Danach öffnete er den Tonkanal, und die Stimme eines Ansagers war zu hören.
»Wir unterbrechen unser Programm für eine Sondermeldung von CBA News. Aus New York meldet sich unser Korrespondent Don Kettering.«
Die Aufnahmeleiterin in der Nachrichtenregie rief: »Achtung, Don!«
Im ganzen Land erschien nun das Gesicht des Wirtschaftskorrespondenten von CBA auf den Fernsehschirmen.
Ohne zu lächeln und mit ernster Stimme begann Kettering. »Vor wenigen Minuten meldete die Polizei von Larchmont, New York, die mutmaßliche Entführung der Frau, des Sohnes und des Vaters von Crawford Sloane, dem Chefsprecher von CBA News.«
Ein Dia mit Sloanes vertrautem Gesicht wurde eingeblendet, während Kettering weitersprach: »Die von Unbekannten verübte Entführung ereignete sich vor etwa vierzig Minuten. Nach Aussagen der Polizei und einer Augenzeugin war ein brutaler Überfall vorausgegangen... «
Es war inzwischen 11 Uhr 56.
CBA hatte die Konkurrenz geschlagen und die Meldung als erste gebracht.
Zweiter Teil
1
Die Sondermeldung von CBA über die Entführung von Sloanes Familie hatte unmittelbare, weitreichende Auswirkungen.
NBC News, die sich mit ihrer anständigen, freundlichen Geste gegenüber CBA selbst um ihren möglichen Vorsprung gebracht hatten, folgten mit einer eigenen Meldung eine knappe Minute später, also noch vor der Mittagsausgabe.
CBS, ABC und CNN, die über die Presseberichte von AP und Reuters von der Entführung erfahren hatten, waren innerhalb weniger Minuten ebenfalls auf Sendung. Fernsehstationen im ganzen Land, die an keinen der großen Sender angeschlossen waren, sondern eigene Nachrichtendienste besaßen, folgten.
Im kanadischen Fernsehen wurde die Sloane-Entführung zum Aufmacher der Mittagsnachrichten.
Rundfunksender, die blitzschnell reagieren konnten, brachten die Geschichte häufig noch vor den Fernsehsendern.
Von Küste zu Küste warfen Zeitungen ihre Nachmittagsausgaben um und setzten riesige Balkenschlagzeilen auf die Titelseite. Größere Zeitungen aus anderen Bundesstaaten setzten ihre New Yorker Korrespondenten auf die Geschichte an.
In Bildagenturen begann eine hektische Suche nach Fotos von Jessica, Nicholas und Angus Sloane. Von Crawford Sloane waren genug vorhanden.
Die Telefonzentrale von CBA wurde von Anrufen für Crawford Sloane förmlich überflutet. Auf die höfliche Information, daß Mr. Sloane leider nicht zu sprechen sei, hinterließen die meisten Anrufer Botschaften des Mitgefühls.
Vertreter der Presse und der anderen Medien vermieden den Umweg über die Telefonzentrale und wählten Direktanschlüsse innerhalb von CBA News an. Einige Telefone waren deshalb ständig blockiert, was eine Kommunikation nach draußen schwierig machte. Journalisten, die durchkamen und Sloane interviewen wollten, erfuhren, daß er nicht in der Verfassung sei, mit irgend jemand zu reden, und daß außer den bereits gesendeten keine weiteren Informationen vorlägen.
Ein Anrufer, den man dennoch mit Sloane verband, war der Präsident der Vereinigten Staaten.
»Crawf, ich habe eben diese schreckliche Nachricht gehört«, sagte der Präsident. »Ich weiß, daß Sie im Augenblick zu besorgt sind, um viel zu reden, aber ich wollte Sie nur wissen lassen, daß Barbara und ich an Sie und Ihre Familie denken und auf baldige gute Nachrichten hoffen. Wir wollen wie Sie, daß diese Qual bald vorübergeht.«
»Vielen Dank, Mr. President«, erwiderte Sloane. »Das bedeutet mir sehr viel.«
»Ich habe das Justizministerium angewiesen«, fuhr der Präsident fort, »der Suche des FBI nach Ihrer Familie absolute Priorität einzuräumen. Auch sonst werden alle erforderlichen staatlichen Mittel eingesetzt.«
Sloane bedankte sich noch einmal.
Die wesentlichen Punkte des Präsidentenanrufs wurden sofort danach von einem Sprecher des Weißen Hauses veröffentlicht, und auch das trug zu dem stetig wachsenden Strom an Informationen bei, die mit Sicherheit die Abendnachrichten aller Sender dominieren würden.
