»He, was ist denn los?« fragte Brion.
Der Raumanzug des anderen enthielt kein Funkgerät, deshalb konnte er nicht antworten. Aber er schüttelte wütend die Faust. Die Helmfenster waren angelaufen, so daß Brion den Gesichtsausdruck des anderen nicht deutlich erkennen konnte. Er zuckte mit den Schultern, holte das Funkgerät aus der Kapsel, gab ihr einen Stoß und verschloß die Luftschleuse. Als der Innendruck wieder normal war, nahm er seinen Helm ab und bedeutete dem anderen, daß er das gleiche tun dürfe.
»Ihr seid alle ganz gemeine Schufte!« sagte Dr. Morees, als der Helm endlich ab war. Brion war völlig verblüfft. Dr. Lea Morees hatte lange dunkle Haare, große Augen und einen fein geschwungenen Mund, der jetzt ärgerlich zusammengepreßt war. Dr. Morees war eine Frau.
»Sind Sie der Kerl, der für diese Unverschämtheit verantwortlich ist?« erkundigte Dr. Morees sich drohend.
»In der Steuerzentrale«, antwortete Brion rasch, denn er hatte erkannt, daß in diesem Fall Feigheit überflüssigem Heldenmut vorzuziehen war. »Ein Mann namens Ihjel. Er hat eine ganze Menge verabscheuungswürdiger Eigenschaften, Sie werden Ihren Spaß daran haben. Ich habe erst…« Er brach mitten im Satz ab, denn sie hatte den Raum bereits verlassen. Brion rannte hinter ihr her, weil er sich ihren Auftritt nicht entgehen lassen wollte.
»Entführt! Belogen, angeschwindelt und gegen meinen Willen dazu gezwungen! In der gesamten Galaxis gibt es kein Gericht, das Ihnen dafür nicht die Höchststrafe aufbrummt! Und ich werde danebenstehen und lachen, wenn Sie zu Einzelhaft…«
»Warum haben sie mir ausgerechnet eine Frau geschickt?« meinte Ihjel mit einem anklagenden Blick zur Decke. »Ich habe um einen erstklassigen Exobiologen für eine schwierige Aufgabe gebeten. Ein junger Mann, der an Strapazen gewöhnt ist, die unsere Arbeit mit sich bringt. Und was tut unser Anstellungsbüro? Sie schicken mir die kleinste Frau, die sie auftreiben können — ein zerbrechliches Wesen, das sich bereits im ersten Regen auflöst.«
»Nein, das stimmt nicht!« widersprach Lea heftig. »Schließlich ist allgemein bekannt, daß Frauen viel aushalten, und ich bin zäher als die meisten anderen. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was ich Ihnen noch sagen wollte. Ich habe einen Vertrag unterschrieben, in dem von einer Tätigkeit in einer Universität auf Mollers Welt die Rede war. Und dann erzählt mir dieser Trottel von Agent, daß mein Vertrag geändert worden ist — siehe Paragraph 189 c oder ähnlichen Unsinn -, was nichts anderes bedeutet, als daß ich nicht das tun soll, wozu ich mich verpflichtet habe. Er stopft mich ohne viel Federlesens in diese komische Kugel und läßt mich darin über Bord werfen. Wenn das nicht ein Verstoß gegen sämtliche…«
»Berechne einen neuen Kurs, Brion«, warf Ihjel ein. »Wir müssen so schnell wie möglich den nächsten bewohnten Planeten erreichen, damit wir diese Dame dort absetzen und einen Mann für unsere Aufgabe finden können. Wir sind zwar auf dem Weg zu dem interessantesten Planeten, den ein Exobiologe sich überhaupt vorstellen kann, aber wir brauchen einen Mann, der Befehle annimmt und nicht gleich ohnmächtig wird, wenn nicht alles nach Wunsch geht.«
Brion wußte nicht, was er antworten sollte. Ihjel hatte bisher den Kurs festgelegt, und Brion hatte keine Ahnung, wie er sich dabei anstellen sollte.
»Oh, nein«, sagte Lea. »So leicht werden Sie mich nicht los. Ich war die Beste in meinem Semester, und die übrigen fünfhundert Studenten waren fast ausschließlich Männer. Das Universum wird nur von Männern beherrscht, weil die meisten Frauen nicht aggressiv genug sind, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wie heißt eigentlich dieser paradiesische Planet, den wir besuchen wollen?«
»Dis. Sobald ich das Schiff auf Kurs gebracht habe, werde ich euch die näheren Einzelheiten erklären.« Ihjel wandte sich den Instrumenten zu, und Lea ging in die Toilette hinaus, um sich die Haare zu kämmen. Brion machte endlich den Mund zu, nachdem er bemerkt hatte, daß er ihn vor Erstaunen aufgerissen hatte. »Nennt man das angewandte Psychologie?« erkundigte er sich.
