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»Jane?«, erinnerte sich Jason. »Hat Medea nicht irgendwas darüber gesagt, dass sie die im Griff hat?«

Piper nickte. »Um meinen Dad zurückzubekommen, sollte ich diesen Einsatz vereiteln. Ich wusste ja nicht, dass wir drei losgeschickt werden würden. Als wir dann aufgebrochen waren, hat Enceladus mich noch einmal gewarnt. Er sagte, er wollte euch beide tot sehen. Ich soll euch zu einem Berg führen. Ich weiß nicht genau, zu welchem, aber er liegt in der Bay Area – ich konnte vom Gipfel aus die Golden Gate Bridge sehen. Ich soll am Sonnenwendtag, also morgen, um Mittag da sein. Zu einem Austausch.«

Sie konnte ihren Freunden nicht in die Augen blicken. Sie wartete darauf, dass die anderen sie anbrüllten, ihr den Rücken zukehrten oder sie mit Tritten hinaus in den Schneesturm beförderten.

Jason aber rückte dichter an sie heran und legte wieder den Arm um sie. »Himmel, Piper. Das tut mir so leid.«

Leo nickte. »Ja, echt. Das schleppst du jetzt seit einer Woche mit dir rum? Piper, wir hätten dir doch helfen können.«

Sie starte die beiden wütend an. »Warum schreit ihr mich nicht an oder so? Ich soll euch umbringen!«

»Ach, hör auf«, sagte Jason. »Bei diesem Einsatz hast du uns beide schon gerettet. Ich würde ohne Zögern mein Leben in deine Hände legen.«

»Ich auch«, sagte Leo. »Kann ich auch mal mitkuscheln?«

»Ihr kapiert das nicht!«, sagte Piper. »Ich habe wahrscheinlich gerade meinen Dad umgebracht, weil ich euch das erzählt habe.«

»Das glaube ich nicht.« Trainer Hedge rülpste. Er hatte einen Pappteller um seinen Tofuburger gefaltet und kaute darauf herum wie auf einem Taco. »Der Riese hat noch nicht gekriegt, was er will, also braucht er deinen Dad noch als Druckmittel. Er wird bis zum letzten Moment der Frist warten, ob du auftauchst. Er will also, dass du diese Truppe auf seinen Berg bringst, ja?«

Piper nickte unsicher.

»Das bedeutet also, dass Hera anderswo gefangen gehalten wird«, überlegte Hedge. »Und sie muss am selben Tag gerettet werden. Ihr habt also die Wahl – deinen Dad retten oder Hera. Und erst wenn ihr euch für Hera entscheidet, wird Enceladus sich um deinen Dad kümmern. Aber Enceladus würde dich sowieso niemals laufenlassen, auch wenn du gehorchst. Du bist doch ganz klar eine von den Sieben in der Großen Weissagung.«

Eine von den Sieben. Sie hatte schon mit Jason und Leo darüber gesprochen, und es musste wohl stimmen, aber sie konnte es noch immer nicht ganz glauben. Sie kam sich einfach nicht so wichtig vor. Sie war nur ein dummes Kind der Aphrodite. Wer sollte sich die Mühe machen, sie zu täuschen oder umzubringen?

»Wir haben also keine Wahl«, sagte sie verzweifelt. »Wir müssen Hera retten, oder der Riesenkönig wird losgelassen. Das ist unsere Aufgabe. Die Welt hängt davon ab. Und Enceladus behält mich offenbar die ganze Zeit im Auge. Er ist nicht dumm. Er wird es merken, wenn wir die Richtung ändern und den falschen Weg einschlagen. Er wird meinen Dad umbringen.«

»Er wird deinen Dad nicht umbringen«, sagte Leo. »Wir werden ihn retten.«

»Wir haben keine Zeit mehr!«, rief Piper. »Außerdem ist es eine Falle.«

»Wir sind deine Freunde, Schönheitskönigin«, sagte Leo. »Wir werden deinen Dad nicht sterben lassen. Wir brauchen nur einen Plan.«

Trainer Hedge knurrte. »Wäre sinnvoll zu wissen, wo dieser Berg rumsteht. Vielleicht kann Aeolus euch das sagen. Die Bay Area war für Halbgötter noch nie zu empfehlen. Alter Sitz der Titanen. Der Othrys befindet sich über dem Mount Tam, wo Atlas den Himmel trägt. Ich hoffe, das ist nicht der Berg, den du gesehen hast.«

Piper versuchte, sich an den Anblick aus ihren Träumen zu erinnern. »Ich glaube nicht. Es war im Binnenland.«

Jason musterte stirnrunzelnd das Feuer, als ob er versuchte, sich an etwas zu erinnern.

»Nicht zu empfehlen … das kann doch nicht stimmen. Die Bay Area …«

»Meinst du, du warst schon mal da?«, fragte Piper.

