Выбрать главу

Sie half ihm, die traditionelle Reitkleidung anzulegen, die er für die bevorstehende Jagd tragen würde. Hochwohlgeborene Darraner pflegten sich fünf- bis sechsmal täglich umzuziehen, und der Reitrock war ein ausnehmend lächerliches Kleidungsstück. Er war so eng geschnitten, dass Laeth ihn kaum allein anziehen konnte und hernach in seiner Beweglichkeit immens eingeschränkt war. Also genau das Richtige, um temperamentvolle Pferde über Stock und Stein und alle möglichen Hindernisse hinweg zu jagen …

Und so war Laeth auch viel zu beschäftigt damit, ihre bissigen Kommentare zu darranischer Mode zu parieren, als dass er, bevor er mit übertriebenem Gestus aus dem Raum stolzierte, an seine Reitpeitsche dachte. Die Peitsche war nicht nötig, so weit es den Ausritt betraf, aber die Etikette verlangte ihr Tragen. Damit er nicht den ganzen Weg in seine Gemächer noch einmal zurücklegen musste, schnappte sich Rialla also die Peitsche und trottete die Stufen hinunter in die Empfangshalle, wo die Jagdgesellschaft zusammentraf.

Unter Mühen hielt sie ihr Sklavengesicht aufrecht, als sie sich diskret unter die versammelten Gäste mischte. Sie hätte Laeth wegen seines Aufzugs nicht verspotten sollen, denn die meisten anderen Männer trugen Reitröcke, die noch viel enger geschnitten waren als seiner.

Zweimal durchschritt sie die überfüllte Halle, bis sie endlich seine Stimme vernahm. Sie trat an ihn heran und schob ihm die Peitsche diskret in die Hand, ohne dass sein Gespräch dadurch unterbrochen wurde.

Sie war so darauf bedacht, den Blick gesenkt zu halten, dass sie nichts um sich herum bemerkte, bis sich plötzlich eine wohlbekannte Hand um ihren Nacken legte. »Wo in aller Welt hast du die denn aufgetan, Laeth?«, fragte die Stimme ihres ehemaligen Besitzers. »Die habe ich seit Jahren gesucht.«

Ein Daumen schob sich unter ihr Kinn, zwang ihren Blick nach oben. Der Mann, dem er gehörte, war größer als Laeth und kräftiger gebaut. Selbst nach sieben Jahren waren es nichts als Muskeln, die sich unter seiner weinroten Jacke abzeichneten. Sein Haar war immer noch dunkelbraun und sorgsam gescheitelt. Allein die silbernen Fäden in seinem schmalen Schnurrbart verrieten, dass er ein bisschen älter geworden war.

»Sie gehörte dir, Onkel?« Laeths Stimme klang betont gleichmütig, obwohl Rialla sein Gesicht nicht sehen konnte.

Onkel! Sie erinnerte sich an die Zuneigung, mit der Laeth von seinem Onkel gesprochen hatte – Lord Winterseine. Wie es aussah, hatte ihr einstiger Meister in der Tat Verbindungen in die allerhöchsten Kreise.

Rialla versuchte, so entspannt wie möglich dazustehen, und fokussierte ihren Blick auf einen Punkt hinter der Gestalt ihres verhassten Peinigers. Sie zog einen gewissen Trost daraus, dass ihr das Entsetzen nicht anzumerken war. Seine Hand berührte fast ihre tätowierte Wange. Der Magier des Meisterspions hatte sie gewarnt, dass das Mal nur eine optische Täuschung sei. Sobald seine Hand es berührte, würde er die Narbe spüren.

Der Sklavenschinder ließ ihren Nacken los, berührte sanft ihre Schulter, und Rialla unterdrückte einen erleichterten Seufzer. »Ja«, sagte er. »Sie war Tänzerin in einem kleinen Etablissement, das ich in Kentar besitze. Ich habe sie selbst ausgebildet. Muss etwa sechs oder sieben Jahre her sein, seit sie entflohen ist.« Er lächelte, dann nahm seine Stimme eine Weichheit an, die sie nur zu gut kannte. »Ich denke, sie hat dafür die Wache getötet. Es wird gut sein, sie wiederzuhaben. Sie ist eine sehr talentierte Tänzerin.«

»Warum, Onkel Iss? Ich wusste nicht, dass du Sklaven ausbildest.« Laeths Tonfall war hart an der Grenze zur Unfreundlichkeit.

