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»Häufiger Name.«

»Ja, vermutlich. Was macht dein Dad denn beruflich?«

»Er hat Kunst studiert«, sagt Piper automatisch. »Er ist ein Cherokee-Künstler.«

Das war ihre übliche Antwort. Keine Lüge, nur nicht die ganze Wahrheit. Die meisten Leute stellten sich dann vor, dass ihr Dad in einem Reservat am Straßenrand Souvenirs verkaufte. Sitting Bulls mit Wackelkopf, Wampumgürtel, Big-Chief-Bilder – solchen Kram.

»Aha.« Annabeth sah nicht überzeugt aus, steckte das Handy aber wieder ein. »Geht’s dir gut? Sollen wir weitergehen?«

Piper befestigte ihren neuen Dolch an ihrem Gürtel und nahm sich vor, dass sie später, wenn sie allein war, herausfinden würde, wie man damit umging. »Sicher«, sagte sie. »Ich will alles sehen.«

Die Hütten waren alle umwerfend, aber keine erschien Piper als ihre. Und keine Flammenzeichen – weder Beutelratten noch andere – tauchten über ihrem Kopf auf.

Hütte 8 bestand aus purem Silber und leuchtete wie das Mondlicht.

»Artemis?«, tippte Piper.

»Du kennst dich aus mit griechischer Mythologie«, sagte Annabeth.

»Ich habe was darüber gelesen, als mein Dad voriges Jahr an einem Projekt gearbeitet hat.«

»Ich dachte, er macht Cherokee-Kunst.«

Piper unterdrückte eine Verwünschung. »Ja, richtig. Aber – weißt du, er macht auch andere Sachen.«

Piper dachte schon, sie hätte die Sache verpatzt. McLean, griechische Mythologie … Aber zum Glück schien Annabeth die Verbindung nicht zu sehen.

»Jedenfalls«, sagte Annabeth, »Artemis ist die Göttin des Mondes, die Göttin der Jagd. Und niemand wohnt hier. Artemis ist die ewige Jungfrau, deshalb hat sie keine Kinder.«

»Ach.« Das haute Piper irgendwie um. Die Geschichten über Artemis hatten ihr immer gefallen und sie hatte sich vorgestellt, dass sie als Mutter richtig gut sein würde.

»Es gibt immerhin die Jägerinnen der Artemis«, fügte Annabeth hinzu. »Die kommen manchmal zu Besuch. Sie sind zwar keine Kinder der Artemis, aber ihre Gehilfinnen – eine Gruppe von unsterblichen Teenagern, die zusammen auf Abenteuersuche gehen und Monster und so was jagen.«

Pipers Laune besserte sich. »Cool. Und sie sind unsterblich?«

»Sie dürfen nur nicht im Kampf fallen oder ihre Gelübde brechen. Hab ich erwähnt, dass sie den Jungs abschwören müssen? Keine Dates – niemals. Für alle Ewigkeit.«

»Oh«, sagte Piper. »Na ja, egal.«

Annabeth lachte. Für einen Moment sah sie fast glücklich aus und Piper dachte, sie könnte eine gute Freundin sein, mit der man in besseren Zeiten viel Spaß haben könnte.

Vergiss es, sagte Piper sich. Du wirst hier keine Freundinnen haben. Zumindest nicht, wenn sie erst Bescheid wissen.

Sie gingen an der nächsten Hütte vorbei, Nr. 10, die dekoriert war wie eine Puppenstube, mit Spitzenvorhängen, einer rosa Tür und Nelken in Töpfen auf der Fensterbank. Als sie an der Tür vorbeigingen, hätte sich Piper wegen des Parfümgeruchs fast übergeben.

»Uäähhh, kommen hier die Supermodels zum Sterben her?«

Annabeth feixte. »Das ist die Aphrodite-Hütte. Göttin der Liebe. Drew ist Hüttenälteste.«

»Passt«, knurrte Piper.

»Sie sind nicht alle so schlimm«, sagte Annabeth. »Die letzte Hüttenälteste war super.«

»Was ist denn aus ihr geworden?«

Annabeths Miene verdüsterte sich. »Wir müssen weiter.«

Sie sahen sich noch die anderen Hütten an, aber Piper wurde immer deprimierter. Sie fragte sich, ob sie die Tochter der Demeter sein könnte, der Göttin der Landwirtschaft. Aber Piper brachte jede Pflanze um, die sie nur anrührte. Athene wäre super. Oder vielleicht Hekate, die Göttin der Magie. Aber eigentlich spielte es keine Rolle. Sogar hier, wo offenbar alle ihre verlorenen Elternteile fanden, würde sie am Ende wieder das ungewollte Kind sein. Sie freute sich nicht gerade auf das Lagerfeuer am Abend.

