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Chiron nickte widerstrebend. »Es gehört zu Juno, Heras römischer Erscheinungsform, in ihrem kriegerischsten Zustand. Das Ziegenfell war ein Symbol des römischen Soldaten.«

»Hera ist also gefangen?«, fragte Rachel. »Wer könnte der Königin der Götter das antun?«

Annabeth verschränkte die Arme. »Na, egal, was das für Leute sind, vielleicht sollten wir ihnen dankbar sein. Wenn sie Hera zum Schweigen bringen können …«

»Annabeth«, sagte Chiron warnend. »Sie gehört noch immer zu den Olympiern. In vieler Hinsicht ist sie der Leim, der die Götterfamilie zusammenhält. Wenn sie wirklich in Gefangenschaft geraten ist und die Gefahr besteht, dass sie vernichtet wird, könnte das die Welt in ihren Grundlagen erschüttern. Es könnte die Stabilität des Olymp zerstören, und die ist sogar zu den besten Zeiten nicht gerade überwältigend. Und wenn Hera Jason um Hilfe gebeten hat …«

»Na gut«, knurrte Annabeth. »Also, wir wissen, dass Titanen einen Gott oder eine Göttin fangen können, stimmt’s? Atlas hat vor einigen Jahren Artemis entführt. Und in den alten Geschichten stellen die Götter sich gegenseitig die ganze Zeit Fallen. Aber etwas Schlimmeres als ein Titan …?«

Jason schaute den Leopardenkopf an. Seymour leckte sich die Lippen, als ob die Göttin viel besser geschmeckt hätte als der Hundekeks. »Hera sagt, dass sie seit einem Monat versucht, ihre Gitterstäbe zu durchbrechen.«

»Und genauso lange ist der Olymp schon geschlossen«, sagte Annabeth. »Also müssen die Götter wissen, dass etwas Übles vor sich geht.«

»Aber warum verschwendet sie ihre Energie darauf, mich herzuschicken?«, fragte Jason. »Sie hat mein Gedächtnis gelöscht, hat mich in den Exkursionsbus der Wüstenschule gesetzt und dir eine Traumvision spendiert, damit du mich da abholst. Warum bin ich so wichtig? Warum schickt sie den anderen Göttern nicht einfach ein Notrufsignal – damit sie wissen, wo sie ist, und sie raushauen können?«

»Die Götter brauchen Helden, um hier auf der Erde ihren Willen auszuführen«, sagte Rachel. »Stimmt das nicht? Ihr Schicksal ist immer mit dem der Halbgötter verwoben.«

»Das stimmt«, sagte Annabeth. »Aber Jason hat nicht Unrecht. Warum er? Warum ihm die Erinnerung nehmen?«

»Und Piper hat auch irgendetwas damit zu tun«, sagte Rachel. »Hera hat ihr dieselbe Botschaft gesandt – befreie mich. Und, Annabeth, das Ganze muss etwas mit Percys Verschwinden zu tun haben.«

Annabeth richtete ihren Blick auf Chiron. »Warum sagen Sie nichts, Chiron? Was steht uns bevor?«

Das Gesicht des Zentauren sah aus, als wäre er in Minutenschnelle um zehn Jahre gealtert. Tiefe Furchen gruben sich um seine Augen in die Haut. »Meine Liebe, in diesem Fall kann ich dir nicht helfen. Es tut mir sehr leid.«

Annabeth blinzelte. »Sie haben noch nie … Sie haben mir noch nie Informationen vorenthalten. Sogar die letzte Große Weissagung …«

»Ich bin in meinem Büro.« Seine Stimme klang traurig »Ich brauche vor dem Abendessen Zeit zum Nachdenken. Rachel, kümmerst du dich um dieses Mädchen? Ruf Argus, damit er sie in die Krankenstube bringt, wenn du willst. Und Annabeth, du solltest mit Jason sprechen. Erzähle ihm von … von den griechischen und den römischen Göttern.«

»Aber …«

Der Zentaur drehte seinen Rollstuhl und verschwand durch die Eingangshalle. Annabeths Augen sahen nach Sturm aus. Sie murmelte etwas auf Griechisch, und Jason hatte das Gefühl, dass es nicht gerade ein Kompliment für Zentauren war.

»Tut mir leid«, sagte Jason. »Ich glaube, ich bin hier, weil … ich weiß nicht. Irgendwie hab ich alles kaputt gemacht, weil ich ins Camp gekommen bin. Chiron hat gesagt, er habe einen Eid abgelegt und könne nicht darüber reden.«

»Was für einen Eid?«, wollte Annabeth wissen. »Ich habe ihn noch nie so erlebt. Und warum soll ich dir von den Göttern erzählen …«

Ihre Stimme versagte. Offenbar hatte sie soeben Jasons Schwert auf dem Tisch entdeckt. Sie berührte vorsichtig die Klinge, als ob die heiß sein könnte.

