»Ich beabsichtige, die Long Shot meinem Volk zu überbringen. Nach ihrem Vorbild werden wir viele Schiffe bauen, die uns im nächsten Krieg gegen die Menschen eindeutig überlegen machen, vorausgesetzt, die Menschen haben nicht ebenfalls Pläne für dieses Schiff. Genügt Ihnen das?«
»Sie haben nicht zufällig Angst vor unserem Zielort?« fragte Louis Wu sarkastisch.
»Nein.« Die Beleidigung entging dem Alien völlig. Wie sollte man einem Kzin Sarkasmus begreiflich machen? »Sie werden sich jetzt alle ausziehen, damit ich sicher sein kann, daß Sie keine Waffen mehr tragen. Anschließend wird der Puppenspieler seinen Druckanzug wieder anlegen. Ich werde mit ihm zusammen an Bord der Long Shot gehen. Louis und Teela bleiben zurück. Ich werde Ihre Kleidung, Ihr Gepäck und Ihre Druckanzüge mitnehmen und dieses Schiff manövrierunfähig machen. Zweifellos werden die Outsider neugierig werden, warum Sie nicht zur Erde zurückgekehrt sind, und zu Hilfe kommen, bevor Ihre Lebenserhaltungssysteme versagen können. Haben Sie alle verstanden?«
Louis war völlig entspannt und bereit, jeden Fehler auszunutzen, den der Kzin beging. Er warf einen Seitenblick zu Teela, und eisiger Schreck fuhr ihm in die Glieder. Sie spannte ihre Muskeln, um sich auf den Kzin zu stürzen!
Er würde sie in Stücke hauen!
Louis mußte ihr zuvorkommen.
»Machen Sie keine Dummheiten, Louis! Stehen Sie langsam auf und stellen Sie sich dort an die Wand! Sie sind der erste, den ich… Aaah.«
Seine Worte verklangen in einem schmachtenden Stöhnen.
Louis hielt überrascht inne. Er konnte sich nicht erklären, was er sah.
Der-zu-den-Tieren-spricht warf den schweren orangefarbenen Kopf zurück und miaute: Ein unheimliches Kreischen, durchsetzt von Ultraschall. Er breitete die Arme aus, als wollte er das gesamte Universum umarmen. Die Drahtklinge seines Schwerts ging durch einen Wassertank, ohne merklich aufgehalten zu werden. Wasser ergoß sich aus dem zersägten Behälter. Der Kzin bemerkte es nicht. Seine Augen sahen nichts, und seine Ohren hörten nichts.
»Nehmen Sie ihm die Waffe ab!« befahl Nessus.
Louis setzte sich in Bewegung. Vorsichtig trat er auf den Kzin zu, bereit, sich zu ducken, falls das Schwert in seine Richtung schwang. Der-zu-den-Tieren-spricht winkte mit der Waffe wie mit einem Taktstock. Vorsichtig wand Louis den Griff aus der widerstandslosen Faust des Kzin. Er berührte den entsprechenden Schalter, und die rote Kugel fuhr zurück, bis sie wieder im Griff saß.
»Behalten Sie das Ding«, befahl Nessus. Er packte den Kzin mit einem seiner Münder am Arm und führte ihn zur Pilotenliege. Der Kzin wehrte sich nicht. Er hatte inzwischen aufgehört zu miauen, doch die schwarz umrandeten Augen starrten in die Unendlichkeit, und auf dem großen behaarten Katzengesicht spiegelte sich grenzenlose Gelassenheit.
»Was ist passiert? Was haben Sie gemacht?« fragte Louis.
Der-zu-den-Tieren-spricht starrte in die Unendlichkeit und schnurrte.
»Passen Sie auf«, sagte der Puppenspieler. Er zog sich vorsichtig von der Liege und dem Kzin zurück. Die beiden flachen Köpfe waren fest auf das Katzenwesen gerichtet. Die Augen des Puppenspielers ließen den Kzin nicht einen Moment los.
Plötzlich kam wieder Leben in den Kzin. Er blickte gehetzt von Louis zu Teela und von Teela zu Nessus. Er gab dumpfe, fauchende Klagelaute von sich, setzte sich auf und wechselte zu Interspeak:
»Das war wunderschön. Ich wünschte…«
Er hielt inne und blinzelte. »Was auch immer Sie getan haben, machen Sie es nicht noch einmal«, grollte er Nessus an.
»Ich hatte Sie für zivilisiert gehalten«, entgegnete Nessus gleichmütig. »Mein Urteil war richtig. Nur ein zivilisiertes Wesen fürchtet sich vor einem Tasp.«
»Ah!« seufzte Teela.
»Tasp?« wiederholte Louis verwundert.
