Выбрать главу

»Nicht uns, nicht mir persönlich — dir selbst!« gab Brion müde zurück. »Wir können das alles jetzt nicht mehr ungeschehen machen, Ulv. Vielleicht wäre es für Dis wirklich besser gewesen, wenn die Fremden nie gekommen wären. Vielleicht aber auch nicht. Aber über diesen Punkt brauchen wir uns jetzt keine Sorgen mehr zu machen, denn Dis hat nun einmal Kontakt mit der restlichen Galaxis. Ihr habt ein Problem zu lösen, und ich bin hier, um euch dabei zu helfen.«

Die Sekunden vergingen unendlich langsam, während Ulv sich mit Fragen beschäftigte, die für ihn völlig neuartig waren. Konnte ein Mord weiteres Blutvergießen vermeiden? Konnte er seinem Volk dadurch helfen, daß er die Fremden unterstützte, die seine Leute umbrachten? Seine Welt hatte sich in einer Weise verändert, die er kaum zu begreifen vermochte. Sollte er sich dieser Veränderung anpassen — oder sollte er ihr entgegentreten?

Er schob das Blasrohr in seinen Gürtel zurück, drehte sich um und verließ den Raum.

»Ein bißchen zu viel für meine Nerven«, meinte Telt. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich sein werde, wenn die verdammte Sache endlich vorüber ist. Mir ist es jetzt ganz egal, ob der Planet dabei draufgeht. Ich habe alles gründlich satt.« Er ging zu dem Sandwagen hinaus und beobachtete dabei den Disaner, der vor der Tür an der Wand lehnte.

Brion wandte sich wieder Lea zu, die mit offenen Augen auf der Couch lag. Er setzte sich neben sie.

»Sie rannten«, flüsterte sie mit tonloser Stimme. »Sie rannten an der Tür meines Zimmers vorbei, und ich sah, wie sie Dr. Stine umbrachten. Dann kam einer von ihnen in mein Zimmer… Mehr weiß ich nicht, mein Gedächtnis ist von da ab völlig leer.« Sie wandte langsam den Kopf und sah zu Brion auf. »Was war dann? Warum bin ich hier?«

»Sie sind alle… tot«, berichtete Brion. »Nach dem Überfall haben die Disaner das Gebäude gesprengt. Du bist die einzige Überlebende. Der Mann, der in dein Zimmer kam, war Ulv — der Disaner, der uns in der Wüste gerettet hat. Er hat dich in Sicherheit gebracht und dich hier versteckt.«

»Wann fliegen wir ab?« fragte sie in dem gleichen Tonfall wie vorher und drehte das Gesicht zur Wand. »Wann verlassen wir diesen Planeten?«

»Heute ist der letzte Tag. Das Ultimatum läuft um Mitternacht aus. Krafft läßt uns abholen, wenn wir ihm mitteilen, daß wir startbereit sind. Aber unsere Aufgabe ist noch nicht gelöst. Ich habe eine Leiche beschafft. Du mußt sie untersuchen. Wir müssen herausbekommen, was die Magter…«

»Alles hat keinen Sinn mehr, wir müssen fort von hier.« Ihre Stimme klang monoton. »Ich habe getan, was ich konnte; jetzt kann ich nicht mehr. Bitte, laß das Schiff kommen, ich möchte Dis verlassen.«

Brion biß sich in hilfloser Verzweiflung auf die Lippen. Nichts schien Lea aus ihrer Apathie aufrütteln zu können. Sie hatte in den letzten Tagen mehr durchmachen müssen, als ihr geschwächter Körper ertragen konnte. Er nahm ihr Kinn in seine Hand und drehte ihr Gesicht zu sich her. Sie leistete keinen Widerstand, aber in ihren Augen standen Tränen.

»Bitte, bring mich nach Hause, Brion. Bitte.«

Er zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. Was konnte er nur tun? Die Zeit verging immer rascher, die Untersuchung mußte durchgeführt werden — und doch konnte er Lea nicht dazu zwingen. Er sah sich nach dem Erste-Hilfe-Kasten um, aber Telt hatte ihn mit sich in den Wagen genommen. Vielleicht enthielt er ein Beruhigungsmittel, das er Lea geben konnte.

Telt hatte einige seiner Meßinstrumente auf dem Kartentisch geöffnet und betrachtete einen Papierstreifen mit Hilfe einer Lupe, als Brion die Tür aufriß. Er fuhr nervös auf und versteckte den Streifen hinter seinem Rücken. Dann grinste er verlegen, als er Brion erkannte.

