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In dem Moment drang ein lautes Geräusch an ihr Ohr, als wenn jemand in die Hände klatschte, und dann hörte sie gar nichts mehr.

Eine Welle aus Panik und Schmerz holte Tris aus seinem erholsamen Schlaf, und noch bevor er völlig wach war, stand er schon auf den Beinen. Als ihm klar wurde, dass es Riallas Emotionen waren, die er spürte, versuchte er sie zu rufen, verlangte nach Antworten, doch es war vergebens.

Er fluchte, dann riss er sich zusammen. Er war noch immer zu weit vom Herzen des Waldes entfernt; der Sylvanische Pfad würde länger dauern als das Reiten.

Grimmig zurrte er den Sattelgurt fest und bestieg sein Pferd. Egal, was eben geschehen war, er würde sie niemals rechtzeitig erreichen. Er war noch mindestens einen halben Tagesritt von ihr entfernt – sofern sie dort blieb, wo sie gerade war. Tris presste dem Grauen seine Waden gegen die Seiten, und der Wallach wechselte fast spielerisch in einen starken Galopp.

Von irgendwoher wurde ihr Name gerufen. Etwas an der Stimme sorgte dafür, dass Rialla sich aus der Dunkelheit herauskämpfte, die sie umgeben hatte. Doch gerade, als sie die Benommenheit abgeschüttelt hatte, gab Tris seine Kontaktaufnahmeversuche auf.

In ihrem treulosen Bein brummte ein dumpfer Schmerz, der zu dem in ihrem Kiefer passte. Sie nahm an, dass Terran sie geschlagen hatte, um sie ruhigzustellen. Die Haut an Kehle und Nacken brannte unter dem Sklavenhalsband, und ihr Rachen tat beim Schlucken mörderisch weh. Ihre Wange, eine Schulter und das heile Bein zeigten Abschürfungen, da Winterseine sie ein Stück mit seinem Pferd hinter sich hergeschleift hatte. Doch trotz all dieser Blessuren war sie in besserer Verfassung, als es eine verdiente, die sich wie eine Idiotin benommen hatte.

Langsam öffnete sie die Augen, setzte sich auf und rieb sich das schmerzende Kinn. Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, weil Terran und sein Vater noch immer versuchten, Winterseines Wallach zu beruhigen. Terrans Pferd und das Packtier waren nicht auf der Lichtung zu sehen.

Falls sie auf ihr Bein vertrauen konnte, könnte sie sich jetzt in den Wald davonstehlen und Terrans Stute zu sich rufen. Zu Pferde war es ihr dann vielleicht möglich, den beiden zu entkommen. Als sie sich aufrichtete, machte der Muskel in ihrem Oberschenkel erneut Anstalten, sich zu verkrampfen, also verwarf sie den Fluchtplan wieder. Ihre Zeit würde schon noch kommen.

Als Winterseines Pferd endlich stillstand, waren die Flanken und die Schulter mit Schaum bedeckt – die Spuren seines heftigen Kampfes. Der Wallach hielt den Kopf gesenkt, während sich sein Brustkorb unter schwerem Atmen hob und senkte.

Winterseine untersuchte das Tier flüchtig auf Verletzungen, dann saß er auf. »Ich gehe deine Stute und das Packpferd suchen. Du wartest hier bei der Sklavin und sorgst dafür, dass sie bleibt, wo sie ist.«

Terran nickte und sah seinem Vater nach, bis er im Wald verschwunden war. Rialla hätte ihnen sagen können, dass er in der falschen Richtung suchte, aber ihre Zuvorkommenheit hielt sich momentan in Grenzen.

Als Winterseine außer Sicht war, ging Terran zu Rialla hinüber. »Geht’s dir gut?«, fragte er, nachdem er sich neben ihr hingekniet hatte.

Er war zu nahe, und Rialla versteifte sich leicht, doch sie nickte. Terran wollte gerade wieder das Wort ergreifen, als er innehielt. Er drehte ihre abgeschürfte Wange ins Sonnenlicht, um sie sich genauer anzuschauen.

Rialla fiel auf, dass die Kratzer nun nicht mehr schmerzten, stattdessen verspürte sie nur ein warmes Kribbeln unter der Haut. Sie entzog sich seinem Griff und schaute hinab auf ihren Arm, der eigentlich von der Schulter bis zum Handgelenk mit Schürfwunden bedeckt sein sollte. Die Wunden waren noch da, doch sie verblassten zusehends, bis alles, was ihre Haut noch verunzierte, ein bisschen Schmutz war.

