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Minh holte sich die Maschine mit dem Teleobjektiv heran. Er sah, daß das Feuer inzwischen die Reifen erfaßt hatte. Der Airbus hatte den Rand des Flughafengeländes erreicht... Er kam immer näher, war kaum noch eine Viertelmeile von der Landebahn entfernt... Er würde es schaffen, aber das Feuer wurde immer stärker, der Treibstoff lieferte ihm immer neue Nahrung, und nun brannten zwei der vier Reifen auf der rechten Seite, der Gummi schmok... Es gab eine Stichflamme, als einer der Reifen explodierte.

Mit zweihundertdreißig Stundenkilometern schwebte der Airbus über der Landebahn herein. Sobald er die wartenden Rettungswagen passiert hatte, setzten sie sich in Bewegung. Mit quietschenden Reifen bogen sie auf das Rollfeld ein und rasten mit Höchstgeschwindigkeit hinter der Maschine her. Zwei gelbe Schaumlöschzüge waren die ersten, die anderen Löschfahrzeuge folgten kurz dahinter.

Als das Fahrgestell auf dem Boden aufsetzte, explodierte der zweite Reifen, dann der dritte. Plötzlich löste sich die gesamte rechte Bereifung auf... die Räder liefen nur noch auf den Felgen... das gräßliche Kreischen von Metall, ein Funkenregen, eine Wolke aus Staub und Betonsplittern... Wie durch ein Wunder schafften es die Piloten, den Airbus auf der Landebahn zu halten... Die Sekunden dehnten sich, während das Flugzeug über die Piste raste... Doch endlich stand er. Und im gleichen Augenblick loderten die Flammen in die Höhe.

Mit rasender Geschwindigkeit näherten sich die Löschzüge, Augenblicke später waren die Schaumspritzen in Aktion. In Sekunden quoll die weiße Masse auf und türmte sich wie ein Berg aus Rasierschaum.

Am Flugzeug wurden Türen geöffnet, Notrutschen fielen heraus. Die rechte Vordertür war offen, doch die mittleren wurden vom Feuer blockiert. Auf der linken, vom Feuer abgewandten Seite, waren die vordere und eine der mittleren Türen offen. Einige Passagiere glitten bereits über die Rutschen ins Freie.

Doch von den zwei Heckausgängen auf jeder Seite war bis jetzt noch keiner geöffnet.

Durch die drei offenen Türen quoll Rauch aus dem Flugzeug.

Einige Passagiere waren bereits auf dem Rollfeld. Hustend drängten immer neue nach, viele mußten sich übergeben, alle schnappten nach Luft.

Das Feuer an der Außenhaut des Flugzeugs erstickte nun langsam unter Bergen von Schaum.

Die Männer aus den RIVs mit ihren silberfarbenen Schutzanzügen und Atemgeräten hatten schnell reagiert und Leitern an die verschlossenen Hecktüren angelegt. Als sie jetzt von außen geöffnet wurden, quoll noch mehr Rauch aus der Maschine. Die Männer stürzten hinein, um auch die Brandherde im Inneren zu löschen. Andere drangen durch die vorderen Türen ein und halfen den zum Teil sehr schwachen und benommenen Passagieren beim Ausstieg.

Doch bald ließ der Strom der flüchtenden Passagiere spürbar nach. Harry Partridge schätzte, daß etwa zweihundert Leute das Flugzeug verlassen hatten, aber er wußte auch, daß, einschließlich der Crew, 297 Personen an Bord gewesen waren. Die Feuerwehrmänner begannen nun, Verletzte mit offensichtlich sehr starken Verbrennungen herauszutragen, darunter auch zwei Stewardessen. Noch immer drang Rauch aus der Kabine, wenn auch schon deutlich weniger als zuvor.

Minh Van Canh nahm weiterhin das ganze Geschehen auf, er dachte rein professionell und schloß jeden anderen Gedanken aus, obwohl er sich durchaus bewußt war, daß er der einzige Kameramann am Schauplatz war und etwas ganz Besonderes, wenn nicht Einzigartiges auf seinen Bändern hatte. Seit dem Absturz der Hindenburg war dies vermutlich das erste Mal, daß eine Luftfahrtkatastrophe solchen Ausmaßes live und in solcher Ausführlichkeit aufgenommen wurde.

Krankenwagen waren zum Kommandostand gerufen worden. Etwa zwölf waren bereits da, doch immer noch mehr trafen ein. Sanitäter kümmerten sich um die Verletzten und legten sie auf die wenigen Bahren. In ein paar Minuten würden die Opfer auf dem Weg in die Krankenhäuser sein, die bereits auf sie vorbereitet waren. Als dann ein Helikopter mit Ärzten und Schwestern an Bord landete, glich der Kommandostand neben dem Airbus mehr und mehr einem improvisierten, aber gut funktionierenden Feldlazarett.

