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Er presste Piper an sich und sie drehte sich so, dass sie ihn umarmte. Nase an Nase schwebten sie dahin. Ihr Herz hämmerte dermaßen, dass Jason es durch die Kleider spüren konnte.

Ihr Atem roch nach Zimt. »Wie hast du …«

»Hab ich nicht«, sagte er. »Ich glaube, ich wüsste es, wenn ich fliegen könnte …«

Aber dann dachte er: Ich weiß ja nicht mal, wer ich bin.

Er stellte sich vor, nach oben zu steigen. Piper schrie auf, als sie einige Meter höher schossen. Sie schwebten eigentlich nicht direkt, fiel Jason auf. Er konnte Druck unter den Füßen spüren, als balancierten sie oben auf einem Geysir.

»Die Luft trägt uns«, sagte er.

»Na, dann sag ihr, sie soll uns noch besser tragen. Hol uns hier raus!«

Jason sah nach unten. Am leichtesten wäre es, sich sanft auf den Boden des Canyons sinken zu lassen. Dann schaute er auf. Der Regen hatte aufgehört. Die Gewitterwolken sahen nicht mehr so schlimm aus, aber es grollte und blitzte noch. Es war nicht sicher, dass die Monster wirklich verschwunden waren. Er hatte keine Ahnung, was Trainer Hedge passiert war. Und er hatte den fast bewusstlosen Leo oben zurückgelassen.

»Wir müssen ihnen helfen«, sagte Piper, die seine Gedanken gelesen zu haben schien. »Kannst du …«

»Mal sehen.« Jason dachte »hoch« und sofort schossen sie himmelwärts.

Die Tatsache, dass er auf den Winden ritt, hätte er unter anderen Umständen vielleicht super gefunden, aber er stand zu sehr unter Schock. Sowie sie auf dem Gehsteig gelandet waren, rannten sie zu Leo.

Piper drehte Leo um und der stöhnte. Seine Armeejacke war vom Regen durchnässt und seine Locken glitzerten golden, weil er sich im Monsterstaub gewälzt hatte. Aber immerhin war er nicht tot.

»Blöde … hässliche … Ziege«, murmelte er.

»Wo ist er denn?«, fragte Piper.

Leo zeigte geradewegs nach oben. »Ist nicht wieder runtergekommen. Bitte, sagt mir nicht, dass er mir das Leben gerettet hat.«

»Zweimal«, sagte Jason.

Leo stöhnte noch lauter. »Was ist passiert? Der Tornadotyp, das goldene Schwert … ich bin mit dem Kopf aufgeknallt. Das ist es doch, oder? Ich halluziniere.«

Jason hatte das Schwert ganz vergessen. Er ging zu der Stelle, wo es lag, und hob es hoch. Die Schneide war perfekt ausbalanciert. Aus einem Impuls heraus drehte er das Schwert schwungvoll in der Hand. Es schrumpfte wieder zur Münze und landete auf seiner Handfläche.

»Da haben wir’s«, sagte Leo. »Einwandfrei Halluzinationen.«

Piper zitterte in ihrer vom Regen durchtränkten Kleidung. »Jason, diese Dinger …«

»Venti«, sagte er. »Sturmgeister.«

»Genau. Du hast ausgesehen, als ob … du sie schon einmal gesehen hättest. Wer bist du nur?«

Er schüttelte den Kopf. »Das versuche ich dir doch schon die ganze Zeit zu sagen. Ich weiß es nicht.«

Der Sturm legte sich. Die anderen Wüstenschüler starrten voller Entsetzen durch die Glastüren. Inzwischen machten sich Sicherheitsleute an den Schlössern zu schaffen, schienen aber keinen Erfolg zu haben.

»Trainer Hedge hat gesagt, er müsste drei Leute beschützen«, fiel es Jason jetzt ein. »Ich glaube, er hat uns gemeint.«

»Und dieses Ding, in das Dylan sich verwandelt hat …« Piper schauderte es. »Großer Gott, ich kann nicht fassen, dass es auf mich eingeschlagen hat. Wie hat er uns genannt … Halbgötter?«

Leo lag auf dem Rücken und starrte zum Himmel hoch. Er schien nicht so dringend aufstehen zu wollen. »Halb sehe ich ja ein«, sagte er. »Aber besonders göttlich komme ich mir nicht vor. Fühlt ihr euch etwa göttlich?«

Sie hörten ein Knacken, wie von brechenden Zweigen, und die Risse im Glas wurden noch größer.

