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»Orinda .« Ich war praktisch sprachlos.

»Sie haben mir auf der Rennbahn etwas klargemacht ...«:, begann sie und setzte wieder neu an. »Sie haben mir gezeigt, daß man mit einer unerträglichen Enttäuschung fertig werden kann.

Sie haben mir einen Spiegel vorgehalten. Jedenfalls soll niemand meinen, ich hätte Ihr altes Wahlkampfbüro angezündet, um Ihren Vater loszuwerden, und deshalb schlage ich mich auf seine Seite. Von jetzt an werde ich ihn in jeder Hinsicht unterstützen. Ich hätte nie auf die Leute hören sollen, die mir einreden wollten, er hätte mich um mein Recht betrogen. Es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber ehrlich gesagt frage ich mich, ob ich nicht sogar erleichtert darüber war, daß ich nicht nach Westminster gehen muß . Die Arbeit im Wahlkreis, die mag ich wirklich, und das tut auch am meisten weh - daß diejenigen, für die ich so geschuftet habe, mir einen Fremden vorgezogen haben.«

Sie schwieg und schaute mich fast verzweifelt an, um zu sehen, ob ich sie überhaupt verstand, und ich verstand sie so gut, daß ich mich spontan vorbeugte und ihr einen Kuß auf die Wange gab.

Eine Kamera blitzte.

»Ich fasse es nicht«, schrie Orinda. »Er folgt mir auf Schritt und Tritt.«

Usher Rudd nutzte das Überraschungsmoment und eilte bereits die Straße hinunter, um sich unter die Passanten zu mischen.

»Mir läuft er auch nach«, sagte ich und legte Orinda die Hand auf den Arm, damit sie gar nicht erst versuchte, ihn noch einzuholen. »Sie haben mich vor ihm gewarnt, und ich habe meinen Vater informiert ... aber solange Usher Rudd sich an die Gesetze hält, kann man wohl nichts gegen ihn machen, und das Recht ist immer noch auf der Seite von Rudd und Konsorten.«

»Mein Privatleben geht doch nur mich an!« Sie warf mir einen Blick zu, als sei es meine Schuld, daß sich auch andere dafür interessierten.

»Drogenhändler«, sagte ich, »wären arbeitslos, wenn niemand Drogen haben wollte.«

»Was?«

»Der sogenannte Antidrogenkrieg richtet sich gegen die Falschen. Man müßte die Käufer einsperren. Die Nachfrage stoppen. Der menschlichen Natur einen Riegel vorschieben.«

Sie sah mich verständnislos an. »Was haben Drogen denn mit Usher Rudd zu tun?«

»Wenn die Leute nicht scharf auf seinen Schund wären, würde er ihn nicht fabrizieren.«

»Und Sie meinen ... die Nachfrage bleibt?«

Darauf brauchte ich ihr nicht zu antworten. Wir gingen wieder ins Büro, und nachdem sie ihre Neuigkeit verkündet hatte, ließ sie sich von Mervyn (ohne Foto) in die Arme schließen und von den drei Hexen willkommen heißen, die zwar ihre Vorbehalte hatten, sich aber in alter Treue, mit vor Aufregung geröteten Wangen, schnell auf die neue Lage einstellten.

»Wo werbt ihr heute, Mervyn?« fragte Orinda, und er zeigte es ihr auf der Karte, was unverhofft dazu führte, daß ich an diesem Morgen den Range Rover mit Mervyn, Faith, Lavender und Orinda samt den Plakaten, auf denen sie uns ihre Sympathie erklärte, durch Hoopwestern fuhr.

Da Mervyn den Redakteur der Gazette verständigt und ihn aus seiner Hau-die-Politiker-Haltung herausgeschockt hatte, erwarteten uns auf dem Parkplatz hinter dem ausgebrannten Laden eine rasch zusammengetrommelte Schar Schaulustiger, der Leitartikler der Gazette (der sonst wenig zu tun hatte) und der verliebte Bildreporter, der Orinda schon bei dem Empfang im Schlafenden Drachen vor acht Tagen wie hypnotisiert mit seiner Kamera hinterhergelaufen war.

Orinda flirtete wieder mit der Kamera (oder mit ihm - es lief auf dasselbe hinaus) und verkündete elegant über ein störungsfreies Mikrophon, daß George Juliard, ein Politiker, den das Land mit Sicherheit noch schätzen lernen werde, der bestmögliche Ersatz für ihren geliebten Mann Dennis sei, der sein Leben den Menschen dieses wunderbaren Teils von Dorset gewidmet habe.

Applaus, Applaus. Begleitet von dem nur leicht inszenierten Beifall, flimmerte sie in den 12-Uhr-Nachrichten durch die Wohnstuben von Hoopwestern.

