Der Kzin, der direkt hinter dem Puppenspieler gesessen hatte, trat vor.
Ein dichtes Fell in hellem Orange. Über den Augen schwarz gefleckt. Alles in allem eine fette Tigerkatze von zweieinhalb Metern Größe. Nur, daß das »Fett« in Wirklichkeit Muskeln waren, geschmeidige, kraftvolle Muskeln, die sich merkwürdig verteilt über einen ebenso merkwürdigen Torso spannten. Aus den Fingerspitzen von Händen, die aussahen wie glatte schwarze Lederhandschuhe, glitten geschärfte und polierte Krallen.
Eine Vierteltonne intelligenten Raubtiers ragte drohend über dem Puppenspieler auf. »Verraten Sie mir doch, warum Sie meinen, den Patriarchen von Kzin ungestraft beleidigen zu können?«
Der Puppenspieler antwortete ohne Zögern und ohne jede Spur von Zittern in der Stimme. »Ich habe auf einem Planeten im System Beta Lyrae einen Kzin mit Namen Chuft-Captain getreten, daß ihm drei Streben seines Endoskeletts zerbrachen… Ich suche einen Kzin mit Mumm in den Knochen.«
»Fahren Sie fort«, sagte der Kzin mit den schwarz umrandeten Augen. Trotz der Beschränkungen durch die anatomischen Eigenheiten sprach er ein akzentfreies Interspeak. Seine Stimme verriet nichts von der Wut, die ihn erfüllen mußte. Im Gegenteil, Kzin und Puppenspieler zeigten derart wenig Emotionen, daß Louis fast meinte, irgendein langweiliges Ritual zu verfolgen.
Auf dem Tisch der Kzinti standen Schüsseln mit rohem Fleisch, unmittelbar vor dem Servieren auf Körpertemperatur erwärmt. Jetzt grinsten alle vier.
»Dieser Mensch und ich«, fuhr der Puppenspieler fort, »werden einen Ort im Weltall erforschen, von dem kein Kzin jemals auch nur geträumt hat. Wir brauchen einen Kzin in unserem Team. Welcher Kzin ist mutig genug, dorthin zu gehen, wohin ein Puppenspieler ihn führt?«
»Man sagt, die Puppenspieler seien Pflanzenfresser und führten von der Schlacht weg, anstatt hinein.«
»Das können Sie selbst beurteilen. Ihr Lohn, falls Sie überleben, sind die Pläne für einen neuen, schnellen Raumschifftyp, plus einem Modell des Schiffes selbst. Meinetwegen betrachten Sie das als Gefahrenzulage.«
Der Puppenspieler scheut keine Mühe, den Kzin bis zum Äußersten herauszufordern, dachte Louis. Man bietet einem Kzin niemals eine Gefahrenzulage an. Ein Kzin weiß gar nicht, was Gefahr ist.
Der Kzin erwiderte nur: »Ich nehme an.«
Die anderen drei fauchten.
Der erste fauchte zurück.
Ein Kzin allein klang wie kämpfende Katzen. Vier Kzinti in einem hitzigen Streit klangen wie ein größerer Katzenkrieg. Die Schallunterdrücker des Restaurants schalteten sich automatisch ein, und aus dem Fauchen wurde ein leises gedämpftes Geräusch, das allerdings nicht ganz aufhörte.
Louis bestellte einen weiteren Drink. Wenn man die Geschichte der Kzinti bedachte, jedenfalls soweit Louis sie kannte, dann beherrschten sich diese vier Vertreter ganz vorzüglich. Der Puppenspieler lebte noch.
Der Streit erstarb, und die vier Kzinti wandten sich wieder zu Louis und dem Pierson-Puppenspieler um. Der Kzin mit den schwarz umrandeten Augen fragte: »Wie heißen Sie?«
»Unter Menschen nenne ich mich Nessus«, erwiderte der Puppenspieler. »Mein wirklicher Name lautet…« orchestrale Musik ertönte aus den bemerkenswerten Mündern des Puppenspielers.
»Also schön, Nessus. Wir sind die Botschafter Kzins auf der Erde. Dies ist Harch, das dort ist Ftanss, jener dort mit den gelben Streifen ist Hroth. Ich bin Neuling und ein Kzin niederer Geburt, und ich trage keinen Namen. Ich werde nach meinem Beruf genannt: Derzu-den-Tieren-spricht.«
Louis konnte sich kaum noch zügeln.
