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Rialla legte das Kerngehäuse des Apfels zurück auf das Tablett. »Möchtest du nichts essen?«

Tris schüttelte ungeduldig den Kopf. »Mir geht’s gut. Was ist also morgen?«

Sie riss sich ein Stück Brot ab und lehnte sich ihrerseits gegen die Wand. Als auch dieses verspeist war, sagte sie leise: »Schätze, ich bin dran. Ich war dumm und hab nicht daran gedacht, dass man mir den Tag in diesem dunklen, engen Loch eigentlich hätte ansehen müssen. Nun wird er sich eine andere Strafe für mich ausdenken.« Sie seufzte betont komisch auf und versuchte ihn zu beruhigen, als sie seinen aufsteigenden Ärger mitbekam. »Ich bin wohl keine besonders talentierte Spionin.«

»Und was wird er dir antun?«, hakte Tris mit noch immer grimmiger Stimme nach.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab nicht die geringste Ahnung. Aber keine Sorge, es wird vermutlich nichts allzu Schmerzhaftes sein – er will sich ja seine kostbare Tänzerin nicht ruinieren. Er muss das Ganze im Gleichgewicht halten – zu wenig Bestrafung wäre fatal, aber zu viel würde die Moral schwächen oder ihn gar die Tänzerin kosten.«

Tris starrte zu Boden und fragte: »Macht es dir sehr zu schaffen, wieder Sklavin zu sein?«

Rialla lenkte den Blick auf ihre Hände, die ihr linkes Knie umfassten. Es schien, als würde er mehr unter ihrer erneuten Versklavung leiden als sie. Sie dachte eine Weile darüber nach, bevor sie antwortete, und hoffte, dass er sie verstand. »Ich hätte gedacht, es wäre so, aber das ist nicht der Fall. Schätze, das liegt daran, dass ich aus eigenem Antrieb zurückgekehrt bin. Ich habe beschlossen, die Sklavin zu spielen, also können sie mich nicht zu einer degradieren. Begreifst du das?«

Er wirkte ein wenig verblüfft, also fügte sie hinzu: »Eine Sklavin verfügt nicht über die Macht, eigene Entscheidungen zu treffen. Ich schon.« Bei dem Gedanken an den morgigen Tag huschte ein schwaches Lächeln über ihr Gesicht. »Und so muss ich eben mit den Konsequenzen leben.«

Am nächsten Morgen war Rialla schon wach und bereit, als die Wachen sie holten. Diesmal wurde sie nicht zu Winterseine gebracht, sondern direkt in die »Kammer der Disziplinierung«.

Die lag in einem hellen, fast sonnigen Teil im Erdgeschoss der Burg. Beide Fenster waren niedrig genug, um einen schönen Blick auf die eingefriedeten Gärten zu gewähren, die hinter der Festung lagen. Klarglas war teuer, daher gab es nur Holzläden, die nun allerdings weit geöffnet waren.

Rialla vermutete, dass die Fenster eingelassen worden waren, um die Gefangenen daran zu erinnern, dass dort draußen noch eine andere Welt existierte, damit sie sich nicht der Hoffnungslosigkeit ergaben, die unter der Folter schnell zum Tode führen konnte. Aufgrund der allgegenwärtigen Verzweiflung, die hier in der Luft lag, hätte sich Winterseine die Fenster auch genauso gut sparen können. Sie wob sich in ihre Abschirmung und sperrte all dies aus.

Die Wachen banden ihre Leine an einen der Wandringe und ließen sie mit den anderen Gefangenen allein. Keiner von ihnen war ein Sklave. Sie war noch nie in diesem Teil der Burg gewesen – Rialla war bis zu ihrer Flucht eine gehorsame Sklavin gewesen.

Ohne die Armfesseln war die Leine nur eine Formsache; sie hätte sie ohne Probleme lösen können, aber sie musste sich folgsam verhalten. Es gab keine Bewacher im Raum, lediglich die anderen Gefangenen, die mit schweren Ketten an die Wand gefesselt waren.

Dicke Leinenvorhänge versperrten den Blick auf das, was am andere Ende der Folterkammer vor sich ging. Und Rialla war froh, die obskuren Vorrichtungen nicht sehen zu müssen, die zumeist nichts als menschliche Wracks hinterließen. Aber sie konnte hören, wie die Menschen kläglich stöhnten, während sie, aufgehängt wie Schweinehälften beim Schlachter, auf alle möglichen Arten gepeinigt wurden.

Je länger Rialla wartete, umso aufgewühlter wurde sie. Die unerfreulichen Emotionen, die die Kammer erfüllten, waren so stark, dass es ihr schwerfiel, sie vollständig abzuwehren. Und sie bestärkten sie in ihrer Sorge. Sie kam auf die Füße und ging einige Schritte auf und ab, um ihre Anspannung zu lösen und sich nicht das Halsband herunterzureißen und geradewegs nach Sianim zu fliehen.

