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»Krebszyklus fällt«, meldete die Computerassistentin. »89,4«.

»Intrusionseffekt«, antwortete Potter. »0,6 Minimum Azid.«

Svengaard drückte den Knopf.

»Oligomycin, 0,4«, bestätigte Svengaard.

Potter lebte nur noch durch seine Augen über dem Mikroskop und seine Hände an den Mikromanipulatoren. Sein Leben ging im Keimling auf, vereinigte sich mit ihm. Die Augen sagten ihm, daß die peripherale Mitose unterbrochen war, und das war nicht anders zu erwarten. »Ich glaube, wir haben es jetzt«, sagte er. Er kennzeichnete die Mikroskopstellung, verlegte das Blickfeld und ging zu den DNASpiralen über, um die Hydroxylabweichung zu finden, den Makel, der eine fehlerhafte Herzklappe verursachen würde. Nun hatte er, der Künstler, der Formgeber, die Pilotzelle bestimmt, und er schickte sich an, die äußerst empfindliche chemische Struktur des Zellkernes neu zu formen.

»Schnitt vorbereiten«, sagte er.

Svengaard bestückte den Mesonengenerator. »Fertig«, bestätigte er.

»Krebszyklus 61«, meldete die Computerassistentin.

»Erster Schnitt«, sagte Potter. Er schickte den einzelnen, gezielten Strahl los und beobachtete das nun folgende taumelnde Chaos. Der Hydroxylanhang verschwand; Nukleotiden formten sich neu.

»Hemoprotein P-450«, befahl Potter. »Bereithalten zur Reduzierung von NADH.« Er wartete, studierte die Kugelformen der Proteine, die sich vor seinen Augen bildeten, beobachtete die biologisch aktiven Moleküle. Jetzt! Instinkt und Erfahrung sagten ihm den richtigen Augenblick. »Zweieinhalbmal Minimum P-450«, sagte er.

Durch eine Gruppe polypeptider Ketten im Herzen der Zelle tobte ein Aufruhr.

»Reduzieren.«

Svengaard drückte den NADH-Hebel. Er konnte nicht erkennen, was Potter sah, aber der Stirnspiegel des Chirurgen vermittelte ihm einen leicht verzerrten Blick auf das mikroskopische Feld. Das und Potters Instruktionen sagten ihm, daß in der Zelle eine langsame Veränderung stattfand.

»Krebszyklus 58«, meldete die Computerassistentin.

»Zweiter Schnitt«, kündigte Potter an.

»Bereit«, antwortete Svengaard.

Potter suchte das myxödem-latente Isovaltin und fand es. »Strukturband. Isopropylcarboxymethylcystein.«

Das Computerband schnurrte ab, hielt an, lief langsam, gleichmäßig weiter. Das Bild des Isovaltinvergleichs erschien im oberen rechten Quadrat von Potters mikroskopischem Feld. Er verglich die Strukturen Stück für Stück. »Band aus«, befahl er. Das Bild verschwand.

»Krebszyklus 47«, sagte die Assistentin.

Potter holte tief Atem. Noch 27 Punkte bis zum Todesbereich. Der Durantembryo mußte dann untergehen.

Er schluckte und schickte den gezielten Mesonenstrahl los.

Isovaltin zersprang taumelnd.

»Cycloserin ist bereit«, meldete Svengaard.

»D-4-Aminoisoxazolidon-3-Vergleich«, sagte Potter.

Die Assistentin stellte das Band ein. »Fertig.«

Das Vergleichsbild erschien in Potters Blickfeld. »Kontrolle«, befahl er. Das Bild verschwand. »1,8 Minimum.« Er beobachtete die Wechselwirkung der Enzymfunktionsgruppe, als Svengaard das Cycloserin zuführte. Die Aminogruppe zeigte ein schönes, offenes Affinitätsfeld. Die RNA-Übertragung paßte haargenau.

»Krebszyklus 38,6«, sagte die Assistentin.

Wir müssen das Risiko eingehen, überlegte Potter. Dieser Embryo verträgt keinen weiteren Eingriff mehr. »Tankstasis auf die Hälfte reduzieren«, ordnete er an. »ATP verstärken. Mikrozufuhr zehnfaches Minimum Pyruvinsäure.«

»Stasis reduziert«, sagte Svengaard. Das ist hart an der Grenze, dachte er, drückte den ATP-Knopf und den Pyruvinsäurehebel.

»Fünfunddreißig«, meldete die Assistentin. »34,5 … 34 … 33,5 …« Sie war fast atemlos vor Erregung. »33 … 32 … 31 … 30 … 29 …«

»Stasis aufheben. Volles Aminospektrum mit aktivierten Histinen. Pyridoxinzufuhr beginnen, 4,2 Minimum.«

Svengaards Hände huschten über die Knöpfe.

»Proteinband rücklaufen lassen«, ordnete Potter an. »Genauer DNA-Bericht über die Computerautomatik.«

Die Bänder liefen zischend ab.

»Es wird langsamer«, sagte Svengaard.

