Zuerst wurde ein Stern zur Nova. Er stieß eine Menge Hitze und Salven von Gammastrahlen aus. Die Sonnen um die Nova herum wurden noch heißer. Ich glaube, die Gammastrahlen regten die stellare Aktivität noch mehr an. Ein paar der Nachbarsterne explodierten.
Das vervielfachte die Hitze und die Strahlung. Weitere Sterne entflammten zur Nova. Eine Kettenreaktion, die nicht mehr zu bremsen war. Der weiße Fleck im Mittelpunkt ist eine einzige gewaltige Supernova. Wenn du willst, kannst du die Berechnungen ein wenig weiterverfolgen. Sie sind auf dem Band.«
»Nein danke«, sagte sie vorhersehbar. »Inzwischen ist alles wahrscheinlich längst vorüber?«
»Ja. Das ist altes Licht, das du dort siehst, obwohl es unseren Teil der Galaxis noch lange nicht erreicht hat. Die Kettenreaktion ist vor zehntausend Jahren zu Ende gewesen.«
»Und warum regen sich alle so auf?«
»Strahlung. Alle möglichen schnellen Partikel.« Der Massagestuhl tat seine Wirkung. Louis ließ sich noch tiefer in die formlose Masse sinken. Seine Muskulatur wurde von stehenden Wellen durchgeknetet. »Sieh es einmal von diesem Standpunkt: Der Bekannte Weltraum ist eine kleine Kugel aus Sternen, ungefähr dreiunddreißigtausend Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt. Die Novae explodierten vor mehr als zehntausend Jahren. Das bedeutet, daß die Wellenfront aus Strahlung uns in ungefähr zwanzigtausend Jahren erreicht. Stimmt’s?«
»Natürlich.«
»Unmittelbar nach der Strahlung erreicht uns eine Front subatomarer Partikel.«
»…Oh.«
»In zwanzigtausend Jahren müssen wir jede Welt evakuieren, von der du je gehört hast, und wahrscheinlich noch eine ganze Menge mehr.«
»Das ist eine lange Zeit. Wenn wir mit der Evakuierung sofort begännen, könnten wir es mit den Schiffen schaffen, die wir jetzt zur Verfügung haben. Leicht sogar.«
»Du denkst nicht richtig nach. Bei drei Tagen pro Lichtjahr brauchen wir sechshundert Jahre, um die Magellanschen Wolken zu erreichen!«
»Sie könnten doch alle Jahre irgendwo anhalten, um frischen Proviant und frische Luft an Bord zu nehmen…«
Louis lachte bitter. »Versuch doch mal, jemanden dazu zu überreden! Weißt du, was ich denke? Wenn das Licht der Explosion durch die Staubwolken zwischen hier und dem Zentrum der Milchstraße schimmert, werden plötzlich alle schreckliche Angst bekommen. Von diesem Augenblick an bleiben ihnen vielleicht noch hundert Jahre, um zu verschwinden.
Die Puppenspieler hatten die richtige Idee. Sie schickten einen Menschen zum Zentrum der Milchstraße, weil das für Publicity sorgte und ihnen half, Gelder für ihre Forschung aufzutreiben. Der Pilot schickte Bilder wie das dort zurück. Die Puppenspieler waren bereits verschwunden, ehe der Pilot wieder bei uns landen konnte. Kein Puppenspieler hielt sich mehr auf einem von Menschen besiedelten Planeten auf. Wir werden es niemals so machen wie die Puppenspieler. Wir werden warten und warten; und wenn wir uns endlich entschließen zu verschwinden, müssen wir Billionen intelligenter Lebewesen aus unserer Galaxis evakuieren. Wir werden die schnellsten und größten Schiffe benötigen, die wir bauen können, und wir werden so viele benötigen, wie wir nur kriegen. Wir brauchen den Antrieb der Puppenspieler jetzt, damit wir schon jetzt anfangen können, ihn zu verbessern. Der…«
»Okay. Ich komme mit.«
Louis verlor das Konzept. »Wie bitte?«
»Ich komme mit.«
»Du bist verrückt!«
»Du fährst doch mit, oder nicht?«
Louis biß die Zähne zusammen und zwang sich zur Ruhe. Als er schließlich sprach, klang er ruhiger, als es der Situation angemessen schien. »Stimmt, ich fahre mit. Aber ich habe meine Gründe, und du nicht. Ich bin besser als du, wenn es ums Überleben geht, weil ich darin länger Erfahrung habe.«
»Ich habe mehr Glück als du.«
Louis schnaubte verächtlich.
»Meine Gründe sind vielleicht nicht so gut wie deine, aber sie sind gut genug!« Ihre Stimme klang hoch und schrill vor Zorn.
