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»Wieso das? Anoxie ist gefährlich!«

»Sie hat einfach zuviel Glück«, antwortete Nessus.

KAPITEL ACHTZEHN

DAS GLÜCK DER TEELA BROWN

Es herrschte finsterste Nacht, als sie aus der Iris des Sturmauges heraus waren. Die Sterne waren nicht zu sehen, und nur gelegentlich schimmerte schwaches blaues Licht vom Bogen durch einen Riß in der Wolkendecke.

»Ich habe nachgedacht«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Nessus, Sie dürfen sich uns wieder anschließen, wenn Sie möchten.«

»Das möchte ich«, erwiderte der Puppenspieler.

»Wir brauchen Ihre Einblicke als Alien. Sie haben großen Einfallsreichtum demonstriert. Sie werden begreifen, daß ich das Verbrechen nicht vergessen kann, das Ihre Rasse gegen die meine begangen hat.«

»Ich will versuchen, Ihre Einstellung zu respektieren, Sprecher-zuden-Tieren.«

Louis bemerkte diesen Triumph der Praxis über die Ehre und der Intelligenz über die Xenophobie kaum. Er suchte die Stelle, wo die ausgedehnte Wolkenbank den unendlichen Horizont traf, nach Teela Browns Kondensstreifen ab. Es war keine Spur mehr zu sehen.

Teela war noch immer bewußtlos. Ihr Interkombild bewegte sich unruhig, und Louis rief: »Teela!« Doch sie reagierte nicht.

»Wir haben uns in ihr getäuscht«, sagte Nessus. »Aber ich verstehe nicht wieso. Warum sind wir abgestürzt, wenn ihr Glück derart mächtig ist?«

»Genau das habe ich Louis auch gesagt!«

»Aber«, fuhr der Puppenspieler fort, »wenn ihr Glück nicht von Dauer ist — wie hat sie dann den Notschub aktivieren können? Ich glaube, ich hatte von Anfang an recht. Teela Brown hat physisches Glück.«

»Und warum wurde sie dann von Ihnen gefunden? Warum stürzte die Lying Bastard ab? Haben Sie darauf auch eine Antwort?«

»Hören Sie auf«, sagte Louis.

Sie ignorierten ihn. Nessus erwiderte: »Ihr Glück ist eindeutig unzuverlässig.«

»Wenn ihr Glück sie auch nur einmal im Stich gelassen hätte, wäre sie längst tot.«

»Wäre sie tot oder hätte sie sich einmal verwundet, würde ich sie nicht mitgenommen haben. Ich nehme an, es war einfach Zufall«, sagte Nessus. »Vergessen Sie nicht, Sprecher-zu-den-Tieren, daß die Wahrscheinlichkeitsgesetze den Zufall nicht nur gestatten, sondern sogar vorsehen.«

»Aber sie sehen keine Zauberei vor. Ich glaube nicht, daß man Glück züchten kann.«

»Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben«, warf Louis ein.

Diesmal hörten sie auf ihn. Er fuhr fort: »Ich hätte viel eher darauf kommen müssen. Nicht, weil sie andauernd irgendwelchen Debakeln entging. Es waren die kleinen Dinge. Dinge in ihrer Persönlichkeit. Sie ist ein Glückskind, Sprecher. Glauben Sie mir.«

»Louis, wie können Sie nur diesen Unsinn glauben?«

»Sie hat sich niemals verletzt. Noch nie im Leben.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Ich weiß es eben. Sie weiß alles über Vergnügen, aber nichts über Schmerz. Erinnern Sie sich, als die Spiegelblumen auf Sie schossen? ›Ich bin geblendet!‹ sagten Sie. Und Teela erwiderte: ›Ja, aber können Sie sehen!‹ Sie glaubte Ihnen nicht.

Und dann, ja, direkt nach unserem Absturz. Sie versuchte barfuß über einen Lavahang zu laufen, der noch glühend heiß war.«

»Sie ist nicht besonders intelligent, Louis.«

»Sie ist intelligent, tanj! Sie hat sich nur einfach noch niemals verletzt! Als sie sich die Füße verbrannte, rannte sie schnurstracks den Hang hinunter auf eine Fläche, die ein Dutzendmal schlüpfriger ist als Eis — haben Sie sie etwa fallen gesehen? Nein.