»Wir müssen hier weg«, sagte Jason. »Vielleicht könnten wir …«

»Ooohhh-kay«, fiel Leo ihm ins Wort. »Schau mal nach oben und sag mir, ob das fliegende Pferde sind.«

Zuerst dachte Jason, Leo sei wirklich zu fest mit dem Kopf aufgeknallt. Dann sah er einen dunklen Schatten, der von Osten her auf sie zuflog – zu langsam für ein Flugzeug, zu groß für einen Vogel. Als er näher kam, erkannte er zwei geflügelte Tiere, grau, vierbeinig und genau wie Pferde – nur hatte jedes eine Spannweite von sechs Metern. Und sie zogen eine bunt angemalte Schachtel auf zwei Rädern: einen Streitwagen.

»Verstärkung«, sagte er. »Hedge hat gesagt, dass ein Bergungskommando zu uns unterwegs ist.«

»Ein Bergungskommando?« Leo kam mit Mühe auf die Füße. »Das klingt nach Bergwanderung.«

»Und wieso wollen die uns bergen?«, fragte Piper.

Jason sah zu, wie der Wagen am anderen Ende des Gehsteiges landete. Die Pferde legten die Flügel an und trabten nervös über das Glas, als ob sie spürten, dass es jeden Moment brechen könnte. Im Wagen standen zwei Teenager – eine große Blondine, vielleicht etwas älter als Jason, und ein Muskelprotz mit rasiertem Kopf und einem Gesicht wie ein Haufen Backsteine. Beide trugen Jeans und orangefarbene T-Shirts und hatten Schilde über dem Rücken hängen. Das Mädchen sprang vom Wagen, noch ehe der zum Stillstand gekommen war. Sie zog ein Messer und rannte auf Jason und die anderen zu, während der Muskelprotz die Pferde zum Stehen brachte.

»Wo ist er?«, wollte das Mädchen wissen. Ihre grauen Augen waren wütend und ein wenig verwirrend.

»Wo ist wer?«, fragte Jason.

Sie runzelte die Stirn, als sei diese Antwort einfach eine Frechheit. Dann drehte sie sich zu Leo und Piper um. »Was ist mit Gleeson? Wo ist euer Beschützer, Gleeson Hedge?«

Der Trainer hieß mit Vornamen also Gleeson? Jason hätte gelacht, wenn der Morgen nicht so seltsam und beängstigend gewesen wäre. Gleeson Hedge: Fußballtrainer, Ziegenmann und Beschützer von Halbgöttern. Klar. Warum auch nicht?

Leo räusperte sich. »Er wurde entführt, von … Tornadodingern.«

»Venti«, sagte Jason. »Sturmgeister.«

Die Blondine hob eine Augenbraue. »Du meinst Anemoi Thuellai? So heißen die auf Griechisch. Wer bist du und was ist passiert?«

Jason gab sich alle Mühe mit seiner Erklärung, obwohl es ihm schwerfiel, diesem bohrenden grauen Blick standzuhalten. Als er seine Geschichte ungefähr zur Hälfte erzählt hatte, kam der Muskelprotz vom Wagen herüber. Er stand da, glotzte sie wütend an und hatte die Arme vor der Brust gekreuzt. Auf dem Bizeps hatte er ein Regenbogen-Tattoo, was Jason ein wenig ungewöhnlich fand.

Als Jason seine Geschichte beendet hatte, sah die Blondine nicht gerade glücklich aus. »Nein, nein, nein! Sie hat mir doch gesagt, dass er hier ist. Sie hat mir gesagt, dass ich hier die Antwort finden würde.«

»Annabeth«, grunzte der Kahlkopf. »Sieh dir das mal an.« Er zeigte auf Jasons Füße.

Jason hatte es ganz vergessen, aber ihm fehlte noch immer der linke Schuh, der vom Blitz weggerissen worden war. Sein nackter Fuß fühlte sich unversehrt an, sah aber aus wie ein Stück Kohle.

»Der Typ mit dem einen Schuh«, sagte der kahle Kerl. »Er ist die Antwort.«

»Nein, Butch«, wehrte das Mädchen ab. »Das kann er nicht sein. Ich bin betrogen worden.« Sie starrte wütend den Himmel an, als ob der etwas verbrochen hatte. »Was willst du denn noch?«, schrie sie. »Was hast du mit ihm gemacht?«

Der Gehsteig bebte und die Pferde wieherten ängstlich.

»Annabeth«, sagte der kahle Kerl, Butch. »Wir müssen weg hier. Wir bringen die drei ins Camp und sehen dann weiter. Die Sturmgeister könnten zurückkommen.«

Annabeth schäumte noch einen Moment vor Wut. »Schön.« Sie schaute Jason vorwurfsvoll an. »Wir klären das später.«

Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte auf den Wagen zu.

Piper schüttelte den Kopf. »Was ist denn in die gefahren? Und was ist hier eigentlich los?«

»Ja, echt«, sagte Leo.

»Wir müssen euch hier wegschaffen«, sagte Butch. »Ich erkläre das unterwegs.«

»Mit der gehe ich nirgendwohin.« Jason zeigte auf die Blondine. »Sie sieht aus, als ob sie mich umbringen will.«