Der Puppenspieler wandte sich an das Tigerwesen. »Sie wissen, daß ich den Tasp jedesmal gegen Sie einsetzen werde, wenn Sie mich dazu zwingen, Sprecher-zu-den-Tieren! Ich werde ihn einsetzen, sobald Sie mich erschrecken oder mir drohen. Wenn Sie zu häufig Gewalt anzuwenden versuchen, werden Sie schon bald süchtig nach dem Tasp sein. Das Gerät ist ein chirurgisches Implantat. Sie müßten mich töten, um in den Besitz meiner Waffe zu gelangen. Trotzdem wären Sie weiterhin süchtig danach. Sehr würdelos.«
»Sehr geschickt«, gestand Der-zu-den-Tieren-spricht. »Eine brillant unorthodoxe Taktik. Ich werde keine weiteren Schwierigkeiten machen.«
»Tanj! Will mir endlich jemand erklären, was ein Tasp ist?«
Louis’ Unkenntnis schien alle zu überraschen. Es war Teela, die ihm schließlich antwortete. »Ein Tasp stimuliert das Lustzentrum im Gehirn.«
»Aus der Entfernung?« Louis hatte nicht einmal gewußt, daß so etwas theoretisch möglich war.
»Sicher. Er bewirkt das gleiche wie Strom für einen Drahtkopf, nur, daß du keinen Draht in dein Gehirn implantieren mußt. Normalerweise ist ein Tasp so groß, daß man ihn eben mit einer Hand halten kann.«
»Hast du schon mal einen Tasp zu spüren bekommen? Nicht, daß es mich etwas anginge.«
Teela grinste spöttisch wegen seines Taktgefühls. »Ja, ich weiß, wie es sich anfühlt. Es ist ein Augenblick der… ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Aber man wendet einen Tasp nie gegen sich selbst an. Man richtet ihn auf jemanden, der nicht darauf gefaßt ist. Das macht erst richtig Spaß. Die Polizei greift andauernd Tasper in den Parks auf.«
»Ihre Tasps«, meldete sich Nessus zu Wort, »induzieren nicht einmal für eine Sekunde Strom. Meiner wirkt etwa zehn Sekunden lang.«
Die Wirkung auf Der-zu-den-Tieren-spricht mußte ungeheuerlich gewesen sein. Louis sah andere Implikationen. »Oh. Wow! Das ist wunderbar. Das ist herrlich! Wer außer einem Puppenspieler würde mit einer Waffe durch die Gegend laufen, die seinen Feinden gut tut?«
»Wer außer einem stolzen, zivilisierten Wesen würde sich vor zuviel Lust fürchten? Der Puppenspieler hat ganz recht«, fauchte Derzu-den-Tieren-spricht. »Ich werde mich nicht mehr diesem Tasp aussetzen. Zu viele Stromstöße von diesem Teufelsding würden mich zu einem willenlosen Sklaven machen. Ich, ein Kzin, versklavt von einem Blätteresser!«
»Wir haben genug Zeit mit Unsinn vergeudet«, sagte Nessus ernst. »Gehen wir endlich an Bord!«
Louis war der erste an Bord der Long Shot.
Er war nicht überrascht, als seine Beine auf Nereids felsiger Oberfläche unwillkürlich zu tanzen versuchten. Louis wußte, wie man sich in niedriger Gravitation bewegte. Doch sein Unterbewußtsein beharrte stur darauf, daß die Gravitation beim Betreten der Long Shot wieder zunahm. Gewappnet für den Wechsel stolperte er und wäre fast gefallen, als die Gravitation unverändert schwach blieb.
»Ich weiß, daß sie damals schon künstliche Gravitation hatten«, brummte er und betrat die Kabine. »… oh.«
Die Kabine war primitiv. Überall gab es Ecken und Kanten, um sich Knie und Ellbogen zu stoßen. Alles war sperriger als nötig. Die Kontrollen waren unmöglich angeordnet…
Schlimmer noch — die Kabine war klein. Es hatte künstliche Gravitation gegeben, als man die Long Shot gebaut hatte — doch selbst in diesem riesigen Schiff war nicht genügend Raum für die Maschinen geblieben. Es gab kaum Platz für einen Piloten.
Instrumentenkonsole und Massendetektor, eine Küchenautomatik, eine Pilotenliege und dahinter ein winziger freier Raum, in dem ein Mann nicht einmal stehen konnte, ohne den Kopf einzuziehen.
Louis zwängte sich in den freien Raum und fuhr die Klinge des Varioschwerts auf einen Meter aus.
Der-zu-den-Tieren-spricht kam selbstbewußt und zeitlupenhaft langsam an Bord. Er zwängte sich ohne anzuhalten an Louis vorbei und kletterte in die obere Kabine hinauf.