»Ich bilde ja auch meine eigenen Pferde aus«, erwiderte der Onkel. »Die von anderen erzogenen Exemplare haben zumeist ein schlechtes Benehmen.« Er blickte zu Rialla. »Sie wieder angemessen abzurichten wird mich viel Zeit kosten.«

Laeth strich mit einer Hand über Riallas Rücken, eine ebenso besitzergreifende Geste wie des Onkels Griff um ihre Schulter. »Hab sie auf Allianzgebiet getroffen, in der Nähe des Meeres, als ich eine Handelskarawane durch die Wüste begleitete.« Es lag genau die richtige Dosis Unbeschwertheit in Laeths Stimme, als er dies berichtete. Der Plauderton sollte den Eindruck erwecken, als wolle er vor allem der Verachtung seines Onkels entgehen, die dieser vielleicht empfinden könnte angesichts der Tatsache, dass ein Familienmitglied Söldnerdienste verrichtete. In Wahrheit versuchte Laeth nur, von jeglichem Anspruch, den sein Onkel auf seine ehemalige Sklavin erheben mochte, abzulenken. So fuhr er betont unbekümmert fort: »Sie war das Geschenk eines Händlers dafür, dass ich seinen Sohn gerettet habe, nachdem dieser von einer Schlange gebissen worden war. Es tut mir leid, aber ich kann sie dir nicht zurückgeben, Onkel Iss – selbst wenn man davon absieht, dass sie nun schon länger als fünf Jahre nicht mehr in deinem Besitz ist.« Laeth machte eine Pause und unterstrich seine Worte mit einem bedeutungsvollen Von-Mann-zu-Mann-Blick. »Denn ich habe mich sehr an sie gewöhnt.« Er legte fast beiläufig seine Hand um Riallas Nacken, gerade so, wie Isslic es eben noch getan hatte. Dann zog er sie fort aus Lord Winterseines Griff, drehte sie zu sich herum und küsste sie.

Rialla tat, was man von ihr erwartete, doch zu seinem Verdruss musste Laeth erkennen, dass sie es aus Furcht vor seinem Onkel tat, der ihr Leid zugefügt hatte, und nicht aus Hingabe. Als der Kuss endete, schaute Rialla unauffällig zu ihrem ehemaligen Besitzer hinüber.

Der Überlebenswille hatte sie gelehrt, in seinem Gesicht zu lesen wie in einem offenen Buch, und was sie nun erblickte, bereitete ihr große Sorge.

Denn Laeths Onkel lächelte und sagte leichthin: »Nun gut, mein Junge, so sollst du denn auch mit den Konsequenzen leben. Vergiss nicht, dass sie bei ihrer Flucht eine Wache getötet hat. Es könnte gefährlich für dich sein, sie zu behalten.«

Laeth erwiderte das Lächeln seines Onkels. »Sie wird mir nichts zuleide tun, Onkel Iss. Ihr ist durchaus bewusst, dass es weitaus schlechtere Meister gibt als mich.« Er machte eine kurze Pause. Das, was er eben gesagt hatte, mochte mit Absicht so formuliert worden sein oder auch nicht. Daher fuhr er fort. »Der Händler, dem sie gehörte, war schnell mit der Peitsche zur Hand, weißt du. Wenn sie also nicht folgsam ist, schicke ich sie zu ihm zurück, und das weiß sie auch.«

Winterseine wollte gerade etwas erwidern, als das Gespräch von einem Mann unterbrochen wurde, der einige Jahre jünger sein mochte als Laeth. Er sah besser aus und war größer als die meisten Anwesenden, und doch fehlte ihm ihre Ausstrahlung. Er wandte sich mit wohlklingender Stimme an Winterseine: »Tamas sagt, dass der Rest unserer Gesellschaft endlich eingetroffen ist.«

Winterseine knurrte, doch Laeth trat vor und ergriff herzlich die Hand des jungen Mannes. »Terran, wie schön, dich wiederzusehen. Wie ich sehe, lässt Onkel Iss dich immer noch seine Reisen planen und durchführen.«

Der junge Mann lächelte verlegen und nickte unmerklich. »Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, sollten wir mal mehr als eine Woche in einer Residenz weilen – vielleicht zur Abwechslung mal eine ganze Nacht durchschlafen, ohne mir darüber Sorgen zu machen, dass vielleicht einige Gepäckstücke an unserem letzten Aufenthaltsort zurückgeblieben sind?« Er senkte den Blick und fügte hinzu: »Nein, so schlimm ist es nun wirklich nicht. Vater und ich besuchen ja im Wesentlichen die immer gleichen Orte. Insofern ist es eher so, als hätte man viele Domizile und nicht nur eins.«

Da niemand sie beachtete, studierte Rialla ausgiebig Terrans Gesicht. Sie hatte Winterseines Sohn gänzlich aus ihrem Denken verdrängt. Schon während ihrer Gefangenschaft war er so unauffällig aufgetreten wie heute.

Winterseine lachte, wenngleich nicht ganz so unbeschwert, wie es wirken sollte, und klopfte seinem Sohn jovial auf die Schulter. »Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn machen sollte. Terran organisiert wirklich alle Exkursionen, und ich muss ihm nur noch folgen und die Reise genießen. Ah, es sieht so aus, als ob sich die Jagdgesellschaft zu den Ställen aufmacht. Wollen wir uns nicht den anderen anschließen?«