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»Die Apollohütte«, erklärte Annabeth. »Protzen immer mit ihren Geschossen – Pfeilen, Basketbällen.«

Sie kamen an einer Feuerstelle vorbei, wo zwei Jungen mit Schwertern aufeinander einschlugen.

»Echte Klingen?«, fragte Piper. »Ist das nicht gefährlich?«

»Das gibt der Sache ja gerade ihre Schärfe«, sagte Annabeth. »Äh, tut mir leid. Blödes Wortspiel. Das da ist meine Hütte. Nummer 6.« Sie nickte zu einem grauen Haus mit einer geschnitzten Eule über der Tür hinüber. Durch den offenen Eingang konnte Piper Bücherregale und Waffen sehen und eins von diesen computerisierten Smart Boards, wie es sie in Klassenzimmern gibt. Zwei Mädchen zeichneten eine Karte, die aussah wie ein Schlachtplan.

»Wo wir gerade von Klingen reden«, sagte Annabeth. »Komm mit.«

Sie führte Piper auf die andere Seite der Hütte, zu einem großen Metallschuppen, der aussah, als enthalte er Gartengeräte. Annabeth schloss die Tür auf und drinnen waren absolut keine Gartengeräte, sofern man nicht Krieg gegen Tomatensträucher führen wollte. Im Schuppen wimmelte es nur so von allen Arten von Waffen – von Schwertern bis hin zu Keulen wie der von Trainer Hedge.

»Jede Halbgottheit braucht eine Waffe«, sagte Annabeth. »Hephaistos macht die besten, aber wir haben auch eine ziemlich gute Auswahl. Athene geht es immer um Strategie – die richtige Waffe für die richtige Person zu finden. Mal sehen …«

Piper hatte nicht gerade viel Lust, Waffen shoppen zu gehen, aber sie wusste, dass Annabeth versuchte, nett zu ihr zu sein.

Annabeth reichte ihr ein riesiges Schwert, das Piper kaum anheben konnte.

»Nein«, sagten sie beide wie aus einem Munde.

Dann suchte sie weiter hinten im Schuppen und holte etwas anderes hervor.

»Ein Gewehr?«, fragte Piper.

»Mossberg 500.« Annabeth überprüfte den Abzug, als ob sie das jeden Tag machte. »Keine Angst. Menschen verletzt es nicht. Es ist darauf eingerichtet, himmlische Bronze zu verschießen, deshalb bringt es nur Monster um.«

»Äh, ich glaube, das ist nicht gerade mein Stil«, sagte Piper. »Hmm, ja«, stimmte Annabeth zu. »Zu auffällig.«

Sie legte das Gewehr zurück und wühlte in einem Regal voller Armbrüste herum, als etwas in der Ecke der Hütte Piper ins Auge fiel.

»Was ist das?«, fragte sie. »Ein Messer?«

Annabeth holte es hervor und blies den Staub von der Scheide. Es sah aus, als hätte es seit Jahrhunderten kein Tageslicht gesehen.

»Ich weiß nicht, Piper«, Annabeth klang besorgt. »Ich glaube nicht, dass das hier etwas für dich ist. Eigentlich sind Schwerter besser.«

»Du hast auch ein Messer.« Annabeth zeigte auf das Messer an Annabeths Gürtel.

»Ja, schon …« Annabeth zuckte mit den Schultern. »Na, sieh es dir an, wenn du willst.«

Die Scheide war aus abgenutztem schwarzen Leder mit Bronzebeschlägen, weder elegant noch auffällig. Der polierte hölzerne Griff lag wunderbar in Pipers Hand. Als sie das Messer aus der Scheide zog, sah sie eine fünfzig Zentimeter lange dreieckige Klinge – die Bronze funkelte, als sei sie erst gestern poliert worden. Ihr Spiegelbild in der Klinge überraschte sie. Sie sah älter aus, ernster, nicht so verängstigt, wie sie sich fühlte.

»Das steht dir«, gab Annabeth zu. »Diese Art Klinge heißt Parazonium. Sie wurde meistens für Zeremonien benutzt und von hochrangigen Offizieren in den griechischen Armeen getragen. Sie zeigte, dass du ein Mensch von Macht und Reichtum warst, und im Kampf war sie ein wunderbarer Schutz.«

»Das gefällt mir«, sagte Piper. »Warum hast du gedacht, es wäre nicht richtig für mich?«

Annabeth blies die Luft aus. »Dieses Messer hat eine lange Geschichte. Die meisten würden sich nicht trauen, es zu benutzen. Seine erste Besitzerin … na ja, mit der hat es kein gutes Ende genommen. Ihr Name war Helena.«

Das musste Piper erst einmal verdauen. »Moment mal, du meinst, die Helena? Die schöne Helena?«

Annabeth nickte.

