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Ihre Nachkommen leben noch immer dort und haben diese Anpassung weiterentwickelt. Ihre durchschnittliche Körpertemperatur — um ein Beispiel zu nennen — beträgt fast fünfundfünfzig Grad Celsius. Ihr Körper enthält besonders dicke Bindegewebeschichten, in denen Wasser gespeichert wird. Das sind aber nur unbedeutende Veränderungen, wenn man sie mit anderen vergleicht. Ich kann keine Einzelheiten beschreiben, aber in allen Berichten heißt es immer wieder, daß dabei eine Art Symbiose eine entscheidende Rolle spielt. Anscheinend hat der Mensch auf diesem Planeten zum erstenmal die Rollen vertauscht und tritt nicht mehr als Wirt auf.«

»Wunderbar!« rief Lea aus.

»Wirklich?« Ihjel lächelte ironisch. »Vielleicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus. Wenn Sie Gelegenheit zu einigen Notizen haben, können Sie ja später ein Buch darüber schreiben. Aber mich interessiert das alles überhaupt nicht. Ich glaube bestimmt, daß diese morphologischen Veränderungen Sie sehr beschäftigen werden, Dr. Morees. Aber während Sie Blutbilder auszählen und Ihre Thermometer bewundern, werden Sie hoffentlich auch ein wenig Zeit erübrigen können, um die Persönlichkeit der Disaner zu untersuchen. Wir müssen nämlich entweder herausbekommen, wie das Innenleben dieser Menschen funktioniert — oder zusehen, wie sie alle in die Luft gesprengt werden!«

»Was?« rief Lea entsetzt aus. »Sie zerstören? Diese faszinierende Rasse vernichten? Warum denn nur?«

»Weil die Kerle so unglaublich stur und hartnäckig sind!« erklärte Ihjel ihr. »Die Disaner haben auf unerklärliche Weise einige Kobaltbomben in ihren Besitz gebracht. Jetzt wollen sie die Zünder einschrauben und die Bomben auf Nyjord abwerfen. Nichts kann sie von diesem Plan abbringen — alle Überredungsversuche sind bisher fehlgeschlagen. Sie bestehen auf einer bedingungslosen Kapitulation, sonst schlagen sie los. Das ist aber aus verschiedenen Gründen undurchführbar — denn die Nyjorder wollen vor allem ihren Planeten für sich behalten. Sie haben einige Kompromißvorschläge gemacht, die nicht angenommen wurden, weil die Disaner auf Völkermord aus sind. Im Augenblick befindet sich eine Flotte von Nyjord über Dis und wartet darauf, daß das Ultimatum abläuft, in dem die Auslieferung der Kobaltbomben verlangt wird. Die Schiffe von Nyjord haben genügend Wasserstoffbomben an Bord, um den gesamten Planeten in eine radioaktiv verseuchte Kraterlandschaft zu verwandeln. Das müssen wir verhindern.«

Brion starrte das Bild auf dem Schirm an und versuchte den Mann einzuschätzen. Nackte riesige Füße. Die Bekleidung bestand nur aus einem Tuchstreifen, der um die Hüften gewickelt war. Über einer Schulter trug der Disaner eine Art grüne Ranke. An seinem verzierten Gürtel hingen einige seltsam geformte Gegenstände aus Metall, Stein und Leder. Auch ein eigenartig geschwungenes Messer gehörte dazu. Brion konnte sich nicht recht vorstellen, wozu diese bizarre Sammlung von Gegenständen dienen mochte. Aber er stellte mit einem unbehaglichen Gefühl fest, daß sie alle den Eindruck machten, als würden sie häufig benützt. Wenn sie wirklich gebraucht wurden — wozu konnten sie dienen?

»Das klingt alles nicht sehr wahrscheinlich«, meinte er schließlich. »Bis auf diese komischen Sachen, die an seinem Gürtel baumeln, wirkt der ganze Kerl doch wie ein Steinzeitmensch. Ich kann mir nicht vorstellen, wie diese Leute eine ernsthafte Bedrohung für einen anderen Planeten darstellen sollen.«

»Die Nyjorder glauben es aber, und das genügt mir«, gab Ihjel zurück. »Sie zahlen der Gesellschaft für kulturelle Beziehungen eine Menge Geld, damit wir diesen Krieg verhindern. Nachdem sie also unsere Auftraggeber sind, müssen wir uns nach ihren Wünschen richten.« Brion ging über diese Unwahrheit hinweg, da sie offensichtlich als Erklärung Lea gegenüber gedacht war. Aber er nahm sich vor, Ihjel später über die wirklichen Verhältnisse auszufragen.

