»Aber Sie müssen mir zuhören…«
»Ich muß den Planeten unter mir zerstören. Das ist mein Auftrag. Sie können mich auf keinen Fall davon abbringen. Alle anderen Fremden — außer Ihnen und Miß Morees — haben Dis verlassen. Ich schicke jetzt ein Schiff los, das Sie abholen wird. Sowie das Schiff von Dis startet, werde ich die ersten Bomben werfen lassen. Sagen Sie mir, wo Sie sich befinden, damit ich Sie abholen lassen kann.«
»Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern, Krafft!« Brion drohte seinem unsichtbaren Gesprächspartner in ohnmächtiger Wut mit der geballten Faust. »Sie sind ein Mörder, Sie begehen einen Völkermord. Ich könnte Ihnen beweisen, daß dieser Mord überflüssig ist, aber Sie hören mir einfach nicht zu! Und ich weiß auch, wo die Kobaltbomben gelagert werden — in dem Magterturm, den Hys letzte Nacht überfallen hat. Stellen Sie diese Bomben sicher, dann brauchen Sie Ihre eigenen nicht abzuwerfen!«
»Tut mir leid, Brion. Ich erkenne Ihre Bemühungen an, muß Ihnen aber sagen, daß sie vergeblich sind. Ich will nicht behaupten, daß Sie eben gelogen haben, aber Sie können sich doch vorstellen, wie unglaubhaft Ihre Beweise für einen Mann in meiner Lage klingen müssen? Zuerst erzählen Sie mir, daß Sie entdeckt haben, weshalb die Magter unbedingt diesen Krieg wollen. Und als das keinen Erfolg hat, fällt Ihnen plötzlich ein, daß Sie wissen, wo die Bomben versteckt sind. Wollen Sie wirklich behaupten, daß Sie das bestgehütete Geheimnis der Magter kennen?«
»Ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, daß ich vielleicht doch recht habe«, antwortete Brion. »Telt hat dort einige Messungen vorgenommen, die beweisen, daß die Radioaktivität an dieser Stelle außergewöhnlich hoch ist. Aber Telt ist jetzt tot, die Beweise sind vernichtet. Sehen Sie denn nicht ein, daß…« Er schwieg, weil er einsah, daß er den anderen so nicht überzeugen konnte. Er hatte verloren.
Krafft wartete schweigend darauf, daß Brion weitersprach. Als Brion wieder das Wort ergriff, war alle Hoffnung aus seiner Stimme geschwunden.
»Schicken Sie Ihr Schiff los«, sagte er müde. »Wir befinden uns in einem großen Lagerhaus, das der Firma Leichtmetalle Handelsgesellschaft gehört hat. Ich kann Ihnen die genaue Adresse nicht angeben, aber vielleicht ist unter Ihren Leuten einer, der sich daran erinnert. Wir warten hier, bis das Schiff kommt. Sie haben doch gewonnen, Krafft.«
Brion schaltete das Funkgerät ab und fuhr sich erschöpft mit der Hand über die Stirn.
17
»Hast du das wirklich ernst gemeint, als du davon sprachst, daß du aufgeben willst?« fragte Lea. Brion bemerkte erst jetzt, daß sie sich schon seit einiger Zeit nicht mehr mit Ulv unterhielt, sondern sein Gespräch mit Krafft verfolgt hatte. Er zuckte mit den Schultern und suchte nach Worten, mit denen er die Gefühle ausdrücken konnte, die ihn in diesem Augenblick bewegten.
»Wir haben alles versucht — und fast gesiegt. Aber was sollen wir tun, wenn die anderen nicht auf uns hören wollen? Was kann ein Mann gegen eine ganze Flotte ausrichten, die Wasserstoffbomben an Bord hat?«
Wie als Antwort auf seine in hoffnungslosem Ton gestellte Frage ertönte jetzt Ulvs laute Stimme.
»Du bist unser Feind, ich töte dich!« rief er. »Ich töte dich, Umedvirk!«
Gleichzeitig griff er nach seinem Blasrohr, setzte es an den Mund und sandte einen Pfeil zu dem toten Magter hinüber. Das winzige Geschoß blieb in der grünen Masse stecken. Der Vorgang wirkte wie eine offene Kriegserklärung, wie ein hingeworfener Fehdehandschuh.