»Einen Tanj sind sie!«
Teela tippte auf den Bildschirm. Unter ihrem Fingernagel schimmerte das Licht eines aufgeblasenen Kommas. »Ist das vielleicht ein fadenscheiniger Grund?«
»Wir bekommen den Puppenspieler-Antrieb, ob du mitkommst oder nicht. Du hast Nessus gehört: Es gibt Tausende wie dich, die als Kandidaten in Frage kommen.«
»Und ich bin eine davon!«
»Schön, du bist eine davon.«
»Warum bist du so tanj väterlich? Habe ich dich um deinen Schutz gebeten?«
»Tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Schließlich bist du erwachsen.«
»Vielen Dank! Ich beabsichtige, eurer Crew beizutreten«, sagte Teela mit eisig formeller Stimme.
Das Höllische daran war, Teela war tatsächlich erwachsen. Nicht nur, daß Louis sie nicht zwingen konnte — jeder Versuch, sie herumzukommandieren, würde ihm als schlechtes Benehmen angelastet und (was den Punkt viel eher traf) nicht funktionieren.
Vielleicht konnte man sie ja überzeugen…
»Denk doch mal nach«, sagte Louis Wu sanft. »Nessus hat sich gewaltig angestrengt, um unsere Forschungsreise geheimzuhalten. Warum wohl? Was will er verbergen?«
»Das ist doch seine Sache, oder? Vielleicht gibt es, wo auch immer wir hinfahren, etwas zu stehlen?«
»Na und? Wir reisen zu einem Ort, der immerhin zweihundert Lichtjahre entfernt ist. Wir sind die einzigen, die so weit kommen.«
»Dann will er eben verhindern, daß man das Schiff stiehlt.«
Was auch immer an Teela ungewöhnlich sein mochte — dumm war sie nicht. Louis hatte noch gar nicht an diese Möglichkeit gedacht. »Denk an die Besatzung — zwei Menschen, ein Puppenspieler, ein Kzin. Keiner davon ist als Forscher ausgebildet.«
»Ich durchschaue deine Absicht, Louis, aber ehrlich, ich werde mitkommen. Ich bezweifle, daß du mich aufhalten kannst.«
»Dann solltest du wenigstens wissen, worauf du dich einläßt. Weshalb die gemischte Besatzung?«
»Das ist Nessus Problem.«
»Ich würde sagen, es ist auch unseres. Nessus erhält seine Befehle direkt von Denen-die-Führen, aus dem Hauptquartier der Puppenspieler sozusagen. Ich glaube, er hat erst vor ein paar Stunden herausgefunden, was diese Befehle wirklich bedeuten. Jetzt hat er schreckliche Angst. Diese… diese Überlebenspriester haben vier Spiele gleichzeitig am Laufen, ganz zu schweigen von dem, was wir erforschen werden.«
Er bemerkte Teelas Interesse und fuhr fort: »Zum ersten ist da Nessus. Wenn der Puppenspieler verrückt genug ist, auf einer unbekannten Welt zu landen, kann er dann möglicherweise vernünftig genug sein, um dieses Abenteuer zu überleben? Die-die-Führen müssen das herausfinden. Nachdem die Puppenspieler die Magellanschen Wolken erreicht haben, müssen sie ein neues Handelsimperium errichten. Und das Rückgrat ihres Handels sind ihre Verrückten!
Zweitens, unser pelziger Freund. Als Gesandter bei einer fremden Rasse müßte er eigentlich zu den kultiviertesten Kzinti gehören. Ist er kultiviert genug, um mit uns anderen auszukommen? Oder wird er uns umbringen, um Platz zu haben und frisches Fleisch?
Und drittens du und dein vorgebliches Glück. Wenn das nicht das blauäugigste Forschungsprojekt ist, von dem ich je gehört habe!
Viertens ich, Louis Wu, ein wahrscheinlich typischer Abenteurer. Vielleicht bin ich die Kontrollperson.
Weißt du, was ich denke?« Louis stand inzwischen über dem Mädchen und hämmerte ihr seine Worte mit einer Technik ein, die er bei einem verlorenen Wahlkampf für die UN gelernt hatte, als er Mitte siebzig gewesen war. Er wollte Teela Brown unter keinen Umständen unter Druck setzen, aber er wünschte sich verzweifelt, er könnte sie überzeugen. »Den Puppenspielern ist es vollkommen egal, zu welchem Planeten wir aufbrechen! Warum auch nicht? Sie verlassen doch sowieso unsere Galaxis. Sie stellen unser kleines Team auf eine Zerreißprobe! Und bevor wir alle umkommen, lernen sie eine Menge darüber, wie wir untereinander agieren!«