»Unser Problem ist, daß wir hier benötigt werden. Komplizierte Verhandlungen… doch das ist nicht Ihre Angelegenheit. Wir haben entschieden, daß ich allein entbehrlich bin. Wenn der neue Schiffstyp wert ist, was Sie versprechen, schließe ich mich Ihrer Crew an. Wenn nicht, muß ich meinen Mut auf andere Weise demonstrieren.«
»Das ist zufriedenstellend«, erwiderte der Puppenspieler und erhob sich.
Louis blieb sitzen. »Und wie heißen Sie in der Sprache Ihres Volkes?« fragte Louis den Kzin.
»In der Heldensprache…« Ein Fauchen, das die Tonleiter hinaufkletterte.
»Und warum haben Sie diesen Namen nicht genannt? Sollte das eine absichtliche Beleidigung sein?«
»Ja«, erwiderte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Man hat mich herausgefordert.«
Louis war auf eine Lüge gefaßt gewesen. Dann hätte er so getan, als glaubte er dem Kzin, und der Kzin wäre in Zukunft höflicher geworden. Doch jetzt war es zu spät für einen Rückzieher… Louis zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor er fragte: »Wie lautet der Brauch?«
»Wir müssen mit bloßen Händen kämpfen, sobald Sie mich in aller Form fordern. Oder einer von uns beiden muß sich entschuldigen.«
Louis erhob sich. Er beging Selbstmord; aber er hatte tanj gewußt, wie der Brauch lautete. »Ich fordere Sie zum Duell«, knurrte er. »Zahn um Zahn und Kralle um Fingernagel. Wir können nicht in Frieden das gleiche Universum teilen!«
Ohne den Kopf zu heben, sprach der Kzin, der als Hroth vorgestellt worden war. »Ich muß mich für meinen Bruder Der-zu-denTieren-spricht entschuldigen«, murmelte er.
»Bitte?« fragte Louis erstaunt.
»Das ist meine Funktion«, sagte der Kzin mit dem gelb gestreiften Fell. »Es liegt in unserer Natur, immer wieder in Situationen zu geraten, wo wir kämpfen oder uns entschuldigen müssen. Wir wissen, was geschieht, wenn wir kämpfen. Wie der Kampf für uns ausgeht. Heute gibt es nur noch ein Achtel so viele Kzinti wie damals, als wir auf die Menschen stießen. Unsere Koloniewelten gehören jetzt euch. Unsere Sklavenrassen sind frei und lernen menschliche Technologie und menschliche Ethik. Wenn wir die Wahl haben zwischen Kampf und Entschuldigung, trete ich in meiner Funktion als Vermittler auf und biete eine Entschuldigung an.«
Louis setzte sich wieder. Es schien, als würde er überleben. »Ich würde Ihre Arbeit nicht für Geld machen wollen«, sagte er.
»Da haben Sie recht — wenn Sie bereit sind, mit bloßen Händen gegen einen Kzin zu kämpfen. Aber der Patriarch hat mich als nutzlos für jede andere Arbeit eingestuft«, erwiderte der gestreifte Kzin. »Meine Intelligenz ist niedrig, meine Gesundheit schlecht, meine Geschicklichkeit entsetzlich. Wie sonst soll ich meinen Namen behalten?«
Louis nippte an seinem Drink und wünschte, jemand würde das Thema wechseln. Er fand den unterwürfigen Kzin peinlich.
»Laßt uns essen«, sagte der Kzin mit Namen Der-zu-den-Tierenspricht. »Es sei denn, unsere Mission ist dringend, Nessus.«
»Überhaupt nicht. Unsere Mannschaft ist noch nicht komplett. Meine Kollegen werden mich benachrichtigen, sobald sie einen qualifizierten vierten Mann gefunden haben.«
KAPITEL ZWEI
… UND SEINE BUNTGESCHECKTE MANNSCHAFT
Louis Wu kannte Leute, die ihre Augen schlossen, wenn sie eine Transferkabine benutzten. Der rasche Wechsel der Umgebung löse bei ihnen Schwindelanfälle aus, behaupteten sie. Für Louis war das Unsinn; andererseits hatten einige seiner Freunde noch viel seltsamere Anwandlungen.
Er behielt die Augen offen, während er wählte. Die Aliens, die ihn beobachtet hatten, verschwanden. Jemand rief: »Hallo! Louis ist zurück!«
An der Tür entstand ein Auflauf. Louis mußte die Tür gegen den Andrang öffnen. »Ihr widerlichen Narren! Ist denn noch keiner von euch nach Hause gegangen?« Er breitete die Arme aus, um sie alle einzuschließen, schob sich wie ein Schneepflug nach vorne und drängte sie von der Kabine zurück. »Macht Platz, ihr Stoffel! Ich erwarte noch mehr Gäste!«