»Ulv versteht das alles viel besser, als du wahrscheinlich glaubst«, erklärte Lea Brion. »Er weiß genügend über Symbiosen und ähnliche Formen des Zusammenlebens, um jederzeit an einer Universität auf der Erde zu lehren. Er hat sofort begriffen, was dieser Gehirnsymbiont für die Magter bedeutet. Die Disaner haben sogar ein Wort dafür, das ich noch nie gehört habe. Eine Lebensform, mit der man leben oder zusammenarbeiten kann, heißt Medvirk. Das Gegenstück dazu wird Umedvirk genannt. Ulv weiß, daß Lebensformen sich ändern können, daß sie abwechselnd Medvirk oder Umedvirk sein können. Er hat eben festgestellt, daß der Gehirnsymbiont ein Umedvirk ist, deshalb will er ihn umbringen. Alle anderen Disaner werden ebenso reagieren, wenn er ihnen den Beweis zeigt und einige Erklärungen dazu abgibt.«
»Weißt du das sicher?« erkundigte sich Brion.
»Ganz sicher. Die Disaner leben nach dem Prinzip, daß Schädlinge jeder Art ausgerottet werden müssen, weil sie die Erhaltung der Rasse gefährden. Deshalb werden sie die Gehirn-Symbionten vernichten, wo sie welche finden — und wenn sie jeden Magter umbringen müssen, dessen Schädel einen enthält.«
»Wenn das stimmt, dann dürfen wir noch nicht aufgeben«, meinte Brion. In diesem Augenblick fiel ihm plötzlich ein, was jetzt zu tun war. »Das Schiff muß bald kommen. Du fliegst zurück und nimmst den toten Magter mit. Ich bleibe vorläufig hier.«
»Wo willst du hin?« fragte Lea erschrocken.
»Ich bleibe hier, weil Krafft es dann nicht wagen wird, die Bomben vor Mitternacht abzuwerfen. In diesem Fall würde er mich nämlich mit voller Überlegung ermorden. Ich bezweifle, daß meine Gegenwart ihn davon abhalten wird, die Bomben nach Mitternacht nicht zu werfen, aber bis dahin ist Dis vor ihnen sicher.«
»Willst du wirklich freiwillig Selbstmord begehen?« wollte Lea wissen. »Du hast doch eben selbst gesagt, daß ein einzelner Mann nichts gegen die Bomben ausrichten kann. Was wird aus dir um Mitternacht?«
»Ich kann jetzt nicht einfach davonlaufen. Ich muß bis zur letzten Sekunde bleiben. Ulv und ich werden zu dem Magterturm fahren, um nachzusehen, ob die Bomben dort gelagert werden. Er steht jetzt auf unserer Seite. Vielleicht weiß er sogar etwas von den Bomben, obwohl er vorher nie darüber gesprochen hat. Seine Leute werden uns unterstützen, wenn wir Hilfe brauchen.«
Lea wollte etwas einwenden, aber Brion sprach rasch weiter.
»Du hast auch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Du mußt Krafft die Leiche zeigen und ihm erklären, wie wichtig die Entdeckung des Symbionten ist. Vielleicht kannst du ihn dazu bringen, daß er mit Hys über dessen letzten Angriff spricht. Tue dein Bestes, damit er den Abwurf der Bomben verschiebt. Ich nehme das Funkgerät mit, damit ich ihn sofort benachrichtigen kann, wenn ich etwas entdeckt habe. Wir befinden uns in einer ziemlich verzweifelten Lage, aber wenn wir die Hände in den Schoß legen und untätig zusehen, ist Dis verloren.«
Lea versuchte ihn umzustimmen, aber Brion hörte nicht auf sie. Er versicherte ihr nur tröstend, daß alles nicht so schwierig sei, wie sie es sich vorstelle. Sie wußten beide, daß er nicht recht hatte, sprachen aber nicht mehr darüber, um sich gegenseitig keinen Kummer zu machen.
Das Gebäude erzitterte, und vor den Fenstern wirbelte dichter Staub auf, als das Raumschiff landete. Die Besatzung stürmte mit gezogenen Pistolen herein — die Männer waren auf alles vorbereitet.
Brion mußte den Captain erst dazu überreden, daß er nicht nur Lea, sondern auch den toten Magter mitnahm, als das Schiff wieder startete. Brion starrte ihm nach, bis es im Himmel verschwunden war.