Einige Männer betraten die Kammer, schwatzend und lachend. Einer kam auf Rialla zu und löste die Leine von dem Metallring an der Wand. Er stank nach Schweiß und der Angst anderer Menschen, darüber hinaus konnte er seine Hände nicht bei sich behalten.

Rialla nahm seine Zudringlichkeiten ungerührt hin. Schließlich ließ er von ihr ab und verband ihr mit einem schmutzigen und blutverschmierten Baumwollstreifen die Augen. Dem Zug ihrer Leine folgend, stolperte sie über den unebenen Boden hinter ihm her. Dann stieß sie sich an einem Stück Holz das Schienbein und glaubte, dass es sich dabei um eine Treppe handelte, weil sie ein kurzes Stück in die Höhe gehoben und dann auf einer Art Plattform wieder abgesetzt wurde.

Er schubste sie zurück, bis ihre Schultern gegen einen Holzbalken stießen, der sich unter der Berührung leicht bewegte. Sie spürte einen Zug an ihrem Nacken, als er ihren Halsriemen mit dem Balken verband. Die Arme wurden über ihrem Kopf hochgerissen und an einem anderen Balken befestigt, der sich sowohl höher als auch weiter entfernt vom ersten befand. Mit einem dicken Seil um ihre Taille wurde sie zusätzlich fixiert.

Rialla hörte, wie die Balken unter ihrem Gewicht ächzten, während sich ihre Füße langsam vom Boden hoben. Als ihr Rücken gegen einen harten Widerstand gedrückt wurde, erkannte sie, dass man sie auf ein riesiges Rad gebunden hatte. Das Rad stoppte, woraufhin man ihre Beine an ein weiteres Querholz fesselte.

Als der Folterknecht sicher sein konnte, dass ihr Körper vollständig am Rad festgemacht war, betatschte er sie ein letztes Mal, bevor er seine Arbeit fortsetzte. Sie konnte ihre Ohren vor den die Kammer erfüllenden Schmerzensschreien nicht vollständig verschließen, wie sie auch ihren Geist nicht vor dem Leid abzuschotten vermochte, das mit ihnen einherging. Und in diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr, als dass man sie endlich bestrafte, damit sie es hinter sich hatte.

Schließlich ertönte ein lautes Knacken, als der Mechanismus, mit dem man das Rad in Bewegung setzte, gelöst wurde. Langsam wurde sie angehoben und weitergetragen, bis sie kopfüber hing. Das Rad gab ein seltsames Geräusch von sich, doch bevor Rialla begriff, was passierte, tauchte ihr Kopf in ein Becken mit kaltem Wasser ein.

Sie japste vor Schreck, und als das Rad sich weiterdrehte und sie wieder aus dem Wasser gezogen wurde, würgte und spuckte sie die Flüssigkeit aus ihren Atemwegen. Sie war desorientiert, wollte erst einmal zu Atem kommen, doch schon tauchte ihr Kopf erneut unter Wasser. Beim dritten Mal begriff sie, dass sich das Rad nicht mit gleichbleibender Geschwindigkeit drehte, sodass der Delinquent sich nicht auf das Untertauchen einstellen konnte. Wieder hustete und spie sie das Wasser aus, das in ihren Rachen gelangt war. Dies alles führte dazu, dass auch ihre Konzentration einbrach und der Schild, der die durch die Kammer mäandernden Emotionen abhalten sollte, an Wirksamkeit verlor.

Die Folge war, dass Rialla eine ungebremste Welle des Schmerzes traf, den die anderen Gefangenen hier auszuhalten hatten. Sie begann zu schreien, dann wurde ihr Kopf wieder unter Wasser gezwungen. Diesmal vollzog sich die Reise durch das kalte Nass so quälend langsam, dass ihr schwarz vor Augen wurde, bevor ihre Nase wieder auftauchte. Das Rad kam zum Stehen, damit sie sich etwas erholen konnte, und während sie verzweifelt nach Atem rang, gelang es ihr, die Barriere um sich herum wieder zu errichten.

Tris. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn mit hochgezogenem Schutzschild überhaupt erreichen zu können. Und sie war überrascht, Antwort zu erhalten.

Rialla? Sie konnte die Sorge bereits aus diesem einen Wort herauslesen, so wie er das Echo ihrer Verzweiflung empfangen hatte.

Das Rad setzte sich wieder in Bewegung. Unbewusst kämpfte sie gegen die Fesseln an, die sie mit ihm verbanden. Sie wollte Tris berichten, was gerade geschah, konnte jedoch keine zusammenhängende Nachricht übermitteln, und dann tauchte ihr Kopf schon wieder in das eiskalte Wasser ein.