Kamerateams der verschiedenen New Yorker und überregionalen Sender trafen kurz nach den ersten Sondermeldungen in Larchmont ein und interviewten, wie es ein Beobachter formulierte, »jeden, der ihnen unter die Finger kam«, darunter auch einige, die mit dem Fall nur sehr am Rande zu tun hatten. Die ehemalige Lehrerin, Priscilla Rhea, die unter all der Aufmerksamkeit noch einmal aufblühte, erwies sich als beliebteste Interviewpartnerin, der Polizeichef von Larchmont mußte sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben.
Zu einer überraschenden neuen Entwicklung kam es, als einige Nachbarn der Sloanes berichteten, allem Anschein nach sei das Haus schon seit einigen Wochen, vielleicht sogar seit einem Monat, observiert worden. Man habe eine Reihe verschiedener Autos und manchmal sogar einen Lastwagen beobachtet. Über längere Zeiträume hinweg hätten die Autos in der Nähe des Hauses gestanden, ohne daß die Insassen je ausgestiegen wären. Einige Automarken wurden genannt, doch insgesamt kamen detaillierte Angaben eher spärlich. Übereinstimmend berichteten die Zeugen, daß die Kennzeichen zum Teil aus New York und zum Teil aus New Jersey gewesen seien. Aber keiner der Augenzeugen hatte sich die Nummern gemerkt.
Eines dieser von den Nachbarn erwähnten Autos entsprach der Beschreibung, die Florence, das Dienstmädchen der Sloanes, geliefert hatte - von eben jenem Auto, das Jessicas Volvo gefolgt war, als sie mit Nicky und Angus zum Einkaufen fuhr.
Die nächste Frage war zwangsläufig: Warum hatte niemand diese offensichtliche Beschattung der Polizei gemeldet?
Die Antwort war bei jedem die gleiche: Man nahm an, daß es sich um eine Schutzmaßnahme für den berühmten Mr. Sloane handelte, und da wollte man sich nicht einmischen.
Aus diesem Grund erfuhr die Polizei erst so spät von diesen Autos.
Auch die ausländischen Medien zeigten großes Interesse an der Entführungsgeschichte. Obwohl das Gesicht und die Stimme Crawford Sloanes im Ausland nicht so sehr bekannt waren wie in Nordamerika, schien allein die Tatsache, daß eine berühmte Persönlichkeit des Fernsehens betroffen war, von großem internationalen Interesse.
Diese überwältigende Reaktion war ein Beweis dafür, daß der Nachrichtensprecher eines großen Senders - der Homo promulgare ancora, wie das Wall Street Journal ihn tags darauf nennen sollte - zu einer ganz besonderen Spezies geworden war, die in der öffentlichen Verehrung neben gekrönten Häuptern, Film- und Rockstars, Päpsten und Präsidenten rangierte.
Crawfords Sloanes Gefühle waren in Aufruhr.
Wie betäubt taumelte er durch die nächsten Stunden, und er hoffte insgeheim, jeden Augenblick zu erfahren, daß die ganze Sache nur ein Mißverständnis sei, ein leicht zu erklärender Fehler. Doch je länger Jessicas Volvo verloren auf dem Parkplatz des Supermarkts stand, desto unwahrscheinlicher wurde diese Möglichkeit.
Was Sloane am meisten beschäftigte, war seine Unterhaltung mit Jessica am Abend zuvor, als er die Möglichkeit einer Entführung ins Gespräch gebracht hatte. Doch nicht dieses zufällige zeitliche Zusammentreffen machte ihm Sorgen. Er wußte aus langer Erfahrung, daß das wirkliche Leben manchmal voller höchst unglaublicher Zufälle steckte. Was ihn quälte, war die Tatsache, daß sein Egoismus und seine Überheblichkeit ihn zu der Annahme verleitet hatten, nur er könne ein potentielles Entführungsopfer werden. Jessica hatte sogar noch gefragt: Was ist mit den Familien? Können die auch zu Zielen werden? Er hatte verneint, weil er nicht glaubte, daß so etwas passieren könnte und daß Jessica und Nicky beschützt werden müßten. Doch nun warf er sich Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit vor, und sein Schuldgefühl überwältigte ihn fast.
Große Sorgen machte er sich natürlich auch um seinen Vater, der offensichtlich nur durch einen Zufall da hineingeraten war. Er war sehr überraschend zu Besuch gekommen und deshalb den Entführern mit ins Netz gegangen.