»Nicht eigentlich. Sie wäre auf jeden Fall mitgekommen — schließlich hat sie den Vertrag unterschrieben, selbst wenn sie ihn nicht völlig durchgelesen haben sollte -, aber bestimmt erst, nachdem sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hätte. Ich habe diesen Prozeß dadurch abgekürzt, daß ich sie an ihre Abneigung gegen jedes männliche Überlegenheitsgefühl erinnert habe. Fast alle Frauen, die auf einem Gebiet erfolgreich sind, das sonst Männern vorbehalten ist, haben diesen Komplex.«
Er gab dem Elektronenrechner den Kursstreifen ein und wandte sich dann wieder an Brion. »Aber trotzdem habe ich vorher nicht völlig unrecht gehabt. Ich wollte einen jungen, zähen und erstklassig ausgebildeten Biologen. Ich hätte nie vermutet, daß das Anstellungsbüro eine Frau schicken würde — und jetzt können wir sie nicht mehr zurückschicken. Dis ist einfach nicht der richtige Platz für eine Frau.«
»Warum nicht?« fragte Brion, als Lea wieder in dem Durchgang erschien.
»Kommt mit, dann werde ich euch den Grund dafür zeigen«, sagte Ihjel.
5
»Dis«, begann Ihjel und öffnete einen dicken Ordner voller Berichte, »ist der dritte Planet einer Sonne namens Epsilon Eridani. Der vierte Planet heißt Nyjord — behaltet diesen Namen gut, denn er spielt später noch eine wichtige Rolle. Dis gehört zu den Welten, die man ungern besucht und gern hinter sich zurückläßt. Zu heiß, zu trocken; die Temperaturen in der gemäßigten Zone sinken selten unter vierzig Grad Celsius. Der Planet selbst besteht eigentlich nur aus Felsen und Sand. Fast alle Wasservorräte befinden sich unter der Oberfläche und sind normalerweise nicht oder nur schwer zugänglich. Dann gibt es noch einige Sümpfe, aber ihr Wasser ist so mit Fremdstoffen versetzt, daß es erst durch langwierige Filterprozesse gereinigt werden muß, bevor es für uns trinkbar ist. Alle diese Tatsachen sind in den Unterlagen enthalten, die ihr später durchlesen könnt. Im Augenblick möchte ich euch nur mit dem Gedanken vertraut machen, daß dieser Planet so unwirtlich wie überhaupt möglich ist. Seine Bewohner ebenfalls. So sehen sie aus.«
Lea stieß einen leisen Schrei aus, als das dreidimensionale Bild auf dem Schirm erschien. Nicht wegen der körperlichen Attribute dieses Mannes; nachdem sie sich ausschließlich mit fremdartigen Lebensformen beschäftigte, war sie seltsamere Anblicke gewöhnt.
Es war die ganze Haltung des Mannes, sein Gesichtsausdruck — er schien sprungbereit, die Lippen waren so weit zurückgezogen, daß alle Zähne sichtbar wurden.
»Er macht den Eindruck, als wolle er im nächsten Augenblick den Fotografen umbringen«, stellte sie fest.
»Das hat er auch versucht — nachdem das Bild aufgenommen worden war. Als typischer Disaner haßt er alle Fremden aus tiefster Seele. Allerdings nicht ohne guten Grund. Sein Planet wurde aus Zufall besiedelt. Die Einzelheiten sind nicht alle bekannt, aber die Ereignisse lassen sich in großen Zügen rekonstruieren.
In früheren Zeiten scheint dort der Bergbau eine bedeutende Rolle gespielt zu haben; Dis ist reich an Mineralien aller Art, die leicht abzubauen sind. Aber alles Wasser mußte nach einem teuren Verfahren gereinigt werden, und ich nehme an, daß der größte Teil aller Nahrungsmittel von anderen Planeten eingeführt wurde. Diese Methode funktionierte recht gut bis zu dem Tag, an dem Dis und zahlreiche andere Planeten während des Zusammenbruchs in Vergessenheit gerieten. Alle Berichte über diese kleine Welt wurden in den Kämpfen vernichtet, und die Ersatztransporter wurden zu Schlachtkreuzern umgebaut.
Dis war auf sich allein gestellt. Was nun geschah, ist ein Beweis für die Wandlungsfähigkeit des Homo sapiens. Viele starben, aber die Rasse selbst überlebte. Sie veränderte sich nicht unwesentlich, blieb aber immer noch menschlich. Als Wasser und Lebensmittel immer knapper wurden und die Reinigungsanlagen versagten, müssen sie alle Anstrengungen auf die Erhaltung ihres Lebens konzentriert haben. Sie hatten nicht die Mittel, um neue Maschinen zu konstruieren, aber als die letzte Anlage dieser Art versagte, hatten sich genügend Menschen auf die veränderten Lebensbedingungen eingestellt, um die Rasse nicht aussterben zu lassen.