»Wir haben mit den zwölf olympischen Gottheiten angefangen«, erklärte Annabeth. »Männliche links, weibliche rechts. Im vorigen Jahr haben wir dann eine Menge neuer Hütten für die anderen Gottheiten hinzugefügt, die keinen Thron im Olymp haben – Hekate, Hades, Iris …«

»Von wem sind die beiden großen dahinten?«, fragte Piper.

Annabeth runzelte die Stirn. »Zeus und Hera. König und Königin der Götter.«

Piper steuerte diese Hütten an und Annabeth folgte ihr, schien aber nicht gerade scharf darauf zu sein. Die Zeus-Hütte erinnerte Piper an ein Bankgebäude. Sie war aus weißem Marmor mit großen Säulen davor und funkelnden Bronzetüren, die mit Blitzen verziert waren.

Heras Hütte war kleiner, aber im selben Stil gehalten, nur waren in die Türen Pfauenfedern eingelassen, die in allen Farben leuchteten.

Anders als die anderen Hütten, wo es laut und geschäftig zuging, sahen die Hütten von Zeus und Hera stumm und unbewohnt aus.

»Sind die leer?«, fragte Piper.

Annabeth nickte. »Zeus hat sehr lange keine Kinder mehr gezeugt. Na ja, fast keine. Zeus, Poseidon und Hades, die ältesten Brüder unter den Göttern, werden die Großen Drei genannt. Ihre Kinder sind sehr stark, richtig gefährlich. Deshalb haben sie in den letzten siebzig Jahren oder so versucht, keine mehr zu zeugen.«

»Sie haben es versucht?«

»Manchmal haben sie … äh, geschummelt. Eine Freundin von mir, Thalia Grace, ist eine Tochter des Zeus. Aber sie hat das Campleben aufgegeben und sich den Jägerinnen der Artemis angeschlossen. Mein Freund Percy ist der Sohn des Poseidon. Und dann taucht hier manchmal ein Junge auf, Nico, der Sohn des Hades. Aber außer denen gibt es keine Kinder der Großen Drei. Unseres Wissens jedenfalls nicht.«

»Und Hera?« Piper sah die Tür mit dem Pfauenmuster an. Die Hütte machte sie nervös, auch wenn sie nicht wusste, warum.

»Göttin der Ehe.« Annabeth hatte ihre Stimme sorgfältig unter Kontrolle, als würde sie eine Verwünschung unterdrücken. »Sie hat nur mit Zeus Kinder. Also keine Halbgötter. Die Hütte ist nur der Vollständigkeit halber hier.«

»Du magst sie nicht«, kommentierte Piper.

»Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte«, gab Annabeth zu. »Ich dachte, wir hätten Frieden geschlossen, aber als Percy verschwunden ist … da hatte ich eine seltsame Traumvision von ihr.«

»Und sie hat dir gesagt, du solltest uns holen«, sagte Piper. »Nur hast du geglaubt, Percy würde auch da sein.«

»Es ist sicher besser, wenn ich nicht darüber rede«, sagte Annabeth. »Ich kann gerade nichts Gutes über Hera sagen.«

Piper starrte die Türen an. »Und geht da jemals wer rein?«

»Nie. Die Hütte ist nur pro forma da, wie gesagt. Niemand betritt sie.«

»Irgendwer schon.« Piper zeigte auf einen Fußabdruck auf der verstaubten Schwelle. Spontan stieß sie die Tür an und die öffnete sich sofort.

Annabeth wich zurück. »Äh, Piper, ich glaube, wir sollten nicht …«

»Wir sollen doch mal was wagen, oder?« Und Piper ging in die Hütte.

Heras Hütte war kein Ort, an dem Piper gern gewohnt hätte. Es war so kalt wie in einem Kühlschrank. Ein Kreis aus weißen Säulen umgab eine Statue der Göttin, die drei Meter hoch war und in fließende goldene Gewänder gekleidet auf einem Thron saß. Piper hatte sich griechische Statuen immer weiß mit leeren Augen vorgestellt, aber diese hier war so bunt angemalt, dass sie fast menschlich aussah – nur eben riesig. Heras stechende Augen schienen Piper zu verfolgen.

In einer Bronzepfanne zu Füßen der Göttin brannte ein Feuer. Piper fragte sich, wer es hütete, wenn die Hütte immer leer war. Ein steinerner Habicht saß auf Heras Schulter und in der Hand hielt sie einen mit einer Lotusblüte gekrönten Stab. Die Haare der Göttin waren zu schwarzen Zöpfen geflochten. Ihr Mund lächelte, aber ihre Augen waren kalt und berechnend, als wollte sie sagen: Mutter weiß es sowieso am besten. Also gehorche oder du wirst es bereuen.