Aber soviel Einzelheiten braucht man gar nicht«, sagte Louis. »Man muß nichts weiter tun, als ihren Gang zu beobachten. Ungeschickt. Es sieht aus, als würde sie jede Sekunde über irgend etwas stolpern oder hinfallen. Doch das geschieht nicht. Sie stößt sich nicht die Ellbogen an irgendwelchen Kanten. Sie verschüttet keine Flüssigkeiten, und sie läßt nichts fallen. Noch nie im Leben. Sie hat nie gelernt aufzupassen, verstehen Sie? Also ist sie auch nicht elegant.«

»So etwas fällt Nichtmenschen nicht ohne weiteres auf«, sagte Derzu-den-Tieren-spricht zweifelnd. »Ich muß Ihnen Glauben schenken, Louis. Trotzdem — wie kann ich an physisches Glück glauben?«

»Ich tue es auch. Mir bleibt gar nichts anderes übrig.«

»Wäre Teela Browns Glück zuverlässig«, sagte Nessus, »dann wäre sie niemals auf die Idee gekommen, über kürzlich erstarrte Lava zu laufen. Und doch schützt das Glück von Teela Brown sporadisch auch uns. Beruhigend, nicht wahr? Sie drei wären längst tot, hätten die Wolken Sie nicht abgeschirmt, als Sie das Spiegelblumenfeld überquerten.«

»Ja«, stimmte Louis zu, und er erinnerte sich, daß die Wolken gerade lange genug aufgerissen waren, um Der-zu-den-Tieren-spricht zu verbrennen. Er erinnerte sich an die neun Stockwerke Treppen, die Teela Brown hinaufgefahren war, während Louis hatte laufen müssen. Er spürte die Pflaster auf seinen Fingern und erinnerte sich an die bis auf die Knochen verbrannte Hand von Der-zu-den-Tierenspricht, während Teela Browns Translatorscheibe in ihrer Satteltasche geschmolzen war, ohne Schaden anzurichten. »Teelas Glück beschützt sie um einiges besser als uns«, sagte er.

»Warum auch nicht. Sie wirken aufgebracht, Louis.«

»Vielleicht bin ich das…« Ihre Freunde hatten wahrscheinlich schon lange aufgehört, von ihren Sorgen zu erzählen. Teela verstand nicht, was Sorgen waren. Teela Schmerz zu beschreiben war, als wollte man einem Blinden Farben beschreiben.

Herzschlingern? Teela hatte sich niemals unglücklich verliebt. Der Mann, den sie wollte, kam zu ihr und blieb, bis sie seiner fast überdrüssig war, um dann freiwillig wieder zu gehen.

Sporadisch oder nicht — Teelas seltsame Gabe machte sie… ein wenig anders als andere Menschen. Sie war eine Frau, sicherlich, doch mit anderen Talenten und Stärken… und natürlich Schwächen. Und sie war eine Frau, die Louis geliebt hatte. Sehr, sehr eigenartig.

»Sie hat mich ebenfalls geliebt«, sinnierte Louis. »Seltsam. Ich bin gar nicht ihr Typ. Und wenn sie sich nicht in mich verliebt hätte, dann…«

»Was ist, Louis? Reden Sie mit mir?«

»Nein, Nessus. Ich rede mit mir selbst…« War das der wahre Grund, aus dem Teela sich Louis Wu und seiner buntgescheckten Mannschaft angeschlossen hatte? Dann war ihr Glück ein zweischneidiges Schwert. Glück hatte Teela Brown einen unpassenden Mann lieben lassen und sie motiviert, sich einer sowohl unbequemen als auch vom Pech verfolgten Expedition anzuschließen, so daß sie mehrere Male nur um Haaresbreite einem gewaltsamen Tod entronnen war. Es ergab keinen Sinn.

Teelas Interkombild rührte sich. Ein verständnisloser Blick aus leeren Augen… Verwirrung… und plötzlich nacktes Entsetzen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie nach unten. Ihr sonst so liebliches Gesicht war von wahnsinniger Angst verzerrt.

»Ruhig«, sagte Louis. »Ganz ruhig. Entspann dich. Du bist außer Gefahr.«

»Aber…« Ihre Stimme war ein Falsettquieken.

»Wir sind wieder draußen. Wir haben es weit hinter uns gelassen. Sieh dich um. Tanj! Sieh dich endlich um!«

Sie drehte sich um. Einen langen Augenblick sah Louis nur ihr weiches dunkles Haar. Als sie wieder in die Kamera sah, hatte sie sich besser unter Kontrolle.

»Nessus«, sagte Louis. »Erzählen Sie ihr, was sie tun muß.«

Der Puppenspieler sagte: »Sie sind über eine halbe Stunde mit Mach Vier geflogen. Um Ihr Flugrad auf normale Geschwindigkeit zurückzubringen, schieben Sie Ihren Zeigefinger in den Schlitz mit der grünen Markierung…«