Verwirrt starrte sie auf ihren Arm, versuchte, ihre konfusen Gedanken zu ordnen.

»Wie machst du das?«, fragte in diesem Moment Terran, und es lag ein Hauch von Faszination in seiner Stimme.

Verständnislos blinzelte ihn Rialla an. »Was?«

»Das da!« Terran packte ihr Handgelenk und schüttelte es vor ihrer Nase. »Wie heilst du dich selbst?«

»Aber das tue ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf und entzog sich abermals seinem Griff. Das würde sich eine Sklavin zwar nie herausnehmen, aber sie konnte seine Berührung einfach nicht mehr ertragen. »Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht.«

»Vater sagt, du bist Empathin. Was bist du außerdem?«, hakte Terran nach und beugte sich zu ihr vor. »Da ist eindeutig Magie mit im Spiel, aber nichts, von dem ich je gehört hätte. Also, was genau bist du?«

Rialla wich vor ihm zurück und flüsterte: »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.« Sie beschloss, in die Offensive zu gehen. Nach der Sache mit dem Muskelkrampf musste Terran sie für ein bisschen hysterisch halten. Daher setzte sie mit leicht schriller Stimme hinzu: »Und ich weiß auch nicht, was Ihr da mit mir macht …«

Sie musste ihn unbedingt von sich ablenken, also benutzte sie ihre Gabe, um sein Pferd ausfindig zu machen. Die Stute weidete bei einem nahegelegenen Flecken mit Weizengras. Rialla musste nicht viel tun, um sie dazu zu bewegen, auf die Lichtung zurückzukehren, weil das kleine Tier seinen Reiter liebte. Fast widerstandslos ließ es von seinem Mahl ab und machte sich auf den Rückweg; das Lasttier folgte ihm auf dem Fuße.

»Ich mache gar nichts. Das bist du. Ich kann doch die Heilmagie spüren, die in dir ist.« Es lag Überzeugung in seiner Stimme, aber auch ein Hauch von Verwunderung. »Ich hörte von Wesen, die in den Wäldern des Nordens leben und über dieselben Heilfähigkeiten verfügen. Sag, bist du eine Gestaltwandlerin?«

Rialla schaute ihn entgeistert an. Sie wusste doch selbst am besten, dass sie über keine magischen Fähigkeiten gebot. Und doch merkte sie, dass sich Terran seiner Einschätzung sehr sicher zu sein schien. Nein, er wusste, dass sie sich selbst geheilt hatte. Und sie wusste, dass das eigentlich nicht sein konnte.

Tris indes beherrschte diese Kunst, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so dumm war, sie aus der Ferne zu heilen, wo er doch nie wissen konnte, wer dabei alles zugegen war. Er hätte kaum so lange in Darran überlebt, wenn er so leichtsinnig wäre.

Völlig entspannt trottete die graue Stute auf die Lichtung, gefolgt vom treuen Packpferd. Sie wieherte leise, als sie Terran entdeckte, und rieb voller Freude ihre Nase an ihm.

Ohne seinen Blick von Rialla abzuwenden, griff Terran hinauf und streichelte den Kopf der Stute. »Gutes Mädchen«, flüsterte er ihr zu.

Rialla zog die Beine an und schlang die Arme darum. Dann legte sie das Gesicht auf ihre Knie, schloss die Augen und versuchte Terran auszusperren. Nach einer Weile spürte sie, wie seine Präsenz verblasste. Er schlug nun ohnehin die Zeit bis zum Eintreffen seines Vaters tot, und sie war dankbar dafür.

Tris?, rief sie.

Seine Antwort erfolgte schwach, doch der Gedankenstrom riss nicht ab. Sie konnte seine Erleichterung spüren. Geht es dir gut? Was ist geschehen?

Ja, ich bin in Ordnung. Glaube ich wenigstens. Tris, hast du mich gerade eben geheilt?

Was?, kam es zurück. Bevor Rialla ihm erklären konnte, was passiert war, erreichte sie von seiner Seite ein Moment plötzlichen Begreifens, gefolgt von einem kurzen Aufflackern von Schuld.

Es ist alles gut, sagte Tris. Du musst dir keine Sorgen machen. Erinnerst du dich an das Band, das ich zwischen uns geknüpft habe, damit wir uns über die Entfernung hinweg austauschen können?

Ja, erwiderte sie.

Die Heilung ist ein Resultat dieser Verbindung.

Was? Sie ließ ihn an ihrer Ratlosigkeit angesichts dieser mageren Erklärung teilhaben.