Выбрать главу

»Ich brauche dich nur auf deine einzigartige Fähigkeit hinzuweisen, derentwegen ich überhaupt hier bin.«

»Fähigkeit? Ich unterscheide mich in keiner Weise von allen anderen Menschen auf Anvhar.«

»Das ist ein Irrtum«, widersprach Ihjel. »Im Gegenteil, du bist der lebende Beweis für eine fortgeschrittene Evolution. Jede Rasse — die Menschheit eingeschlossen — bringt einzelne Wesen hervor, die auf bestimmten Gebieten außerordentlich begabt sind. Ich habe die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten zurückverfolgt, aber du bist tatsächlich der einzige Empath, der in dieser Zeit geboren wurde.«

»Was ist eigentlich ein Empath — und wie erkennt man einen, wenn man ihn gefunden hat?« Brion lachte vor sich hin, als habe er einen guten Witz gemacht.

»Ich kann einen Empathen erkennen, weil ich selbst einer bin — das ist die einzige Möglichkeit. Ein Beispiel dafür, wie projizierte Empathie funktioniert, hast du am eigenen Leib verspürt, als du diese merkwürdigen Gedanken über Anvhar hattest. Es wird lange dauern, bis du diese Technik ebenfalls beherrschst, aber rezeptive Empathie ist dir angeboren. Du versetzt dich damit in die Gedankenwelt eines anderen Menschen. Dieser Vorgang ist allerdings nicht mit Gedankenübertragung zu verwechseln, denn ein Empath spürt die Gefühle und Gemütsbewegungen seines Gegenübers. Einen ausgebildeten Empathen kann man nicht belügen, weil er die wirkliche Haltung spürt, die sich hinter den Worten verbirgt. Selbst dein vorläufig noch unausgebildetes Talent hat sich in den Spielen als äußerst nützlich erwiesen. Du konntest deine Gegner besiegen, weil du jede ihrer Bewegungen bereits im voraus ahntest. Diese Fähigkeit hast du als natürlich hingenommen.«

»Woher weißt du das?« fragte Brion überrascht.

Ihjel lächelte. »Ich habe es eben erraten. Du wirst dich daran erinnern, daß ich auch einmal die Spiele gewonnen habe — ohne damals eine Ahnung von Empathie zu haben. Damit wären wir wieder bei dem Beweis angelangt, den ich noch zu führen habe, damit du endlich überzeugt bist. Ich glaube, daß du der einzige Mensch bist, der mir helfen kann — und in dieser Beziehung kann ich nicht lügen. Man kann einen Glauben vortäuschen, kann ihn mit falschen Angaben untermauern, oder sogar davon abkommen und einen anderen annehmen. Aber man kann sich nicht selbst anlügen.

Und was genauso wichtig ist — man kann einem Empathen gegenüber seine Überzeugung nicht anders darstellen, als sie wirklich ist. Möchtest du sehen, was ich über das alles denke? ›Sehen‹ ist ein schlechter Ausdruck dafür — aber für dieses Gebiet gibt es noch keinen speziellen Wortschatz. Sagen wir lieber, möchtest du meine Gefühle teilen? Möchtest du meine Vorstellungen und Erinnerungen so spüren, wie ich sie spüre?«

Brion wollte protestieren, aber dafür war es bereits zu spät. Er erlag dem Ansturm der Vorstellungen, die über ihn hereinbrachen.

»Dis…« sagte Ihjel laut. »Sieben Millionen Bewohner… Wasserstoffbomben… Brion Brandd.« Das waren nur Schlüsselworte, aber bei jedem Begriff spürte Brion deutlich, welche Vorstellungen Ihjel damit verband.

Hier konnte niemand mehr lügen — in diesem Punkt hatte Ihjel recht. Das waren tiefgehende, grundlegende Empfindungen, unverfälschte Reaktionen auf Dinge und Symbole in dem Gedächtnis eines Menschen.

