?«