»Das hier sind die technischen Berichte«, fuhr Ihjel fort und legte einen zweiten Ordner auf den Tisch. »Dis verfügt über einige veraltete Raumschiffe und die bewußten Kobaltbomben — aber die eigentliche Bedrohung geht nicht nur davon aus. Vor kurzem wurde ein Trampfrachter aufgebracht, als er Dis verließ. Er hatte eine Abschußrampe transportiert, mit deren Hilfe die Bomben von Dis aus auf Nyjord abgeworfen werden können. Die Nyjorder, die sonst friedlich und verträglich sind, waren darüber natürlich ziemlich erbost und verhörten den Kapitän des Frachters, bis sie alle Informationen aus ihm herausgequetscht hatten. Der Ordner enthält einen Bericht darüber. Seitdem wissen wir, wieviel Zeit uns noch zur Verfügung steht, bevor die Abschußrampe betriebsbereit gemacht werden kann.«

»Wann?« erkundigte sich Lea.

»In zehn Tagen. Wenn die Lage sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht entscheidend verändert hat, werden die Nyjorder alles Leben auf Dis vernichten. Ich versichere euch, daß sie es nicht gern tun. Aber sie werden die Bomben abwerfen, um ihre eigene Existenz zu retten.«

»Was soll ich eigentlich tun?« fragte Lea, während sie den Bericht durchblätterte. »Ich habe nicht die geringste Ahnung von Atomphysik oder Abschußrampen. Ich bin nur Exobiologin und habe Anthropologie als zweites Fachgebiet studiert. Wie soll ich Sie bei Ihrer Arbeit unterstützen?«

Ihjel sah sie nachdenklich an und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Mein Vertrauen zu unserem Anstellungsbüro ist wieder hergestellt«, sagte er. »Das ist eine seltene Kombination — sogar auf der Erde. Sie sind so dürr wie ein verhungertes Huhn, aber jung genug, um zu überleben, wenn wir beide auf Sie aufpassen.« Er hob die Hand, als Lea ärgerlich widersprechen wollte. »Keine Diskussionen mehr. Dazu ist unsere Zeit zu kostbar. Die Nyjorder haben bisher über dreißig Agenten auf der Suche nach den Bomben verloren. Unsere Gesellschaft hat sechs Männer eingebüßt — unter anderem auch meinen Vorgänger, der den Einsatz leitete. Er war ein guter Mann, aber ich glaube, daß er die Sache falsch angepackt hat. Meiner Meinung nach handelt es sich hier nicht um ein physikalisches Problem, sondern um ein kulturelles.«

»Sagen Sie das noch einmal«, warf Lea mit gerunzelter Stirn ein. »Ich bin anscheinend schwer von Begriff.«

»Wir müssen vor allem herausbekommen, weshalb diese Leute unbedingt Selbstmord begehen wollen, denn erst dann können wir sie vielleicht davon überzeugen, daß sie auf dem falschen Weg sind. Das heißt allerdings nicht, daß ich die Suche nach den Kobaltbomben oder der Abschußrampe einstellen werde. Wir müssen sämtliche Möglichkeiten ausnützen, um diese sinnlose Vernichtung menschlichen Lebens zu verhindern.«

»Sie sind viel intelligenter, als Sie aussehen«, meinte Lea, während sie aufstand und den Ordner vom Tisch nahm. »Sie können voll und ganz auf mich zählen. Ich werde den Bericht im Bett durchlesen, wenn einer der großen Herren so freundlich ist, mir eine Kabine zu zeigen, die sich von innen abschließen läßt. Sie brauchen mich nicht zu wecken; ich rufe nach Ihnen, wenn ich frühstücken möchte.«

Brion wußte nicht recht, wieviel davon Ernst und wieviel Ironie gewesen war, deshalb hielt er lieber den Mund. Er zeigte ihr eine leerstehende Kabine und machte sich dann auf die Suche nach Ihjel. Der Sieger hatte sich in die Küche zurückgezogen und verschlang dort eine riesige Portion Pudding.

»Ist sie sehr klein für jemand, der von der Erde kommt?« fragte Brion. »Sie reicht mir nicht einmal bis ans Kinn.«

»Das ist ganz normal. Du darfst nicht vergessen, daß die Erdmenschen alle ziemlich schwächlich sind. Krumme Rücken, Plattfüße und schlechte Augen. Wenn auf der Erde nicht die besten Universitäten wären, brauchten wir uns gar nicht damit abzugeben.«