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Die fünf waren Harry Partridge, Rita Abrams, Minh Van Canh, Ken O'Hara, der Tontechniker des Teams, und Graham Broderick, ein Auslandskorrespondent der New York Times. Sie hatten an diesem Morgen noch vor Sonnenaufgang El Salvador verlassen, waren nach Mexico City geflogen und von dort schließlich, nach einer Verspätung und einem Flugzeugwechsel, nach Dallas weitergereist. Nun warteten sie auf ihre Anschlußflüge, allerdings mit unterschiedlichen Zielen.

Alle waren sie müde und erschöpft, nicht nur von der langen Reise, sondern von zwei strapaziösen und gefährlichen Monaten, in denen sie über schmutzige Kriege in wenig erfreulichen Teilen Lateinamerikas zu berichten hatten.

Die Wartezeit verbrachten sie in einer Bar im Terminal 2E, eine der vierundzwanzig immer voll besetzten Bars des Flughafens. Die Einrichtung strahlte eine gewisse gestylte Nüchternheit aus. Eine Gartenmauerimitation mit Pflanzenkästen diente als Trennwand, die mit hellblauem Karostoff bespannte Deckenverkleidung wurde von versteckten Lichtquellen pinkfarben beleuchtet. Der Mann von der Times meinte, die Bar erinnere ihn an ein Bordell in Mandalay, das er einmal besucht hatte.

Von ihrem Tisch am Fenster sahen sie hinaus auf das Flugfeld und das Gate 20. Von dort sollte Harry Partridge in wenigen Minuten mit einer Maschine der American Airlines nach Toronto abfliegen. Doch an diesem Abend mußte er sich in Geduld üben, eine einstündige Verspätung war eben bekanntgegeben worden.

Partridge, eine lange, schlaksige Gestalt, hatte einen unordentlichen, blonden Haarschopf, der ihn trotz seiner gut vierzig Jahre und der ersten grauen Strähnen noch immer sehr jungenhaft wirken ließ. Im Augenblick saß er entspannt in seinem Sessel, verspätete Flüge und auch alles andere waren ihm gleichgültig. Drei Wochen Erholungsurlaub lagen vor ihm, und den hatte er auch dringend nötig.

Rita Abrams wartete auf einen Anschlußflug nach Minneapolis - St. Paul, von wo aus sie zur Farm eines Freundes in Minnesota weiterfahren wollte, um dort ein paar freie Tage zu verbringen. Sie hatte auch ein Wochenendrendezvous mit einem verheirateten CBA-Manager eingeplant, doch das behielt sie für sich. Minh Van Canh und Ken O'Hara wollten nach New York. Graham Broderick ebenfalls.

Partridge, Rita und Minh arbeiteten häufig zusammen. O'Hara hatte sie als Tontechniker auf dieser Reise zum ersten Mal begleitet. Er war jung, blaß, bleistiftdünn und verbrachte fast seine ganze Freizeit mit der Nase in Elektronikmagazinen; auch jetzt hatte er eins aufgeschlagen.

Broderick war das fünfte Rad am Wagen, obwohl er und die Fernsehleute oft zusammenarbeiteten und sich im allgemeinen gut verstanden. Doch im Augenblick suchte der Mann von der Times, eine rundliche, würdevolle und leicht pompöse Erscheinung, Streit.

Drei aus der Gruppe hatten bereits einige Gläser zuviel. Die Ausnahmen waren Van Canh, der nur Mineralwasser trank, und der Tontechniker, der sich noch immer an seinem ersten Glas Bier festhielt und alle weiteren Einladungen ablehnte.

»Hör zu, du reicher Stinker«, sagte Broderick zu Partridge, der seine Brieftasche aus der Jacke gezogen hatte. »Wenn ich sage, ich zahl' für die Runde, dann tu' ich's auch.« Er legte zwei Scheine, einen Zwanziger und einen Fünfer, auf das Tablett, mit dem der Kellner die drei doppelten Scotch und das Mineralwasser gebracht hatte. »Nur weil du doppelt soviel wie ich für die halbe Arbeit einsteckst, mußt du nicht gleich den Wohltäter für 'n Zeitungsfritzen spielen.«

»O Mann«, warf Rita dazwischen. »Brod, nicht schon wieder die alte Leier.«

Rita hatte überlaut gesprochen, wie sie es manchmal tat. Zwei Uniformierte des Flughafensicherheitsdienstes hatten eben die Bar betreten und sahen sich nun neugierig nach ihr um. Rita bemerkte es lächelte und winkte ihnen zu. Die Männer musterten die Gruppe und die Ansammlung von Kameras und Ausrüstungsgegenständen, auf denen überall deutlich das CBA-Logo prangte. Sie erwiderten das Lächeln und gingen weiter.

