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»Moment noch«, protestierte Will Solace. »Habt ihr etwa private Kellerräume?«

Jake hätte vermutlich gelächelt, wenn es nicht so wehgetan hätte. »Wir haben eine Menge Geheimnisse, Will. Ihr Apollo-Leute könnt ja nicht als Einzige Spaß haben. Wir graben seit fast einem Jahrhundert das Tunnelsystem unter Hütte 9 wieder aus. Wir haben das Ende noch immer nicht gefunden. Jedenfalls, Leo, wenn es dir nichts ausmacht, im Bett eines Toten zu schlafen, dann gehört das Bett dir.«

Plötzlich hatte Leo doch nicht so große Lust, sich zu entspannen. Er setzte sich auf und gab sich alle Mühe, keinen Knopf zu berühren. »Der Hüttenälteste, der gestorben ist – das war sein Bett?«

»Ja«, sagte Jake. »Charles Beckendorf.«

Leo glaubte zu sehen, wie sich Klingen durch die Matratze bohrten, oder vielleicht war auch eine Granate in die Kissen eingenäht. »Er ist nicht zufällig hier in dem Bett gestorben, oder?«

»Nein«, sagte Jake. »Im Krieg gegen die Titanen im vorigen Sommer.«

»Im Krieg gegen die Titanen«, wiederholte Leo. »Der mit diesem wunderbaren Bett rein gar nichts zu tun hatte?«

»Die Titanen«, sagte Will, als wäre Leo ein Idiot. »Die großen mächtigen Typen, die vor den Göttern die Welt beherrscht haben. Im vorigen Sommer haben sie ein Comeback versucht. Ihr Anführer, Kronos, baute oben auf dem Mount Tam in Kalifornien einen neuen Palast. Die Titanenarmeen drangen bis nach New York vor und hätten fast den Olymp zerstört. Eine Menge Halbgötter ist bei dem Versuch, sie aufzuhalten, gestorben.«

»Ich vermute, das war nicht in den Nachrichten?«, fragte Leo.

Es wirkte wie eine logische Frage, aber Will schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast nicht gehört, dass der Mount St. Helens ausgebrochen ist oder dass es überall im Land plötzliche Wirbelstürme gab oder dass in St. Louis dieses Gebäude eingestürzt ist?«

Leo zuckte mit den Schultern. Im vergangenen Sommer war er gerade mal wieder aus einem Heim durchgebrannt. Er wurde in New Mexico aufgegriffen und das Gericht schickte ihn in die nächste Erziehungsanstalt – die Wüstenschule. »Ich war wohl anderweitig beschäftigt.«

»Macht nichts«, sagte Jake. »Du hast Glück gehabt, wenn du es verpasst hast. Zumindest war Beckendorf einer der ersten Verluste, und seither …«

»Ist eure Hütte verflucht«, vermutete Leo.

Jake gab keine Antwort. Der Typ war schließlich von Kopf bis Fuß eingegipst – das war auch eine Antwort. Leo bemerkte Kleinigkeiten, die ihm vorher nicht aufgefallen waren – Explosionsspuren an der Wand, ein Fleck auf dem Boden, der Öl sein könnte … oder Blut. Zerbrochene Schwerter und ramponierte Maschinen, die mit Tritten in die Zimmerecken befördert worden waren, vielleicht aus Frust. Diese Hütte sah wirklich nach Unglück aus.

Jake seufzte halbherzig. »Na, ich sollte mal eine Runde schlafen. Ich hoffe, es gefällt dir hier, Leo. Früher war es … wirklich nett.«

Er schloss die Augen und der Tarnvorhang schob sich vor das Bett.

»Na los, Leo«, sagte Will. »Ich zeig dir die Schmiede.«

Im Gehen schaute Leo sich zu seinem neuen Bett um und konnte fast einen toten Hüttenältesten dort sitzen sehen – noch ein Gespenst, das Leo nicht in Ruhe lassen würde.

VI

Leo

»Wie ist er gestorben?«, fragte Leo. »Ich meine Beckendorf.«

Will Solace trottete vor ihm her. »Explosion. Beckendorf und Percy Jackson haben ein Kreuzfahrtschiff voller Monster hochgejagt, und Beckendorf ist nicht mehr rausgekommen.«

Da war wieder dieser Name – Percy Jackson, Annabeths verschwundener Freund. Dieser Typ schien hier ja überall seine Finger im Spiel zu haben.

