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»Ja, das wäre nett«, erwiderte sie. Als er sich umdrehte, um die Ingredienzien zusammenzumischen, beugte und streckte sie vorsichtig ihre Finger. Die Gelenke waren sichtlich weniger entzündet als vor jenem Tag, da er sie zum ersten Mal berührt hatte.

Tris war immer sehr darauf bedacht, dass die Dörfler nichts von seiner Kunst mitbekamen, das sie nicht mitbekommen sollten. Trenna gegenüber konnte er sich jedoch so theatralisch aufführen, wie er wollte – sie genoss das ganze Brimborium fast genauso wie er.

»So, das hätten wir«, sagte er und reichte ihr die Medizin. Nicht vergessen: morgens und abends eine Dosis davon. Falls nötig, könnt Ihr auch am Tage eine weitere Portion einnehmen. Falls das immer noch nicht ausreicht, kommt noch einmal zu mir zurück. Gebt das Pulver in heißes Wasser und haltet so lange wie möglich die Luft an, bevor ihr es trinkt.«

Sie lächelte ihn an, und für einen Moment erlaubte sie ihm einen Blick auf die Schönheit, die sie in jungen Jahren gewesen war. Sie griff nach dem Beutel mit dem Pulver, doch als sich dabei ihre Finger berührten, ließ sie das Säckchen achtlos zu Boden fallen und umklammerte mit beiden Händen seine Arme mit einer Festigkeit, die ihre Gebrechlichkeit Lügen strafte. Er spürte ihre Magie förmlich durch seine Haut pulsieren.

Ihr ganzer Körper schien zu vibrieren, als sie mit angespannter Stimme zu sprechen begann: »Zwei kommen von Sianim … ein Mann und … eine Tänzerin. Ihr müsst ihnen helfen, sich der Flut des Katzengottes entgegenzustellen … Habt Acht vor den Kreaturen, die er aus dem Sumpf heraufbeschwört.« Sie schluckte und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Schweißtropfen glitzerten auf ihrer Stirn, und sie lockerte den Griff um seine Unterarme, während sie plötzlich einige Worte in seiner Muttersprache sprach.

Dann verließ die Magie sie wieder, und sie zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Bevor sie zu Boden sinken konnte, war Tris schon über die Verkaufstheke gesprungen und hatte dabei die kleine Pflanze heruntergerissen, die darauf stand. Im letzten Moment bekam er Trenna zu fassen und ließ sie sanft auf die gepolsterte Eichenbank sinken, die auf der gegenüberliegenden Seite stand. Er setzte sich neben sie und legte seinen Arm um sie, bis sie zu zittern aufhörte.

»Entschuldigt«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte.

Er schüttelte entschieden den Kopf. »Aber nein, Lady, ich danke Euch für den Rat – es gibt nichts, wofür Ihr Euch entschuldigen müsst. Erinnert Ihr Euch an Eure Worte?«

»Nein«, sagte sie. »Manchmal kann ich es, oder mir fällt zumindest das letzte Bild ein, das ich sah, aber, wartet … Ich habe viele, viele rote und grüne Edelsteine gesehen … Nein, ich glaube, das waren Augen.« Nun schüttelte sie den Kopf. »Das ist alles. Ich hoffe, die Botschaft wird Euch von Nutzen sein.«

Wieder ergriff er ihre Hand und küsste sie. »Das, meine Gute, kann allein die Zeit zeigen. Darf ich Euch nach Hause begleiten?«

Sie lächelte wieder und erhob sich langsam von der Bank. »Nein, aus irgendeinem Grund fühle ich mich schon wieder viel besser. Wenn Ihr mir das Säckchen mit dem Pulver reichen könntet, werde ich Euch bezahlen und dann heimgehen.«

Tris übergab ihr die Medizin, doch schüttelte den Kopf, als sie ihm einige Kupfermünzen zustecken wollte. »Nein, schickt mir lieber Euren Enkel rüber, wenn Ihr wollt. Es gibt da eine Stelle am Dach, die vor dem nächsten Regen neu gedeckt werden müsste. Er ist unter Edgars Anleitung zu einem ordentlichen Handwerker geworden.« Sie beide wussten, dass er Trennas Enkel für die Dienstleistung dennoch bezahlen würde, aber nach einer Weile nickte sie und verließ Tris’ Haus.

Tris sah ihr nach, dann wiederholte er mit leiser Stimme die Worte, die Trenna während ihrer Vision in seiner Muttersprache von sich gegeben hatte: Es waren die ersten Zeilen des Bindungsrituals. Verdammt, er war schon zu lange allein … Würde all dies denn niemals ein Ende finden?

Nach einer Weile der besinnlichen Stille schnappte er sich den Besen und kehrte die Überreste des Pflanzgefäßes zusammen. Er würde den Setzling später neu eintopfen.

