Sie überflogen ein weiteres Meer und ein großes dreieckiges Flußdelta. Das Flußbett war trocken, genau wie das Delta. Änderungen in der Windrichtung hatten anscheinend die Quellen versiegen lassen.
Louis ging tiefer, und es wurde deutlich, daß all die scheinbar willkürlichen, mäandernden Kanäle und Rinnen, aus denen das Delta bestand, absichtlich und permanent in das Land gestanzt worden waren. Die Ringweltschöpfer hatten sich nicht damit zufrieden gegeben, daß der Fluß sich sein eigenes Bett suchte. Sie hatten gut daran getan: die Bodenschicht der Ringwelt war einfach nicht dick genug. Eingriffe von außen waren notwendig.
Doch die leeren Kanäle waren häßlich. Louis schürzte mißbilligend die Lippen und zog wieder hoch.
KAPITEL VIERZEHN
ZWISCHENSPIEL MIT SONNENBLUMEN
Nicht weit voraus lagen Berge.
Louis war die ganze Nacht bis weit in den Morgen hinein weitergeflogen. Er wußte nicht genau, wie spät es war. Die bewegungslose Sonne war eine psychologische Falle; entweder schien sie die Zeit zu dehnen oder zu komprimieren, und Louis wußte nie genau, was von beidem.
Louis fühlte sich wie in seinem Sabbatjahr. Er hatte die anderen Flugräder fast vergessen. Es war kein großer Unterschied, ob man allein in einem Einmannschiff zwischen unbekannten Sternen unterwegs war oder über ein nicht enden wollendes, sich unentwegt veränderndes Terrain flog. Louis Wu war allein mit dem Universum, und das Universum war Louis Wus Spielzeug. Die Frage, ob Louis Wu noch immer mit sich zufrieden war, wurde zur wichtigsten Frage in diesem Universum.
Er schrak zusammen, als sich über der Konsole ein kleiner orangefarbener Kopf formte.
»Sie müssen allmählich müde sein«, sagte der Kzin. »Möchten Sie, daß ich weiterfliege?«
»Ich würde lieber landen. Ich bin schon ganz steif.«
»Dann landen Sie. Sie steuern die Räder.«
»Ich will niemandem meine Gesellschaft aufzwingen.« Während er es sagte, erkannte Louis, daß er es tatsächlich so meinte. Die Sabbatjahrstimmung hatte ihn wieder in den Bann gezogen.
»Meinen Sie, Teela will Sie nicht sehen? Vielleicht haben Sie recht; Sie hat sich nicht einmal mit mir in Verbindung gesetzt, obwohl ich die gleiche Schande trage wie sie.«
»Sie nehmen es zu tragisch, Sprecher-zu-den-Tieren. Nein, warten Sie! Schalten Sie nicht wieder ab!«
»Ich möchte alleine sein, Louis. Der Blätteresser hat schreckliche Schande über mich gebracht.«
»Aber das ist schon lange her! Nein, schalten Sie nicht ab! Zeigen Sie ein wenig Mitleid mit einem einsamen alten Mann. Haben Sie die Landschaft beobachtet?«
»Ja.«
»Sind ihnen die blanken Stellen aufgefallen?«
»Ja. An manchen Stellen hat die Erosion sich bis zum unzerstörbaren Fundament durchgefressen. Irgend etwas muß vor langer Zeit die Windströmungen furchtbar durcheinanderwirbelt und angeheizt haben. Derartige Erosion kommt nicht über Nacht, selbst auf der Ringwelt nicht.«
»Genau.«
»Louis, wie kann eine Zivilisation von solcher Macht und Größe untergehen?«
»Ich weiß es nicht. Sehen wir den Tatsachen ins Auge; wir wissen es einfach nicht, und wir haben zu wenig Informationen. Selbst die Puppenspieler haben das technologische Niveau der Ringwelt nie erreicht. Woher sollen wir wissen, was sie bis in die Steinzeit zurückgeworfen hat?«
»Wir müssen mehr über die Eingeborenen in Erfahrung bringen«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Bisher deutet alles darauf hin, daß sie keine Hilfe sind, um die Lying Bastard irgendwohin zu schleppen. Wir müssen jemanden finden, der es kann.«
Es war die Eröffnung, auf die Louis gehofft hatte. »Was das anbetrifft, so habe ich ein paar Ideen… ein effektiver Weg, so oft mit den Eingeborenen in Kontakt zu treten, wie wir wollen.«
»Und?«
»Ich würde gerne landen, bevor wir uns darüber unterhalten.«
»Dann lassen Sie uns landen.«
Ein Gebirgszug bildete eine hohe, massive Barriere auf dem Weg der Flugräder. Die Berge und dazwischenliegenden Pässe schimmerten in einem perlmuttfarbenen Glanz, den Louis wiedererkannte. Stürme hatten den Fels abgetragen und das Ringweltfundament freigelegt.
