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Neonröhren verbreiteten ein ungemütliches, grünlichweißes Licht, und es waren zu wenige, um irgend jemandes Stimmung aufzuheitern. Der Vorraum zur Hölle, dachte ich, und tatsächlich konnte man das Publikum, das an dieser ungastlichen Stätte erschienen war, an Fingern und Zehen abzählen, ohne in Verlegenheit zu kommen.

Mervyn Teck empfing uns am Eingang mit einem prüfenden Blick auf die Uhr, aber da ich glücklicherweise meinen Stolz überwunden und aus Angst vor einer ungebührlichen Verspätung den Weg erfragt hatte, waren wir auf die Minute genau zu der auf unseren Handzetteln verkündeten Zeit eingetroffen.

Auf dem Podiumstisch, neben dem launischen Mikrophon, befanden sich ein Hammer für Ordnungsrufe und zwei große, mit Folie überzogene Sandwichplatten.

Zwei oder drei Wahlhelferinnen drängten sich tatendurstig um den Kandidaten, aber zehn Minuten nach Beginn der Veranstaltung hatte sich statt Begeisterung nur Apathie im Saal breitgemacht.

Ich hatte angenommen, mein Vater würde, enttäuscht über die schwache Resonanz, den unliebsamen Auftritt schnellstmöglich hinter sich bringen, doch er scherzte darüber, legte das Mikrophon weg, setzte sich auf den Rand des Podiums und bat die wenigen verstreuten Zuhörer, nach vorn aufzurücken, damit es mehr nach einer richtigen Versammlung aussehe.

Sein Trick funktionierte. Alle kamen nach vorn. Er redete ungezwungen mit ihnen, als seien es lauter Bekannte, und vor meinen Augen verwandelte er das Debakel in eine nützliche PR-Lektion. Bis die Sandwiches ausgepackt und herumgereicht wurden, hörten längst auch die paar Leute, die gekommen waren, um zu stören, friedlich zu.

Mervyn Teck wirkte nachdenklich, aber auch unzufrieden.

»Ist was?« fragte ich ihn.

»Für Orinda wären viel mehr Leute gekommen«, meinte er säuerlich. »Sie hätte ein volles Haus gehabt. Man liebt sie hier; jedes Jahr verteilt sie Preise an die Kinder. Selbstgekaufte.«

»Das tut sie bestimmt auch weiterhin.«

Ich hatte das ohne Ironie gesagt, aber Mervyn Teck warf mir einen mißfälligen Blick zu und ließ mich stehen. Eine der Wahlhelferinnen erklärte mir liebenswürdig, daß die Veranstaltung zeitlich mit einem TV-Straßenfeger zusammengefallen sei; sogar die Kneipen hätten Donnerstag abends darunter zu leiden. Morgen sehe das schon anders aus. Das Rathaus werde brechend voll sein.

»Ehm«, sagte ich, »was ist denn im Rathaus?«

»Sind Sie nicht sein Sohn?«

»Doch, aber ...«

»Und da wissen Sie nicht, daß er morgen abend direkt gegen Paul Bethune antritt?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ein Knaller«, freute sie sich. »Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen.«

Auch mein Vater gab sich, als ich ihn auf der kurzen Rückfahrt ins Zentrum von Hoopwestern darauf ansprach, frohen Mutes.

»Das«, meinte ich, »bringt auch sicher viel mehr als das mittlere Fiasko von heute abend.«

»Jede Stimme zählt«, berichtigte er mich. »Wenn ich heute abend zwei, drei Stimmen hereingeholt habe, reicht das schon. Man muß die Wechselwähler für sich gewinnen, und die kriegt man nur einzeln.«

»Ich habe Hunger«, sagte ich, als wir an einem hell erleuchteten Schnellrestaurant vorbeikamen, also setzte ich zurück und bestellte Hähnchen mit Banane und Speck, und selbst dort ließ sich mein Vater, vom Frittenkoch erkannt, auf eine politische Plauderei ein.

Früh am nächsten Morgen kaufte ich eine Gazette. Schmuddelsex und Paul Bethune (samt Fotos) nahmen die Seiten vier bis fünf ein, der Großteil der Titelseite aber galt dem Thema:

Schüsse auf Juliard?

Ja (Augenzeugen) und Nein (er war unverletzt). Die Polizei hielt sich zurück (sie hatte keine Waffe gefunden). Schaulustige wie der selbsternannte Schußwaffenexperte sagten aus, Juliard sei eindeutig das Ziel eines Mordanschlags gewesen. Dies sei seine Auffassung, und er habe immer recht.