»Ist das Gold?«, fragte sie. »Weißt du noch, wo du es herhast?«

»Nein«, sagte Jason. »Wie gesagt, ich kann mich an nichts erinnern.«

Annabeth nickte, als sei ihr eben ein ziemlich verzweifelter Plan eingefallen. »Wenn Chiron uns nicht helfen will, müssen wir es eben selbst herausfinden. Was bedeutet … Hütte 15. Rachel, du kümmerst dich um Piper?«

»Natürlich«, versprach Rachel. »Viel Glück, ihr zwei.«

»Moment mal«, sagte Jason. »Was ist mit Hütte 15?«

Annabeth stand auf. »Vielleicht können wir da dein Gedächtnis zurückbekommen.«

Sie liefen auf eine Reihe von neueren Hütten in der Südwestecke der Rasenfläche zu. Einige waren elegant, mit leuchtenden Wänden oder lodernden Flammen, aber Nr. 15 war weniger auffällig. Sie sah aus wie ein altmodisches Häuschen in der Prärie, mit Lehmwänden und einem Strohdach. An der Tür hing ein Kranz aus feuerroten Blumen – Klatschmohn, dachte Jason, aber er wusste nicht, wieso er das wusste.

»Du meinst, das ist die Hütte meines Elternteils?«, fragte er.

»Nein«, sagte Annabeth. »Das ist die Hütte von Hypnos, dem Gott des Schlafes.«

»Aber warum …«

»Du hast alles vergessen«, sagte sie. »Wenn irgendein Gott bei einem Gedächtnisverlust helfen kann, dann Hypnos.«

In der Hütte lagen drei tief schlafende Kinder unter dicken Stapeln aus Decken, und dabei war es fast Zeit zum Abendessen. Ein warmes Feuer knisterte im Kamin. Über dem Kaminsims hing ein Ast, und von jedem Zweig tropfte eine weiße Flüssigkeit in eine Ansammlung aus Zinngefäßen. Jason hätte gern einen Tropfen mit dem Finger aufgefangen, um zu sehen, was das für eine Flüssigkeit war, riss sich aber zusammen.

Von irgendwoher erklang sanfte Geigenmusik. Die Luft duftete nach frischer Wäsche. Die Hütte war so gemütlich und so friedlich, dass Jasons Augenlider schwer wurden. Ein Nickerchen wäre jetzt einfach großartig. Er war erschöpft. Es gab jede Menge leerer Betten, alle mit Daunenkissen, frischer Bettwäsche und flauschigen Steppdecken, und … Annabeth verpasste ihm einen Rippenstoß. »Komm wieder zu dir.«

Jason blinzelte. Ihm ging auf, dass seine Knie schon nachgegeben hatten.

»Das passiert allen in Hütte 15«, warnte Annabeth. »Wenn du mich fragst, ist diese Hütte noch gefährlicher als die von Ares. Bei Ares kannst du immerhin lernen, wo die Landminen liegen.«

»Die Landminen?«

Sie ging zum ersten schnarchenden Jungen und packte ihn an der Schulter. »Clovis! Aufgewacht!«

Der Junge sah aus wie ein junges Kalb. Er hatte einen blonden Haarwuschel auf dem dreieckigen Kopf, plumpe Züge und einen dicken Hals. Er war untersetzt, hatte aber spindeldürre Arme, als hebe er niemals etwas an, das schwerer war als ein Kissen.

»Clovis!« Annabeth schüttelte energischer und klopfte ihm dann ungefähr sechsmal auf die Stirn.

»W-w-was?«, fragte Clovis jammervoll, setzte sich auf und kniff die Augen zusammen. Er gähnte ausgiebig und Annabeth und Jason gähnten auch.

»Aufhören«, sagte Annabeth. »Wir brauchen deine Hilfe.«

»Ich habe geschlafen.«

»Du schläfst immer.«

»Gute Nacht.«

Ehe er wieder einschlafen konnte, riss Annabeth das Kissen vom Bett.

»Das ist gemein«, beschwerte Clovis sich halbherzig. »Gib es zurück.«

»Erst helfen«, sagte Annabeth. »Dann schlafen.«

Clovis seufzte. Sein Atem roch nach warmer Milch. »Okay. Was ist?«

Annabeth schilderte Jasons Probleme. Ab und zu schnippte sie unter Clovis’ Nase mit den Fingern, um ihn wachzuhalten.

Clovis fand das Ganze offenbar doch irgendwie aufregend, denn als Annabeth fertig war, schlief er nicht ein. Er stand sogar auf und reckte sich, dann schaute er Jason an. »Du kannst dich also an nichts erinnern, ja?«

»Nur Eindrücke«, sagte Jason. »Gefühle, wie …«

»Ja?«, fragte Clovis.

»Als ob ich nicht hier sein dürfte. In diesem Camp. Ich bin in Gefahr.«

»Hmmm. Mach die Augen zu.«