Louis steuerte die Räder auf sanft gerundete Gebirgsausläufer zu. Sein Ziel war eine Schlucht, aus der ein silberner Wasserlauf trat, um kurz darauf wieder in einem schier endlos erscheinenden Wald zu verschwinden, der die Randgebirge wie ein grüner Pelz überzog.
Teela meldete sich. »Was hast du vor?« erkundigte sie sich.
»Ich lande. Ich bin es leid, immer nur zu fliegen. Aber schalt nicht gleich wieder ab. Ich würde mich gerne entschuldigen.«
Sie schaltete ab.
»Mehr konnte ich wahrscheinlich für den Augenblick nicht erhoffen«, murmelte Louis ohne rechte Überzeugung. Doch sie würde jetzt eher geneigt sein zuzuhören, da sie wußte, daß eine Entschuldigung auf sie wartete.
»Die Idee kam mir während unserer Unterhaltung über das Gottspielen«, begann Louis. Unglücklicherweise redete er allein mit Derzu-den-Tieren-spricht. Teela war von ihrem Flugrad abgestiegen, hatte Louis einen zornsprühenden Blick zugeworfen und war in den Wald davongestapft.
Der-zu-den-Tieren-spricht nickte mit dem zotteligen orangefarbenen Kopf. Seine Ohren zuckten wie kleine Chinafächer in nervösen Händen.
»Wir sind vermutlich relativ sicher auf dieser Welt«, erzählte ihm Louis. »Jedenfalls solange wir uns in der Luft befinden. Es steht außer Frage, daß wir unser Ziel erreichen können. Wahrscheinlich könnten wir zum Randwall fliegen, ohne zwischenzeitlich auch nur ein einziges Mal zu landen, wenn es darauf ankäme… oder wir landen nur dort, wo das Ringweltfundament freiliegt. Kein Raubtier könnte sich lange dort halten.
Aber wenn wir nie landen, werden wir auch keine Informationen sammeln. Wir wollen dieses überdimensionierte Spielzeug irgendwie wieder verlassen, und um das zu tun, benötigen wir die Hilfe von Eingeborenen. Es sieht noch immer ganz danach aus, als müßten wir die Lying Bastard vierhunderttausend Meilen weit über Land ziehen.«
»Kommen Sie endlich zur Sache, Louis. Ich brauche Bewegung.«
»Bis wir den Rand erreicht haben, werden wir eine ganze Menge mehr über die Ringweltler wissen als zum jetzigen Zeitpunkt.«
»Das steht außer Frage.«
»Und warum spielen wir dann nicht Gott?«
Der-zu-den-Tieren-spricht zögerte. »Meinen Sie das wortwörtlich?«
»Sicher. Die Rolle der Ringweltkonstrukteure ist uns auf den Leib geschrieben. Wir besitzen zwar nicht die Macht, die sie einst hatten, aber was wir haben, muß den Eingeborenen gottgleich genug erscheinen. Sie spielen den Gott…«
»Danke sehr.«
»… Teela und ich sind Ihre Akolythen. Nessus würde einen guten gefangenen Dämon abgeben.«
Der-zu-den-Tieren-spricht fuhr die Krallen aus. »Nessus ist nicht bei uns, und daran wird sich nichts ändern.«
»Das ist der Haken bei der Sache. In…«
»Das steht nicht zur Debatte, Louis.«
»Zu schade. Wir brauchen ihn, damit er seinen Teil der Arbeit erledigt.«
»Vergessen Sie’s.«
Louis wußte immer noch nicht, was er von den Krallen des Kzin halten sollte. Kontrollierte er sie bewußt oder nicht? Wie auch immer, sie waren jedenfalls ausgefahren. Hätte Der-zu-den-Tierenspricht über Interkom mit Louis geredet, er hätte jetzt sicher wieder abgeschaltet.
Was der Grund war, aus dem Louis auf einer Landung bestanden hatte.
»Sehen Sie die Sache doch einmal vom Standpunkt der reinen intellektuellen Schönheit. Sie würden einen großartigen Gott abgeben. Aus der Sicht eines Menschen sind Sie beeindruckend wie Gott weiß was — obwohl Sie sich in dieser Hinsicht wahrscheinlich mit meinem Wort zufrieden geben müssen.«