»22«, meldete die Assistentin. »21,9 … 22 … 21,9 … 22,2 … 22,3 … 22,2 … 22,3 … 22,4 … 22,5 …«

Das war ein Kampf, der jeden Nerv in Potter packte. Der Keimling stand am Rande des Todes. In den nächsten Minuten konnte er sterben, aber auch weiterleben. Oder er konnte verkrüppelt daraus hervorgehen. Das geschah manchmal. War der Schaden zu groß, dann wurde der Bruttank abgeschaltet. Aber Potter fühlte sich mit dem Embryo identisch. Er hätte es nicht ertragen, gerade ihn zu verlieren.

»Mutagenimmunisation«, sagte er.

Svengaard zögerte. Der Krebszyklus beschrieb eine Sinuskurve, die sich gefährlich dem Todespunkt näherte. Er wußte, weshalb Potter diese Entscheidung getroffen hatte, aber die karzinogene Gefahr mußte genau abgeschätzt werden. Er überlegte, ob er seine Bedenken geltend machen sollte. Der Embryo hing weniger als vier Punkte über der Todesmarke, der Auflösung. An diesem Punkt zugeführte chemische Mutagene konnten in ihm einen Schock auslösen, der beschleunigtes Wachstum oder Zerstörung zur Folge hatte. Selbst wenn die Mutagenbehandlung von Erfolg war, konnte der Embryo zu Krebs neigen.

»Mutagenimmunisation!« wiederholte Potter.

»Dosierung?« fragte Svengaard.

»Halbes Minimum bei niedrigster Zufuhr. Ich kontrolliere von hier aus.«

Svengaard drückte den Zufuhrhebel und ließ die Augen nicht von der Krebsskala. Noch nie hatte er davon gehört, daß so nahe der Gefahrenmarke eine derart drastische Behandlung gewagt wurde. Mutagene wurden im allgemeinen nur für die mit kleinen Fehlern behafteten Embryos der Sterries verwendet, und sie führten manchmal zu dramatischen Ergebnissen. Gelegentlich suchte sich ein solches Germplasma, das mit Mutagenen behandelt worden war, seinen eigenen Weg, und es konnte dann sogar ein lebensfähiger Keimling entstehen. Doch niemals wurde damit ein Regent erzeugt.

»Krebszyklus 22,3«, meldete die Assistentin.

Steigt ein wenig, dachte Potter.

»Sehr langsam«, sagte Svengaard.

Potter bewachte den Keimling. Er wuchs, quoll und kämpfte mit der ihm innewohnenden ungeheuren Kraft in seinen winzigen Bereichen.

»Krebszyklus 30,4«, meldete Svengaard.

»Ich ziehe die Mutagene zurück«, sagte Potter. Er nahm eine Randzelle ins Blickfeld des Mikroskopes, immunisierte die Nukleoproteine und suchte nach Schadensmerkmalen. Die Zelle war sauber.

Potter schwenkte auf die verschlungenen Zellkerne der DNA-Ketten über; er ahnte ein Wunder.

»Krebszyklus 36,8 steigend«, sagte Svengaard. »Soll ich mit Cholin und Aneurin beginnen?«

»Ja, sofort«, antwortete Potter automatisch und beobachtete die Genstruktur der Zellen. »Ja, anfangen.« Er beschäftigte sich mit einer anderen Randzelle.

Auch sie war sauber. Alle geprüften Zellen waren sauber.

Das geänderte Genbild blieb stabil; es war ein Bild, das die Menschheit seit dem zweiten Jahrhundert der Zellformung nicht mehr zu sehen bekommen hatte. Um sicherzugehen, wollte Potter ein Vergleichsbild haben; da niemals ein Band weggeworfen wurde, mußte es im Computer vorrätig sein. Aber er wagte es doch nicht, es war zu gefährlich. Doch er brauchte es auch nicht. Das war die klassische Form, die er fast täglich während seiner ganzen medizinischen Ausbildung studiert hatte.

Falls dieser Embryo zur Geschlechtsreife kam und auf eine fruchtbare Partnerin traf, konnte er gesunde, lebensfähige Kinder zeugen, die keines Genchirurgen bedurften. Sie brauchten auch keine Enzymrezepturen, um überleben zu können, ja sie würden auch ohne diese Rezepturen das zehnfache durchschnittliche Lebensalter anderer Menschen erreichen. Mit einigen genau ausgeklügelten Enzymgaben mochte dieser Embryo sogar in die Reihen der Unsterblichen aufrücken.

Der Embryo der Durarits konnte eine neue Menschenrasse zeugen, ähnlich jenen Unsterblichen in der Zentrale, trotzdem grundverschieden von diesen. Es war sogar möglich, daß er zur natürlichen Zuchtwahl zurückführte, die nicht mehr der Kontrolle durch die Regenten unterlag. Und er war von jener Grundform, von der, um leben zu können, kein menschliches Wesen zu weit abweichen durfte, doch er war gleichzeitig absolut einmalig — eine Tatsache, welche die Zentrale fürchtete.