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»Ich musste das Pferd auf dem Weg hierher zurücklassen«, sagte Tris, während er in dem kleinen Topf herumrührte. »Aber ich habe die Satteltaschen bei mir.« Ohne seinen Blick vom Feuer abzuwenden, fuhr er fort: »Ich denke, ich schulde dir eine Erklärung.«

Rialla setzte sich auf und rieb sich die Augen. Es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber es war immer noch dunkel; lange konnte sie nicht geschlafen haben. Aber sie fühlte sich überraschend gut – einer der Vorteile, wenn man mit einem Heiler reiste.

»Ja, das glaube ich auch.«

Er legte den langen Kochlöffel auf einen Stein und wandte sich von dem Feuer ab. Dann hockte er sich vor sie hin und beschwor ein Magierlicht, sodass Rialla sein Gesicht erkennen konnte. »Unter uns Sylvanern ist es so, dass die Bindung, die ich zwischen uns erschaffen habe, ein Paar für immer zusammenschmiedet«, sagte er geradeheraus.

Sie starrte ihn an. »Soll das heißen, wir sind … verheiratet, und du hast mir nichts davon gesagt?«

Das machte ihn lachen. »Ja, ich denke, so kann man es auch formulieren.«

»Und warum hast du das getan?«, fragte sie.

»Bevor ich dich traf, teilte die Frau, die mich nach Tallonwald holte, eine Vision mit mir. Naturgemäß sind solche Bilder immer etwas diffus, aber aus dem, was sie sagte, wurde klar, dass ich die Eine treffen würde, mit der ich mich verbinden könnte.«

»Soll das bedeuten, du kannst dich nicht verbinden, mit wem du willst?«

»Nein, ich habe nur nie jemanden getroffen, mit dem ein solches Bündnis geglückt wäre. Es gibt dieser Tage nur noch so wenige Sylvaner, und noch weniger passende Partner für ein ganzes Leben.«

Rialla dachte über seine Worte nach. »Du hast die Verbindung zwischen uns hergestellt, weil eine Seherin dir gesagt hat, dass es klappen könnte?«

»Nein«, sagte er. »Ich hab es getan, weil ich endlich jemanden gefunden hatte, mit dem ich ein Leben lang zusammenbleiben wollte.« Er stand auf, ging zurück zum Feuer, aber er nahm den Rührlöffel nicht wieder zur Hand. »Es tut mir leid.«

Tief in ihre eigenen Gedanken versunken, nahm Rialla seine Stimme nur mehr wie ein gedämpftes Hintergrundmurmeln wahr, als er fortfuhr: »Zuerst dachte ich, dass ich die Bande wieder lösen könnte, wenn du es nicht willst. Normalerweise sollte das Bündnis nicht so stark werden wie das unsrige … In vergangenen Zeiten, als mein Volk noch zahlreich war, dauerte die Probezeit drei Monate. Wenn das Paar danach nicht mehr zusammenbleiben wollte, wurde das Band wieder durchtrennt. Trenna sagte mir, dass wir uns miteinander verbinden könnten. Sie sagte allerdings nicht, dass du damit einverstanden wärst.«

Rialla erinnerte sich an die Dinge, die sie in der letzten Nacht über ihn erfahren hatte. Erinnerte sich an die tiefe, seelenverschlingende Trauer und fand ihr Echo in sich selbst. Hätte sie von einem solchen Band gewusst, sie hätte alles darum gegeben, ein Teil davon zu werden. Und wenn sie es recht bedachte, so ängstigte sie der Gedanke daran nicht im Geringsten. Sie dachte eine Weile über eine Antwort nach, dann sagte sie leise: »Sehr bedauerlich.«

»Ich weiß«, seufzte Tris. »Aber ich kann nun nichts mehr daran ändern. Es war in dem Moment zu spät, da Winterseine dich an das Wasserrad hat binden lassen.«

»Nein«, sagte Rialla und hob den Kopf, damit er ihr Lächeln sehen konnte. »Ich meinte, es ist bedauerlich, dass es dir leid tut. Mir tut es nämlich kein bisschen leid.«

Tris wirbelte zu ihr herum und warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Rialla biss sich auf die Lippen, wusste, dass er gekränkt sein würde, wenn sie jetzt auch noch lachte. Sie wusste auch, ein Teil ihrer Aufgekratztheit war ihrer Müdigkeit geschuldet, also riss sie sich so gut es ging zusammen.

»Du hast mich um Gnade winseln lassen«, knurrte er.

Rialla senkte den Kopf auf die Knie und vergrub das Gesicht in ihrer Armbeuge. Dann verlor sie den Kampf und brach in haltloses Gekicher aus.

In der Dunkelheit des Waldes erstarb Tris’ Magierlicht.

»Drachenraub«, gurrte Tris ihr später zärtlich ins Ohr.

»Ich gebe mich geschlagen«, erwiderte Rialla lachend.