»Ich …« Er schien fast vor dem Durchbruch zu stehen. Dann kehrte die Qual in seine Augen zurück. »Ich weiß es nicht. Hedge, was ist mit dem Othrys passiert?«

Hedge biss wieder in Pappe und Burger. »Na ja, Kronos hat da im vergangenen Sommer einen neuen Palast erbaut. Großes hässliches Teil, sollte das Hauptquartier für sein neues Königreich werden. Dort gab es aber keine Schlachten. Kronos marschierte nach Manhattan und wollte den Olymp einnehmen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat er irgendwelche anderen Titanen in seinem Palast zurückgelassen, aber nachdem Kronos in Manhattan besiegt worden war, ist der von selbst eingestürzt.«

»Nein«, sagte Jason.

Alle sahen ihn an.

»Was meinst du mit ›Nein‹?«, fragte Leo.

»So war es nicht. Ich …« Er erstarrte und schaute den Höhleneingang an. »Habt ihr das gehört?«

In der ersten Sekunde – nichts. Dann hörte Piper es: Geheul, das die Nacht durchschnitt.

XXXIV

Piper

»Wölfe«, sagte Piper. »Scheinen ganz nah zu sein.«

Jason sprang auf und beschwor sein Schwert herauf. Leo und Trainer Hedge standen ebenfalls auf. Piper versuchte es, aber vor ihren Augen tanzten schwarze Punkte.

»Bleib hier«, sagte Jason. »Wir beschützen dich.«

Piper knirschte mit den Zähnen. Sie fand es schrecklich, hilflos zu sein. Sie wollte von niemandem beschützt werden. Zuerst der blöde Knöchel. Jetzt die blöde Unterkühlung. Sie wollte mit dem Dolch in der Hand auf ihren Füßen stehen.

Dann sah sie außerhalb des Feuerscheins am Höhleneingang zwei rote Augen in der Dunkelheit leuchten.

Na gut, dachte sie. Ein bisschen Schutz kann ja nicht schaden.

Weitere Wölfe tauchten im Feuerschein auf – schwarze Viecher, größer als Doggen, mit Eis und Schnee im Fell. Ihre Fangzähne funkelten und ihre leuchtenden roten Augen sahen beunruhigend intelligent aus. Der Leitwolf war fast so groß wie ein Pferd, seine Schnauze war blutig, als ob er eben erst eine Beute gerissen hätte.

Piper zog ihren Dolch aus der Scheide.

Dann trat Jason vor und sagte etwas auf Latein.

Piper hätte nicht gedacht, dass eine tote Sprache eine Wirkung auf wilde Tiere ausüben könnte, aber der Leitwolf kräuselte die Lefzen und das Fell auf seinem Rücken sträubte sich. Einer seiner Leutnants versuchte vorzurücken, aber der Leitwolf biss ihn ins Ohr. Und dann zogen die Wölfe sich in die Dunkelheit zurück.

»Meine Güte, ich muss wohl doch Latein lernen.« Leos Hammer zitterte in seiner Hand. »Was hast du gesagt, Jason?«

Hedge stieß einen Fluch aus. »Was auch immer es war, es hat nicht gereicht. Seht.«

Die Wölfe kehrten zurück, aber der Leitwolf war nicht mehr bei ihnen. Sie griffen nicht an. Sie warteten – jetzt fast ein Dutzend Tiere, die in einem lockeren Halbkreis gleich außerhalb des Feuerscheins den Ausgang aus der Höhle versperrten.

Der Trainer hob seine Keule. »Wir machen es so. Ich bringe sie alle um und ihr haut ab.«

»Trainer Hedge, die würden Sie in Fetzen reißen«, sagte Piper.

»Das regele ich schon.«

Dann sah Piper die Silhouette eines Mannes, der durch den Sturm auf sie zukam und sich einen Weg durch die Wolfsmeute bahnte.

»Zusammenbleiben«, sagte Jason. »Vor einer Meute haben sie Achtung. Und, Hedge, keine Verrücktheiten. Wir lassen weder Sie noch irgendwen sonst hier zurück.«

Piper hatte einen Kloß im Hals. Sie war im Moment das schwächste Glied in ihrer »Meute«. Bestimmt konnten die Wölfe ihre Angst riechen. Sie hätte auch gleich ein Schild mit der Aufschrift »Gratisimbiss« um den Hals tragen können.

Die Wolfsmeute teilte sich und der Mann trat ins Licht des Feuers. Seine Haare waren fettig und strähnig, hatten die Farbe von Ruß und darauf saß eine Krone, die so aussah, als sei sie aus Fingerknöcheln hergestellt. Seine Gewänder waren aus zerfetztem Fell – Wolf, Kaninchen, Waschbär, Reh und noch einige andere, die Piper nicht identifizieren konnte. Das Fell sah nicht gegerbt aus, und so, wie es roch, war es auch nicht gerade sauber. Der Mann war schlank und muskulös, wie ein Langstreckenläufer. Aber das Entsetzlichste an ihm war sein Gesicht. Seine dünne bleiche Haut spannte sich straff über seinen Schädel. Seine Zähne waren spitz zurechtgefeilt, wie Reißzähne. Seine Augen leuchteten rot wie die seiner Wölfe – und sie waren in tiefem Hass auf Jason gerichtet.