Plötzlich hatte Piper das Gefühl, das Messer nur mit Gummihandschuhen berühren zu dürfen. »Und das liegt einfach so in deinem Werkzeugschuppen herum?«

»Wir sind hier umgeben von antikem griechischen Kram«, sagte Annabeth. »Das ist kein Museum. Solche Waffen – die sind zum Benutzen da. Sie sind unsere Erbschaft als Halbgötter. Das hier war ein Hochzeitsgeschenk des Menelaos, Helenas erstem Gatten. Sie hat den Dolch Katoptris genannt.«

»Und das bedeutet?«

»Spiegel«, sagte Annabeth. »So zum Reinschauen. Vermutlich, weil Helena es nur dazu benutzt hat. Ich glaube nicht, dass es je einen Kampf gesehen hat.«

Piper schaute wieder die Klinge an. Für einen Moment starrte ihr eigenes Spiegelbild zurück, aber dann änderte sich das Bild. Sie sah Flammen und ein grobes Gesicht, wie aus Felsen gehauen. Sie hörte dasselbe Lachen wie in ihren Träumen und sah ihren Vater in Ketten, neben einem tosenden Feuer an einen Pfahl gebunden.

Sie ließ das Messer sinken.

»Piper?« Annabeth rief zu den Apollo-Leuten auf dem Rasen hinüber. »Mediziner! Ich brauche hier ganz schnell Hilfe!«

»Nein – ist schon gut«, brachte Piper heraus.

»Ganz sicher?«

»Ja, das war bloß …« Sie musste sich zusammenreißen. Mit zitternden Fingern hob sie den Dolch auf. »Das war einfach nur zu viel. Alles, was heute passiert ist. Aber … ich würde den Dolch gern behalten, wenn dir das recht ist.«

Annabeth zögerte. Dann entließ sie die Apollo-Leute mit einer Handbewegung. »Na gut, wenn du sicher bist. Aber du warst wirklich bleich eben. Ich dachte, du hättest einen Anfall oder so.«

»Mir geht’s gut«, beteuerte Piper, obwohl ihr Herz noch immer hämmerte wie wild. »Gibt es, äh, ein Camptelefon? Kann ich mal meinen Dad anrufen?«

Annabeths graue Augen waren fast so verwirrend wie die Klinge. Sie schien eine Million Möglichkeiten durchzurechnen und zu versuchen, Pipers Gedanken zu lesen.

»Telefone sind hier nicht erlaubt«, sagte sie. »Bei den meisten Halbgöttern ist es so, als ob sie ein Signal aussendeten, das den Monstern sagt, hallo, hier bin ich, wenn sie ein Handy benutzen. Aber … ich habe eins.« Sie zog es aus der Hosentasche. »Ist gegen die Regeln, aber wenn es unter uns bleibt …«

Piper nahm das Handy dankbar an und versuchte, ihre Hände ruhig zu halten. Sie trat einen Schritt zurück und drehte sich mit dem Gesicht zur Wiese.

Sie wählte die Privatnummer ihres Dads, obwohl sie wusste, was passieren würde. Anrufbeantworter. Sie versuchte es jetzt seit drei Tagen, seit dem Traum eben. Die Wüstenschule erlaubte nur einen Anruf pro Tag, aber sie hatte es immer wieder versucht und nichts erreicht.

Widerstrebend wählte sie die andere Nummer. Sofort meldete sich die persönliche Assistentin ihres Vaters. »Büro McLean.«

»Jane«, sagte Piper und knirschte mit den Zähnen. »Wo ist mein Dad?«

Jane schwieg für einen Moment und überlegte wahrscheinlich, ob sie einfach auflegen könnte. »Piper, ich dachte, du darfst aus der Schule nicht anrufen.«

»Vielleicht bin ich ja nicht in der Schule«, sagte Piper. »Vielleicht bin ich weggelaufen, um bei den Tieren des Waldes zu leben.«

»Hmm.« Jane klang nicht besonders besorgt. »Na, ich werde ihm sagen, dass du angerufen hast.«

»Wo ist er?«

»Nicht im Haus.«

»Du weißt es nicht, oder?« Piper wurde leiser und hoffte, dass Annabeth zu höflich war, um zu lauschen. »Wann alarmierst du endlich die Polizei, Jane? Er könnte in Schwierigkeiten stecken.«

»Piper, wir wollen daraus keinen Medienzirkus machen. Ich bin sicher, dass es ihm gut geht. Er verschwindet eben manchmal. Aber er kommt immer zurück.«

»Dann stimmt es also. Du weißt es wirklich nicht.«

»Ich muss auflegen, Piper«, fauchte Jane. »Viel Spaß in der Schule.«

Die Verbindung riss ab. Piper fluchte. Sie ging zurück zu Annabeth und reichte ihr das Handy.

»Kein Glück?«, fragte Annabeth.

Piper gab keine Antwort. Sie hatte Angst, wieder in Tränen auszubrechen.

Annabeth schaute das Display an und zögerte. »Du heißt McLean mit Nachnamen? Tut mir leid, es geht mich ja nichts an, aber das kommt mir bekannt vor.«