Die Reporter (einschließlich Usher Rudds) führten übereinstimmend ins Feld, daß die Orinda-Nagle-Fraktion sehr schlecht auf Juliard zu sprechen sei. Der Chefredakteur bezweifelte in seinem Leitartikel, daß politischer Mord auf einer so niedrigen politischen Ebene stattfand. So etwas geschehe nur Weltpolitikern. Auf ungewählte Kandidaten fürs Unterhaus würden keine Anschläge verübt.

Ich ging zu Fuß durchs Städtchen zu der Ringstraße, an der Rudds Reparaturwerkstatt lag, und erreichte sie, als sie gerade geöffnet wurde. Es war eine große Werkstatt mit einem noch größeren abgezäunten Hof, auf dem gewartete und noch zu wartende Autos bereitstanden. Dort im Freien stand auch der Range Rover, auf dessen Metallic-Lack schon die Sonne glänzte.

Ich fragte nach dem Chef und wurde zu ihm geführt. Basil Rudd, dünn, rothaarig, sommersprossig und voller Energie, sah Usher Rudd so ähnlich, daß sie Zwillinge hätten sein können.

»Fragen Sie nicht«, sagte er, auf meine Zeitung schielend. »Er ist mein Cousin. Ich habe nichts mit ihm zu tun, und wenn Sie sich schlagen wollen, sind Sie an den Falschen geraten.«

»Also eigentlich wollte ich nur den Range Rover abholen. Der gehört meinem Vater.«

»So?« Er blinzelte. »Können Sie sich ausweisen?«

Ich zeigte ihm eine von meinem Vater unterschriebene Vollmacht und meinen Führerschein.

»Na gut.« Er nahm zwei Schlüssel an einem Ring mit beschriftetem Anhänger aus einer Schublade und hielt sie mir hin. »Schalten Sie vorher den Alarm aus. Die Rechnung geht an Mr. Juliards Parteizentrale, okay?«

»Ja, danke. War irgendwas dran?«

Er zuckte die Achseln. »Wenn, dann hat sich das erledigt.« Er sah auf einen aufgespießten Arbeitsbogen. »Ölwechsel. Generalüberholung. Das ist alles.«

»Könnte ich vielleicht mal die Leute sprechen, die das ausgeführt haben?«

»Wozu denn?«

»Ehm ... ich muß meinen Vater chauffieren, und ich kenne den Wagen noch nicht ... Vielleicht hat jemand ein paar Tips, wie ich verhindern kann, daß der Motor überhitzt wird, wenn wir so im Schneckentempo von Haus zu Haus fahren.«

Basil Rudd zuckte die Achseln. »Fragen Sie Terry. Es war sein Job.«

Ich dankte ihm und ging zu Terry, der sich mit drei Worten beschreiben ließ: groß, dick, kahlköpfig. Dazu ein brauner, ölverschmierter Overall.

Auch er sah auf meine Zeitung. Er legte Gift in seine tiefe Dorseter Stimme.

»Kommen Sie mir bloß nicht mit Bobby Rudd.«

Das hatte ich nicht vorgehabt, aber ich sagte: »Warum nicht?«

»Weil der die Leute durchs Schlafzimmerfenster mit vibrationsempfindlichen Horchapparaten belauscht, und ehe man sich’s versieht, steht in der Zeitung zwar nicht, wie man’s getrieben, aber was man im Bett über den Chef und seine Lieblingskundin erzählt hat, die dauernd ihren neuen Wagen in die Werkstatt bringt, damit er ihr unter den Rock fassen kann. Wegen Bobby bin ich rausgeflogen.«

»Sie sind doch noch hier«, meinte ich.

»Na ja, Basil hat mich eingestellt, weil er Bobby, seinen Cousin, nicht riechen kann. Rausgeflogen bin ich in Quindle bei Bobbys Vater, dem versoffenen Onkel von Basil ...« Er unterbrach sich. »Was wollen Sie denn, wenn Sie Bobby Usher Rudd nicht herführt, Junge?«

»Ich, ehm . Sie haben den Range Rover meines Vaters gewartet. Was war da dran?«

»Abgesehen von dem Blümchenkram?« Er kratzte sich den blanken Schädel. »Fremdkörper in der Ölwanne, würde ich mal sagen. Sonst nichts. Ihr Auto ist wie neu.«

»Was für ein Fremdkörper?«

Er sah mich unschlüssig an. »So genau weiß ich das nicht.«

»Hm ... woher wissen Sie denn, daß einer drin war?«

Um das zu beantworten, holte er weit aus, indem er zunächst einmal erzählte, wie er an den Auftrag gekommen war. »Jemand von Ihrem Wahlkampfbüro - Teck oder so ähnlich - rief Basil an, Sie hätten da einen bemalten Range Rover, mit dem vielleicht was nicht stimmt, den sollte sich gleich mal jemand vornehmen, also bin ich hin, hab mir von Teck die Schlüssel geben lassen und den Wagen gestartet, und wie der anspringt, ist astrein.«