Die Geschwindigkeit, mit der das alles passierte, warf ein gutes Licht auf die Notfallplanung des Flugplatzes, dachte Partridge. Über Funk hörte er den Einsatzleiter von etwa einhundertneunzig Geretteten sprechen. Blieben also noch fast einhundert Personen, deren Schicksal ungewiß war.

Ein Feuerwehrmann, der die Atemmaske abgenommen hatte, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen, stöhnte: »O Gott! Auf den hinteren Sitzen liegen Massen von Toten. Dort war vermutlich der Rauch am dichtesten.« Das erklärte auch, warum die vier Hecktüren nicht von innen geöffnet worden waren.

Wie immer bei Flugzeugunfällen blieben die Opfer, wo sie waren, bis ein Beamter der Flugsicherheitsbehörde - der angeblich bereits unterwegs war - sie zum Abtransport freigeben würde.

Nun verließ auch die Cockpit-Crew, entschieden jede Hilfe ablehnend, das Flugzeug. Als der Kapitän, ein graumelierter, langgedienter Pilot, der natürlich von den vielen Toten bereits wußte, sich nun unter den Verletzten umsah, begann er in aller Öffentlichkeit zu weinen. Und da Minh annahm, daß die Piloten, trotz der vielen Opfer, wegen der sicheren Landung der Maschine im Mittelpunkt des Interesses stehen würden, filmte er das tief betroffene Gesicht des Kapitäns in Großaufnahme. Es war Minhs letztes Bild, denn eine Stimme rief: »Harry! Minh! Ken! Schluß jetzt. Nehmt, was ihr habt, und kommt mit mir. Wir überspielen via Satellit nach New York.«

Die Stimme gehörte Rita Abrams, die mit einem Bus des Informationsbüros eingetroffen war. In einiger Entfernung war der versprochene Übertragungswagen zu sehen. Die Satellitenschüssel des Transporters, die während der Fahrt wie ein Fächer zusammengeklappt werden konnte, wurde eben geöffnet und ausgerichtet.

Gehorsam senkte Minh die Kamera. Zwei weitere Fernsehteams waren mit Rita im Bus angekommen, das eine von KDLS, der CBA-Tochter, und mit ihnen eine Horde von Zeitungsreportern und Fotografen. Sie und viele andere, das wußte Minh, würden die Geschichte nun weiterverfolgen. Aber nur er hatte das wirklich heiße Material, die Exklusivaufnahmen des Unglücks, und er spürte heimlichen Stolz bei dem Gedanken, daß seine Bilder an diesem und an den folgenden Tagen um die Welt gehen und so zu einem Stück Geschichte werden würden.

Vernon fuhr sie im Kombi des Informationsbüros zum Übertragungswagen. Unterwegs skizzierte Partridge bereits den Text, den er in wenigen Minuten sprechen würde. »Du hast eine Minute fünfundvierzig Sekunden«, sagte Rita zu ihm. »Und sobald du fertig bist, machst du die Tonspur und deine Absage für den Schluß. Ich überspiele dann als Schnellschuß nach New York.«

Partridge nickte zustimmend, und Rita sah auf die Uhr: 17 Uhr 43, 18 Uhr 43 in New York. Von der Erstausgabe der Nachrichten waren gerade noch fünfzehn Minuten Sendezeit übrig. Minh gab Rita seine zwei kostbaren Cassetten und legte für Partridges Tonspur und die Absage eine neue ein.

Vernon ließ sie direkt neben dem Übertragungswagen aussteigen. Broderick, der ebenfalls mitgefahren war, mußte zurück zur Abfertigungshalle, um seinen Bericht nach New York durchzugeben. »Vielen Dank, Leute«, rief er zum Abschied. »Und vergeßt nicht, wenn ihr morgen 'nen ausführlichen Bericht wollt, kauft euch die Times.«

O'Hara, der High-Tech-Fan, stand beinahe ehrfürchtig vor dem mit Instrumenten vollgepackten Übertragungswagen. »Ein Wahnsinnsding!«

Die Satellitenschüssel auf dem Dach des Wagens war inzwischen zu ihren vollen fünf Metern Durchmesser ausgebreitet und hochgefahren; ein Zwanzig-Kilowatt-Generator sorgte für Strom. In der kleinen, mit Schneide- und Übertragungsgerät vollgestopften Kontrollkabine im Inneren des Wagen richtete einer der Techniker den Sender auf einen Ku-Band Satelliten, 22300 Meilen über ihren Köpfen, aus - auf Spacenet 2. Was sie nun sendeten, wurde vom Transponder 21 des Satelliten empfangen und von dort sofort nach New York weitergeleitet.