Epilog

Irritiert schaute Lord Jarroh auf, als es zaghaft an der Tür seines Arbeitszimmers klopfte. Hatte er nicht klipp und klar gesagt, dass er keine Störungen wünschte? Er warf einen Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass die Nacht hereingebrochen war, während er an seinen Geschäftsbüchern gearbeitet hatte.

Seufzend legte er die Bilanzaufstellung beiseite, ging um den Schreibtisch herum und öffnete die Tür. »Ja?«

Draußen im Gang war es dunkel, und so konnte er die Person, die ihn bei der Arbeit unterbrochen hatte, nicht genau erkennen.

»Ich bitte um Verzeihung, verehrter Herr, aber ich habe eine Information für Euch – eine Information rein privater Natur.«

Lord Jarroh erhielt viele private Botschaften. Was mit ein Grund dafür war, dass er stets ein dünnes Kettenhemd unter der Kleidung trug. Er trat vom Eingang zurück und winkte den Kurier herein. Dann schloss er die Tür.

»Um was geht es denn?«, fragte er.

»Um Lord Karstens Ermordung«, sagte Rialla und schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück, damit er ihr Gesicht sehen konnte. »Ich hatte Euch geraten, darüber nachzudenken, warum Lord Laeth seinen Bruder aus dem Weg geräumt haben sollte. Habt Ihr dies getan?«

Instinktiv ging Lord Jarrohs Hand zu seinem Dolch, dessen Griff er umschloss, doch seine Miene verlor nichts von ihrer Gelassenheit. »Ja. Unabhängig davon, was ich sah, als Karsten starb, erscheint mir Lord Winterseine als der wahrscheinlichste Täter. Ich kannte sie beide, ihn und Lord Laeth, beinahe so lange, wie ich Karsten kannte. Wenn ich nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie Laeth seinen Bruder erstach, hätte ich es niemals geglaubt. Leider wurde Lord Winterseine kürzlich von einer, ähm, Krankheit heimgesucht, die es mir unmöglich macht, ihn dazu zu verhören.«

Rialla ließ die Botentasche von der Schulter gleiten und holte ein dickes Buch daraus hervor, dazu einen Dolch und zwei Pergamentseiten. »Ich habe, mein Herr, einige Dinge mitgebracht, die ich Euch bitten möchte, einer Prüfung zu unterziehen.

Da wäre als Erstes Lord Winterseines Grimoire. Es wurde vom ae’Magi, Lord Kisrah, unschädlich gemacht. Ihr werdet bemerken, dass der Erzmagier einige Seiten sowie das Schloss entfernt hat.

Als zweites habe ich hier den Dolch, mit dem Lord Karsten getötet wurde. Wir entdeckten ihn auf einer kleinen Burg, in der Lord Winterseine Sklaven ausbildet.

Der dritte Gegenstand ist ein Brief von Lord Kisrah, in dem er seine Erkenntnisse zu dem Dolch niedergeschrieben hat. Des Weiteren ist er bereit zu schwören, dass Lord Winterseine ein so mächtiger Magier ist, dass er gut und gern für den Magierrat hätte tätig werden können. Ganz sicher jedoch hätte er eine Illusion erschaffen können, die Euch glauben machte, dass es Laeths Hand war, die den Dolch führte.«

Lord Jarroh schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle. Glaubst du wirklich, ein darranisches Gericht würde bei einer Angelegenheit von solcher Tragweite dem Wort eines Erzmagiers glauben?«

»Nein«, sagte Rialla. »Doch wir hatten gehofft, dass Ihr den Fall trotzdem noch einmal prüft.«

»Zu welchem Zweck?«

»Mein Herr«, sagte Rialla, »wir möchten, dass Ihr sicherstellt, dass Lord Winterseine und sein Sohn keinen Anspruch auf Lord Karstens Ländereien erheben. Und sofern Ihr noch immer nicht von Laeths Unschuld überzeugt seid, sollen Karstens Besitztümer an die Krone fallen.

Der vierte Gegenstand, den ich Euch bringe, mein Herr, ist ein Brief von Ren, dem Meisterspion von Sianim. Ren denkt, er beantwortet darin alle Fragen, die Ihr vielleicht hinsichtlich Sianims Interessen in dieser Angelegenheit haben könntet.«

Rialla trat einen Schritt ins Licht. »Lord Jarroh, Lord Karsten wurde ermordet, weil er auf ein Ende des Krieges hoffte, der sowohl Darran als auch Reth so unendlich viel gekostet hat. Er hatte den glorreichen Tag vor Augen, an dem in unseren Reichen der Frieden regieren würde. Winterseine war bei der Planung von Karstens Tod nicht allein; lasst bitte nicht zu, dass seine Mörder triumphieren. Wenn Ihr diesen Leuten Lord Karstens Macht und Rang verleiht, werdet Ihr seinen Traum damit auf immer zerstören.«