DIS… DIS… DIS… das war ein Wort, das war ein Planet und das Wort dröhnte wie eine Glocke eine Glocke und es klang wie ein gewaltiger Donner und war

eine Wüste ein Planet

des Todes eine Welt wo

Leben Tod bedeutete und

Sterben viel besser war

             als das Leben

grausamer Sand Wüste glühend-

barbarischer heißer Sand Sand und

unterentwickelter Menschen so primitiv

elender DIS schmutzig barbarisch

unglaublich unmenschlich weniger

schmutziger als menschlich zu-

Planet rückgeblieben

aber…

  sie

    alle

      würden

         kurze

             Zeit

                später

                       TOT

sein und dann waren sie TOT und sieben Millionen verkohlter Leichen würden in Träumen allen Träumen erscheinen und sie für immer zur Hölle machen denn

WASSERSTOFFBOMBEN

lagen bereit um

sie alle zu

TÖTEN

falls… falls… falls…

du Ihjel nicht rechtzeitig eingreifst du Ihjel (TOD) du (TOD) du (TOD) kannst es nicht allein schaffen du (TOD) bist auf Unterstützung angewiesen von

BRION BRANDD

der-noch-naß-hinter-den-Ohren-untrainierte-ahnungslose-Brion-Brandd-muß-dir-helfen er ist der einzige Mensch in der gesamten Galaxis der die gestellte unendlich komplizierte

AUFGABE

fortführen kann…

Als der Ansturm von Ihjels Vorstellungen nachließ und schließlich völlig aussetzte, lag Brion nach Atem ringend in seine Kissen gelehnt und war von Kopf bis Fuß in Schweiß gebadet. Ihjel saß unbeweglich neben ihm und stützte den Kopf in die Hände. Dann sah er Brion wortlos an, und Brion erkannte in den Augen des anderen einen Schatten der abgrundtiefen Dunkelheit, die er noch vor Sekunden selbst empfunden hatte.

»Tod«, sagte Brion unsicher. »Dieses schreckliche Gefühl, daß der Tod unmittelbar bevorsteht. Es handelte sich nicht um den Tod der Menschen von Dis, sondern um eine sehr persönliche Empfindung.«

»Um mich«, antwortete Ihjel, und hinter diesen beiden kurzen Wörtern verbarg sich die Nacht, die jetzt auch Brion zugänglich sein würde. »Um meinen eigenen Tod, der nicht mehr sehr weit entfernt sein kann. Das ist der schreckliche Preis, den wir für unsere einmalige Begabung zahlen müssen. Angst und Empathie sind untrennbar miteinander verbunden. Der Tod ist so entscheidend und endgültig, daß er die Grenzen von Raum und Zeit durchdringt. Je mehr ich mich diesem Endpunkt nähere, desto deutlicher spüre ich, daß ich ihn bald erreicht haben werde. Allerdings kann ich den Tag nicht genau festlegen, sondern nur ungefähr einen Zeitpunkt vermuten. Das ist das Schreckliche daran. Ich weiß nur, daß ich bald sterben werde, nachdem ich auf Dis angekommen bin — lange bevor ich meine Aufgabe dort gelöst habe. Ich weiß, welche Arbeit dort zu leisten ist, und ich weiß auch, wie viele Männer dabei bereits versagt haben. Außerdem weiß ich, daß du der einzige Mensch bist, der meine Arbeit fortführen kann, nachdem ich sie begonnen habe. Hast du das alles verstanden? Willst du mich begleiten?«

»Ja, selbstverständlich«, gab Brion zurück. »Ich komme mit.«

4

»Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der sich so ärgerte wie dieser Arzt«, stellte Brion lachend fest.

»Kein Wunder.« Ihjel lehnte sich in seinen Sessel zurück, von dem aus er eine verschlüsselte Unterhaltung mit dem Elektronengehirn des Raumschiffs führte. Er drückte einige Tasten nieder und las die Antwort von einem Bildschirm ab. »Schließlich hast du ihn um das größte Erlebnis seines Lebens gebracht. Wie oft wird er wohl noch die Chance haben, einen Sieger der Spiele zu kurieren?«

»Nicht sehr oft, schätze ich. Wirklich ein Wunder, daß du ihn am Ende doch davon überzeugen konntest, daß du genauso gut für mich sorgen würdest, wie er es in seinem Krankenhaus getan hätte.«