Harry Partridge, der die Szene beobachtet hatte, dachte: Heute sieht man Rita ihr Alter an. Obwohl sie eine Sinnlichkeit verströmte, die viele Männer in ihren Bann gezogen hatte, waren die verräterischen Linien in ihrem Gesicht unübersehbar; und die professionelle Härte, mit der sie von sich selbst ebensoviel verlangte wie von ihren Mitarbeitern, äußerte sich manchmal in einer gewissen herrischen Manieriertheit, die sie nicht eben attraktiv machte. Im Augenblick gab es dafür einen konkreten Grund: die Belastungen und die schwere Arbeit, die sie in den vergangenen zwei Monaten mit Harry und den anderen geteilt hatte.

Rita war dreiundvierzig und hatte noch bis vor sechs Jahren als Korrespondentin vor der Kamera gestanden, wenn auch bereits weniger häufig als in ihren jüngeren und attraktiveren Jahren. Jeder wußte, daß es ein gemeines und ungerechtes System war, in dem Männer noch vor der Kamera auftreten konnten, wenn sich in ihrem Gesicht schon das Alter bemerkbar machte, während Frauen beiseite geschoben wurden wie eine Geliebte, von der man genug hat. Einige wenige Frauen hatten versucht, dagegen anzukämpfen - Christine Craft etwa, eine Reporterin und Moderatorin, war sogar vor Gericht gezogen -doch ohne Erfolg.

Rita hatte sich, anstatt den aussichtslosen Kampf aufzunehmen, der Arbeit hinter der Kamera zugewandt und dabei triumphale Erfolge gefeiert. Anfangs hatte sie verschiedene Chefproduzenten bedrängt, ihr schwierige Aufgaben im Ausland zu geben, die sonst immer an Männer gingen. Eine Zeitlang hatten sich ihre Vorgesetzten geweigert, doch schließlich nachgegeben, und bald wurde Rita, zusammen mit Harry, automatisch in die Gegenden geschickt, wo die Kämpfe am härtesten und das Leben am schwierigsten waren.

Broderick hatte über Ritas letzte Bemerkung nachgedacht und sagte nun: »Wenn ihr Fernsehheinis wenigstens irgendwas Wichtiges machen würdet. Euer winziges Nachrichtenloch jeden Abend bringt doch immer nur die Brösel vom Tisch des Weltgeschehens. Wie lang ist es... neunzehn Minuten?«

»Wenn die Presse es schon unbedingt auf uns Wehrlose abgesehen hat«, meinte Partridge freundlich, »dann sollte sie wenigstens bei der Wahrheit bleiben. Es sind einundzwanzig und eine halbe Minute.«

»Bleiben noch sieben Minuten für Werbung«, ergänzte Rita, »und davon wird unter anderem auch Harrys wahnsinniges Gehalt gezahlt, bei dem du ganz grün vor Neid wirst.«

Rita hat mit ihrer gewohnt unverblümten Art den Nagel auf den Kopf getroffen, was die Eifersucht betraf. Die Zeitungsleute reagierten immer empfindlich, wenn es um den Unterschied zwischen ihren eigenen und den beim Fernsehen gezahlten Gehältern ging. Im Vergleich zu Partridge mit einem Jahresgehalt von 250000 Dollar verdiente Broderick als erstklassiger, höchst kompetenter Reporter nur bescheidene 85000 Dollar.

Als wäre sein Gedankengang nie unterbrochen worden, fuhr der Mann von der Times fort: »Was die gesamte Nachrichtenredaktion eures Senders in einem Tag produziert, würde bei uns nicht mal eine halbe Seite füllen.«

»Ein blöder Vergleich«, erwiderte Rita gereizt, »weil jeder weiß, daß ein Bild mehr wert ist als tausend Worte. Wir haben Hunderte von Bildern und wir bringen die Leute dorthin, wo die Nachrichten passieren, damit sie es selber sehen können. Eine Zeitung hat das noch nie geschafft.«

Broderick, seinen doppelten Scotch in der einen Hand, winkte mit der anderen ab. »Ist nicht relevant.« Das letzte Wort machte ihm Schwierigkeiten; er sprach es »revelant« aus.

Nun war es Minh Van Canh, für gewöhnlich kein großer Redner, der fragte: »Warum nicht?«

»Weil ihr alle Dinosaurier seid. Die großen, landesweiten Sender sterben langsam. Ihr wart ja nie mehr als ein Schlagzeilenservice, und jetzt nehmen euch die Lokalsender sogar das noch ab, weil sie mit neuer Technologie auch an Nachrichten von draußen rankommen und euch Berichte klauen.«

»Nun ja«, meinte Partridge, immer noch angenehm entspannt, »es gibt Leute, die behaupten das seit Jahren. Aber schau uns doch an. Wir sind immer noch da, und wir sind immer noch stark, weil die Leute unsere Nachrichten wegen der Qualität ansehen.«