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»Ja«, meinte Potter, »aber jetzt werden Sie Ihr neues Gerät bestimmt kriegen.« Hatte jemand gesehen, daß sie den Schalter drückte? überlegte er. Wer im Raum konnte sie beobachtet haben? Hatte einer der Männer vom Sicherheitsdienst sie beobachtet? Wenn ja, dann ist sie so gut wie tot, und ich bin es auch.

Potter hatte den Eindruck einer wortlosen Verständigung mit der Computerassistentin. Er bemerkte, daß der große Schirm nur noch eine graue Fläche war. Die Durants sahen nicht mehr zu. Soll ich selbst mit ihnen sprechen? überlegte er. Wenn sie dem Untergrund angehören, könnten sie mir helfen. Mit diesem Embryo muß etwas geschehen. Am sichersten wäre er, wenn wir ihn von hier wegbringen könnten … aber wie?

»Ich werde hier alles abbauen«, versprach Svengaard, und begann die Verschlüsse des Bruttanks und die Vorschriften für die Zufuhr der Nährlösungen zu prüfen und den Mesonengenerator abzubauen. »Die Eltern werden enttäuscht sein«, fuhr er fort. »Sie wissen ja im allgemeinen, was es heißt, wenn ein Spezialist zugezogen wird, und jetzt werden sie enttäuscht sein.«

Die Tür zum Warteraum öffnete sich; Potter erkannte einen Mann von der Sicherheitszentrale, dessen Vollmondgesicht so nichtssagend war, daß man es fünf Minuten später wieder vergessen konnte. Der Sicherheitsbeamte trat auf ihn zu. Ist das das Ende für mich? schoß es Potter durch den Kopf. Laut fragte er: »Was ist mit den Eltern?«

»Die sind einwandfrei. Konversation normal, keine geheimen Geräte. Was sie reden, ist belanglos.«

»Sonst keine Hinweise? Keine Möglichkeit, den Sicherheitsdienst ohne Geräte zu hintergehen?«

»Unmöglich!« knurrte der Mann.

»Dr. Svengaard glaubt, daß der Beschützerinstinkt des Vaters und die Mütterlichkeit der Mutter allzu stark ausgeprägt sind«, erklärte Potter.

»Die haben Sie ja selbst geformt.«

»Möglich. Manchmal kann man sich nur um die großen Dinge kümmern; da entgehen einem dann Kleinigkeiten.«

»Sind Ihnen heute auch Kleinigkeiten entgangen?« fragte der Agent. »Ich habe gehört, das Band sei gelöscht … Panne.«

Gefahr! dachte Potter. Er bemühte sich um einen gleichgültigen Ton. »Natürlich ist alles möglich.« Er zuckte die Achseln. »Aber ich bin der Meinung, daß hier nichts Außergewöhnliches vorliegt. Um den Embryo zu retten, mußten wir auf die Höchstform verzichten.«

»Sollen wir die Unterlagen des Embryos besonders kennzeichnen?«

»Wie Sie meinen«, erwiderte Potter. Er ahnt etwas, dachte er. »Ich werde einen Bericht auf Band sprechen. Vielleicht ist er genauso korrekt wie das Bildband. Sie können warten und selbst entscheiden.«

»Das werde ich auch tun«, entgegnete der Agent.

Svengaard hatte inzwischen das Mikroskop vom Bruttank entfernt, wie Potter erleichtert feststellte. Nun konnte wenigstens niemand mehr einen gefährlichen Blick auf den Embryo werfen.

»Anscheinend haben wir Sie umsonst hierher geholt«, entschuldigte sich Potter, »aber die Eltern bestanden auf dem Zusehen.«

»Viel besser, wir kommen umsonst, als die Eltern erfahren zuviel. Aber wie ist denn das mit dem Band passiert?«

»Panne. Altes Gerät«, antwortete Potter. »Der technische Bericht wird bald fertig sein.«

»Erwähnen Sie das alte Gerät nicht in Ihrem Bericht«, riet der Agent. »Das haben Sie mir ja gesagt. Allgood muß den Bericht nämlich der Tuyère vorlegen.«

Potter nickte verständnisvoll. »Natürlich.« Die Leute in der Zentrale wußten ja, daß man den Regenten beunruhigende Dinge nicht vorlegen durfte.

»Eines Tages werden wir all diese Geheimniskrämerei nicht mehr nötig haben«, meinte der Agent und sah sich im Raum um. »Für mich ist’s dann allerdings zu spät.« Er drehte sich um und ging.