»Beckendorf war offenbar ziemlich beliebt«, sagte Leo. »Ich meine, ehe er in die Luft geflogen ist.«

»Er war umwerfend«, sagte Will. »Sein Tod war hart für das ganze Camp. Jake wurde mitten im Krieg Hüttenältester. So wie ich übrigens auch. Jake hat sich alle Mühe gegeben, aber er wollte eigentlich nie Anführer sein. Er will einfach nur Kram bauen. Dann, nach dem Krieg, fing alles an schiefzugehen. Die Wagen von Hütte 9 flogen in die Luft. Ihre Automatons drehten durch. Ihre Erfindungen funktionierten nicht richtig. Es war wie ein Fluch, und schließlich wurde es auch so genannt: Der Fluch von Hütte 9. Dann hatte Jake einen Unfall …«

»Der vermutlich etwas mit dem Problem zu tun hatte, das er erwähnt hat«, vermutete Leo.

»Sie arbeiten daran«, sagte Will ohne Begeisterung. »Und da wären wir.«

Die Schmiede sah aus, als wäre eine Dampflokomotive in dem griechischen Parthenon geknallt und beides hätte sich miteinander verbunden. Weiße Marmorsäulen standen vor den verrußten Wänden. Aus Schornsteinen stieg Rauch über einen reich verzierten Giebel, der Götter und Monster zeigte. Das Haus stand an einem Bach und mehrere Wasserräder drehten eine Serie von Bronzeapparaten. Leo hörte drinnen Maschinen knirschen, Feuer tosen und Hämmer und Ambosse knallen.

Sie gingen hinein und ein Dutzend Jungen und Mädchen, die an unterschiedlichen Dingen gearbeitet hatten, erstarrten. Der Lärm verstummte, und nur noch das Tosen der Esse und das Klicken von Schaltungen und Hebeln war zu hören.

»’n Abend, Leute«, sagte Will. »Das ist euer neuer Bruder. Leo – äh, wie ist dein Nachname?«

»Valdez.« Leo sah die anderen Leute in der Schmiede an. War er wirklich mit ihnen allen verwandt? Seine Halbgeschwister kamen aus großen Familien, aber er hatte immer nur seine Mom gehabt – und dann war sie gestorben. Die anderen kamen zu ihm und gaben ihm die Hand und stellten sich vor. Er brachte ihre Namen sofort durcheinander: Shane, Christopher, Nyssa, Harley (genau, wie das Motorrad). Leo wusste, er würde sie niemals auseinanderhalten können. Es waren einfach zu viele. Es war zu überwältigend.

Sie sahen sich alle überhaupt nicht ähnlich – unterschiedliche Gesichtstypen, Hautfarben, Haarfarben, Größen. Niemals würde man denken, »Sieh an, das ist die Hephaistos-Sippe!«. Aber sie alle hatten starke Hände, schwielig und voller Maschinenölflecken. Sogar der kleine Harley, der höchstens acht sein konnte, sah aus, als könnte er sechs Runden gegen Chuck Norris durchstehen, ohne auch nur einen Schweißtropfen zu verlieren.

Und alle diese Kinder verband eine traurige Art von Ernst. Ihre Schultern hingen herab, als hätte ihnen das Leben arge Schläge versetzt. Einige sahen auch aus, als wären sie verprügelt worden. Leo zählte zwei Armschlingen, ein Paar Krücken, eine Augenklappe, sechs elastische Verbände und an die siebentausend Pflaster.

»Na schön«, sagte Leo. »Ich hab gehört, das hier ist die Partyhütte.«

Niemand lachte. Sie starrten ihn einfach nur an.

Will Solace tätschelte Leos Schulter. »Ihr könnt euch jetzt miteinander bekanntmachen. Irgendwer zeigt Leo dann den Weg zum Essen, wenn es so weit ist, okay?«

»Schon verstanden«, sagte ein Mädchen. Nyssa, das wusste Leo noch. Sie trug eine Tarnhose, ein Trägerhemd, das ihre muskulösen Arme zeigte, und ein rotes Tuch um eine dunkle Mähne. Abgesehen von dem Pflaster mit dem Smiley auf ihrem Kinn sah sie aus wie eine Actionheldin, die jede Sekunde ein Maschinengewehr packen und die bösen Aliens ummähen könnte.

»Cool«, sagte Leo. »Ich wollte schon immer eine Schwester haben, die mich zusammenfalten kann.«

Nyssa blieb ganz ernst. »Na los, Scherzkeks. Ich führ dich rum.«

Leo kannte sich in Werkstätten aus. Er war mit Schmiermaxen und Stromschaltungen aufgewachsen. Seine Mom hatte immer gescherzt, sein erster Schnuller sei ein Kreuzschlüssel gewesen. Aber so etwas wie die Campschmiede hatte er noch nie gesehen.

Ein Typ arbeitete an seiner Kriegsaxt und testete die Schneide an einen Betonblock. Immer, wenn er die Axt schwang, durchschnitt sie den Betonklotz wie warmen Käse, aber der Typ sah nicht zufrieden aus und machte die Kante immer noch schärfer.

»Was will er denn damit umbringen?«, frage Leo Nyssa. »Ein Schlachtschiff?«

»Man weiß nie. Nicht mal bei himmlischer Bronze …«