»Ich dachte, Sie wären der komische Kerl dort draußen, der sich die Sache auch einmal ansehen wollte«, flüsterte er. »Vielleicht können Sie ihm trauen — aber ich kann mir das nicht leisten. Ich darf nicht einmal das Funkgerät benützen. Ich verschwinde jetzt so schnell wie möglich. Hys muß unbedingt davon erfahren!«

»Was muß er erfahren?« erkundigte sich Brion. »Was soll die ganze Geheimnistuerei?«

Telt drückte ihm den Papierstreifen und das Vergrößerungsglas in die Hand. »Sehen Sie sich das an — das ist der Streifen aus meinem Geigerzähler. Die roten senkrechten Linien zeigen jeweils einen Zeitabschnitt von fünf Minuten an, die wellige schwarze Linie gibt die Radioaktivität der Umgebung an. Sie sehen, daß sie während der Zeit unserer Fahrt nur geringfügige Änderungen aufweist.«

»Und der steile Anstieg hier in der Mitte?«

»Diese Spitze fällt genau mit unserem Aufenthalt in dem schwarzen Turm zusammen! Als wir durch das Loch in den Keller eindrangen!« Telts Stimme klang aufgeregt.

»Soll das heißen, daß…«

»Ich kann es nicht sagen. Ich weiß es noch nicht bestimmt. Ich muß diesen Streifen erst mit den anderen vergleichen, die ich im Lager habe. Vielleicht ist es nur das Gestein des Turms — manche Arten besitzen eine sehr hohe natürliche Radioaktivität. Oder auch nur einige Instrumente mit Leuchtzifferblättern. Möglicherweise handelt es sich auch um eine kleinere taktische Atombombe — wir wissen, daß sie einige haben.«

»Oder die Kobaltbomben?«

»Kann sein«, meinte Telt und verpackte seine Instrumente. »Eine schlecht abgeschirmte Bombe oder eine alte, deren Mantel nicht mehr ganz dicht ist, würde eine ähnliche Spur auf dem Streifen hinterlassen. Ein winziger Sprung in der Außenhülle genügt schon.«

»Warum rufen Sie Hys nicht über Funk und benachrichtigen ihn davon?«

»Ich möchte vermeiden, daß Opa Kraffts Abhördienst davon Wind bekommt. Das hier ist unsere Aufgabe — wenn ich recht habe. Und ich muß erst die anderen Streifen überprüfen, bevor ich es sicher sagen kann. Jedenfalls lohnt sich ein Angriff, das spüre ich in den Knochen. Laden wir lieber gleich Ihre Leiche aus!« Er half Brion dabei und setzte sich dann hinter das Steuer.

»Halt, noch einen Augenblick«, sagte Brion. »Haben Sie zufällig etwas in Ihrem Erste-Hilfe-Kasten, das ich Lea geben könnte? Sie scheint einen Nervenzusammenbruch erlitten zu haben. Sie ist weder vernünftigen Argumenten zugänglich, noch will sie etwas tun, sie liegt einfach nur da und wartet darauf, daß ich sie abholen lasse.«

»Das werden wir gleich haben«, meinte Telt und öffnete den Kasten. »Unser Arzt nennt diese Erscheinung Schlächter-Syndrom. Hat eine Menge von unseren Leuten erwischt. Wenn man sein ganzes Leben lang in einer Gesellschaft gelebt hat, die Gewalttätigkeiten jeder Art verabscheut, nimmt es einen schwer mit, wenn man plötzlich andere Menschen umbringen soll. Nachdem es einige schwer erwischt hatte, mixte unser Arzt dieses Zeug zusammen. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert, aber jedenfalls löscht es alle Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit aus. Die letzten zehn, zwölf Stunden sind einfach nicht mehr da. Und man kann sich nicht über etwas aufregen, an das man sich gar nicht erinnert.« Er holte eine versiegelte Packung heraus. »Gebrauchsanweisung auf der Rückseite. Viel Glück.«

»Ihnen auch«, antwortete Brion und schüttelte die schwielige Hand des Technikers. »Geben Sie mir Nachricht, was aus der Sache mit dem Streifen geworden ist.« Er sah nach draußen, um sich davon zu überzeugen, daß die Straße frei war, dann schob er das Tor beiseite. Der Sandwagen fuhr auf die Straße hinaus und verschwand um die nächste Ecke. Brion schloß das Tor und ging zu Lea zurück. Ulv lehnte noch immer unbeweglich an derselben Stelle.

Die Packung enthielt eine Injektionsspritze aus Plastik. Lea protestierte nicht als Brion ihr die Nadel in den Arm stach. Sie seufzte nur und schloß wieder die Augen.

Als er sah, daß sie fest schlief, schleppte er die Plane mit dem toten Magter herein. An einer Seite der Halle erstreckte sich eine lange Werkbank, auf die er die Leiche hob. Dann schlug er die Plane beiseite und schnitt dem Toten die blutgetränkte Kleidung vom Leib.