Potter sah ihm nach. Wie genau dieser Mann doch in seine Stellung paßte! Eine großartige Formung mit nur einem kleinen Makel — das war verdächtig. Zuviel kalte Logik, zuwenig Neugier und Vorstellungsvermögen, viel zu wenig Bereitschaft, die Abenteuer des Zufalls zu ergründen. Hätte er Druck auf mich ausgeübt, überlegte Potter, dann hätte er mich gehabt. Die Panne hätte ihn viel mehr interessieren müssen. Aber wir neigen immer dazu, unsere Meister zu kopieren — selbst ihre blinden Flecken. Aber wie soll ich wissen, ob dem Agenten meine Erklärung genügt hat? Nun, ich weiß es, daß er zufrieden ist — doch woher weiß ich das?

Ihm wurde nun klar, daß er schon lange genug das Zellinnere erforschte und an seiner Formung arbeitete, um für dessen äußeres Erscheinungsbild mehr Verständnis aufzubringen als andere Menschen. Ihm konnte nicht der leiseste Betrug in den Reaktionen des Gentyps entgehen. Ich kann in den Menschen lesen, stellte er fest.

Das war eine bestürzende Erkenntnis. Er sah sich im Raum um. Als er den Augen der Computerassistentin begegnete, wußte er, daß sie absichtlich das Band zerstört hatte. Er wußte es.

4

Lizbeth und Harvey Durant gingen Hand in Hand vom Hospital weg. Sie lachten und schwangen die Hände wie fröhliche Kinder, die vom Picknick kommen. In einem bestimmten Sinn traf das auch zu.

Der morgendliche Regen war abgestellt worden; die Wolken verschob man nach Osten, den hohen Bergen zu, die auf die Hauptstadt Seatac herniedersahen. Am seidenblauen Himmel stand eine Bilderbuchsonne. In kleinen Gruppen oder einzeln gingen die Leute durch den Park, offensichtlich Arbeiter einer nahen Fabrik oder Laborangestellte. Ihre uniformähnliche Kleidung war von bunten Farbflecken aufgehellt: ein oranges Kopftuch, eine gelbe Schärpe, giftgrüne Schuhe und ein purpurner Fruchtbarkeitsfetisch am Ohr einer Frau.

Der pathetische Versuch, die graue Einheitlichkeit der Kleidung zu unterbrechen, forderte Lizbeths Abwehr heraus, ließ ihr Lächeln verblassen. »Wohin gehen wir?« fragte sie.

Harvey hielt sie zurück, um eine Gruppe passieren zu lassen. Gesichter starrten die beiden an. Alle wußten, weshalb die Durants hier waren. Das Hospital, der große, graue Plasmeldkasten hinter ihnen, die Tatsache, daß sie Mann und Frau waren, ihre lächelnden Gesichter — all das sagte den Menschen, daß sie zur Aufzucht zugelassen waren.

Jeder einzelne aus der Menge hoffte verzweifelt auf eine ähnliche Ausbruchsmöglichkeit aus der Monotonie, der sie hörig waren. Zuchturlaub und lebensfähige Keimlinge — das war aller Traum. Selbst die bekannten Sterries hofften und ließen die Hersteller von Fruchtbarkeitsfetischen Geld verdienen.

Sie haben keine Vergangenheit, dachte Lizbeth, und nur eine schwache Hoffnung auf die Zukunft, an die sie sich klammern. Irgendwie ging unsere Vergangenheit in einem Ozean von Dunkelheit unter. Die Regenten und ihre Genchirurgen haben unsere Vergangenheit ausgelöscht.

Diese Tatsache überschattete sogar ihren eigenen Zuchturlaub. Niemand zwang sie, beim ersten Ton des Weckers aus dem Bett zu springen und jeder für sich einem Labor entgegenzueilen, doch auch sie waren Menschen ohne Vergangenheit; und ihre Zukunft hing an einem seidenen Faden. Das Kind, das im Bruttank des Hospitals wuchs, mochte bis zu einem gewissen Grad noch ein Teil von ihnen sein, doch die Chirurgen hatten es verändert. Sie hatten es aus seiner Vergangenheit herausgelöst.

»Wir gehen jetzt zur Stadtbahn«, schlug Harvey vor.

»Durch den Park?« fragte sie.

»Ja« antwortete Harvey. »Denk doch mal — zehn Monate.«

»Und dann können wir unseren Sohn heimholen. Wir haben viel Glück.«

»Zehn Monate, sie kommen mir sehr lange vor«, sagte Harvey.

»Ja, aber wir können ihn jede Woche einmal sehen, wenn sie ihn in den großen Tank verlegen. Bis dahin sind ja nur noch drei Monate.«

»Du hast recht«, pflichtete Harvey ihr bei. »Die Zeit wird vorüber sein, ehe wir es merken. Und zum Glück ist er kein Spezialist oder sonst etwas. Wir können ihn zu Hause aufziehen, und unsere Arbeitszeit wird verkürzt.«

»Dieser Doktor Potter ist wundervoll«, sagte sie.