Der Bankettsaal in Lord Karstens Landsitz war so groß, dass gut und gern sechshundert Menschen darin Platz finden konnten, doch nur einer der sieben alten, robusten Holztische wurde ständig benutzt. Dieser Raum stand stellvertretend für all die Erneuerungen, die Lord Karsten auf Westholdt hatte vornehmen lassen.

Viele der schweren Dachbalken, welche die Decke stützten, waren offensichtlich erneuert worden. Ein runder Kamin mit Abzug dominierte nun das Zentrum des Saals und hatte die in dieser Gegend weit verbreitete offene Feuergrube ersetzt. Die hässlichen Öffnungen in der Außenwand, die zu ihrem Betrieb ehemals nötig gewesen waren, zierten jetzt farbiges Glas, das in der Umgebung der Feste weithin sichtbar leuchtete.

Schweigend stand Rialla neben dem Platz, den Laeth am Tisch eingenommen hatte, den Blick zu Boden gerichtet wie eine wohlerzogene Sklavin. Sie hatte kaum Schwierigkeiten gehabt, sich wieder in diese Position einzufinden, was ihr nur zugute kam. Als sie erst einmal in ihre neue Rolle geschlüpft war, war die Nervosität rasch von ihr abgefallen, und sie hatte das falsche Spiel fast ein wenig genossen. Ja, sie fühlte sich so sicher, dass sie allmählich das erste Problem zu spüren bekam, das mit dem Sklavendasein unweigerlich einherging: Langeweile.

Darran war noch immer so, wie sie es in Erinnerung hatte, obwohl sie in der Vergangenheit niemals so hautnah mit dem höfischen Leben zu tun gehabt hatte. Zu ihrer Zeit hatte sie sich zumeist in einem privaten Etablissement aufgehalten, in dem sich die reichen Männer des Landes abseits aller Konventionen verlustieren konnten.

Rialla schnaubte bei der Erinnerung leise auf. Selbst derartigen Ausschweifungen pflegten sich die Darraner auf eine höchst zivilisierte Art hinzugeben, und so gab es selbstverständlich auch einen offiziellen Verhaltenskodex für das Brechen gesellschaftlicher Konventionen.

Sie und Laeth weilten nun schon seit über einer Woche auf Westholdt, doch Rialla hatte hier nichts über die politische Lage in Erfahrung gebracht, was Ren vermutlich nicht sowieso schon wusste. Hätte es nicht einen gewissen Unterhaltungswert gehabt zuzusehen, wie die wohlanständigen darranische Adligen auf Laeth reagierten, wäre dieser Aufenthalt richtig langweilig gewesen.

Als Bruder des Lords hatte Laeth gute Beziehungen, und niemand wollte ihm gegenüber respektlos erscheinen, doch andererseits konnte man nicht ignorieren, dass er nichts, aber auch gar nichts auf die Etikette gab. Ein Adliger wurden nun mal nicht Söldner, und wenn sich doch einer für diesen Werdegang entschied, so hatte er darüber zu schweigen.

Nicht so Laeth. Er genoss es, seine Zuhörer beständig mit Geschichten zu schockieren, von denen Rialla vermutete, dass er sie aus dem Stand erfand. Zugegeben, der Zweite Divisionsgeneral Tyborn hatte den Kopf eines gefallenen Gegners zurück nach Sianim gebracht, aber er hatte ihn nicht über seinem Esstisch aufgehängt – jedenfalls nicht, soweit Rialla davon wusste.

Laeth war darauf bedacht, dass Rialla erfuhr, welcher der Gäste wer war, indem er die Leute stets mit ihrem vollen Namen begrüßte. Sie wiederum strengte sich sehr an, sich Herkunft, Rang wie auch die Fraktionszugehörigkeit all dieser Personen einzuprägen. Allerdings war es kein großes Kunststück herauszufinden, wem die jeweiligen Sympathien der Gäste galten, denn die meisten, die zum einwöchigen Fest von Lord Karsten angereist waren, zählten zu seinen ergebenen Unterstützern.

Bei dem Gedanken an Laeths Bruder musste Rialla ein Grinsen unterdrücken. Wer hätte gedacht, dass ein Rebell wie Laeth einen wie den stocksteifen Lord Karsten zum Bruder hatte?

Gut, sie sahen einander ähnlich, aber aus Riallas Sicht traf das irgendwie auf die meisten Darraner zu. Ja, sie hatten sogar gewisse Charaktereigenschaften gemeinsam. Lord Karsten war ein eloquenter und intelligenter Mann, wenngleich er sich den gesellschaftlichen Regeln noch mehr unterwarf, als es die meisten Darraner ohnehin schon taten – etwas, das Rialla bis vor kurzem noch für undenkbar gehalten hätte. Auch war er so charmant, dass es schwerfiel, ihn nicht zu mögen, vorausgesetzt, man war kein Sklave oder Bauer. Stets war er selbst dem niedrigsten aus seinem Gesinde gegenüber höflich, doch Karsten war sich auch darüber bewusst, dass sein Aufseher die Diener, Bauern und Sklaven regelmäßig misshandelte und quälte. Allein, es kümmerte ihn nicht.