Als mein Vater mit dem Zug aus London zurückkam, hatte er schon mit gemischten Gefühlen von Orindas Pressekonferenz gehört - wollte sie ihm das Leben retten oder nur die Schau stehlen? -, aber bei der nächsten Wahlversammlung am selben Abend umarmten sie einander so herzlich, wie es noch einen Tag vorher undenkbar gewesen wäre.

Nicht alle waren angetan.

Orindas Schatten Wyvern, der Anonyme Liebhaber, folgte ihr wie Donnergrollen. Sie, ganz strahlende Großmut und Stärke, umweht von brombeerfarbenem Satin, warf ihm immer wieder fragende Blicke zu, als sei ihr unklar, woher sein Mißmut rührte. Im Gegensatz zu mir, der im Lauf des Abends allmählich dahinterkam, begriff sie nicht, daß sie mit dem für sie befreienden Entschluß, den Ärger über ihre Nichtaufstellung über Bord zu werfen, irgendwie seine Stellung untergraben hatte. Er war Dennis Nagles bester Freund gewesen, aber Orinda ließ ihren Dennis jetzt hinter sich.

Die liebe Polly blickte zu meinem Erstaunen ausgesprochen finster drein, obwohl sie Orindas Sinneswandel selbst mit herbeigeführt hatte.

»Mit einer so radikalen Kehrtwende hatte ich nicht gerechnet«, nörgelte sie. »Jetzt gibt sie wieder die First Lady im Wahlkreis. Die Rolle steht ihr zwar gut, aber sie ist nicht Georges Frau und kann nicht wie früher bei jeder Feier die Gastgeberin spielen oder so, aber ich wette, genau das schwebt ihr vor. Was haben Sie ihr beim Pferderennen bloß gesagt?«

»Ich dachte, Sie wollten, daß sie meinem Vater zur Seite steht«, erwiderte ich.

»Na ja, schon. Aber ich möchte nicht, daß sie die ganze Zeit herumläuft und sagt, wir hätten sie aufstellen sollen.«

»Bringen Sie ihn ins Parlament«, sagte ich. »Stellen Sie ihn an den Startblock, dann wird er mit Orinda und allem anderen schon fertig.«

»Wie alt sind Sie noch mal?«

»Ende nächster Woche werde ich achtzehn. Und Sie, liebe Polly, haben selbst gesagt, daß ich Gedanken lesen kann.«

Sie fragte etwas bestürzt: »Können Sie etwa meine lesen?«

»Ein bißchen.«

Sie lachte unbehaglich, aber ich las nur Gutes bei ihr.

Bei Leonard Kitchens konnte man das Gegenteil behaupten. Mir war aufgefallen, daß die Spitzen seines buschigen Schnurrbarts als Wetterfahne fungierten und anzeigten, in welche Richtung seine Gefühle gingen. Ihr entschiedenes Hochstehen an diesem Abend war kämpferisch und wichtigtuerisch zugleich, eine Verbindung, die auf Streitlust deutete. Die korpulente Mrs. Kitchens (in großen rosa Blüten auf dunkelblauem Grund) verfolgte ein Weilchen besorgt die Wege ihres Leonards auf der Versammlung und kam dann schnurstracks zu mir.

»Tun Sie was«, zischte sie mir ins Ohr. »Orinda soll meinen Leonard in Ruhe lassen.«

Mein Eindruck war eher, daß er es war, der Orinda nicht in Ruhe ließ, da sein Schnurrbart dauernd ihren Hals umsummte, aber auf Mrs. Kitchens’ fortgesetztes Drängen ging ich zu ihnen und hörte mir Leonards erhitzte, quengelige Einwendungen an.

»Ich würde alles für dich tun, Orinda, das weißt du, aber jetzt unterstützt du den Feind, und wenn ich sehe, wie der sich an dich ranschmeißt, wird’s mir -«

»Komm schon, Leonard«, sagte Orinda leichthin, ohne die brodelnde Lava hinter dem etwas lächerlichen Äußeren zu bemerken, »die Lage hat sich geändert.«

Zumindest nach außen hin hatte Orinda die Partei definitiv hinter JULIARD geeint; doch als wir am Abend in unserem Zimmer waren, wollte mein Vater buchstäblich kein Wort über sie hören. Im Gegenteil, er legte ganz entschieden den Finger auf die Lippen, zog mich auf den Gang hinaus und schloß die Tür hinter sich.

»Was ist los?« fragte ich verwundert.

»Der Redakteur der Gazette hat mich heute abend gefragt, ob ich meine Wähler für blöd halte.«

»So ein Quatsch. Das ist doch -« Ich verstummte.

»Eben. Denk mal zurück. Als wir im Scherz von blöden Wählern gesprochen haben, waren wir allein hier auf dem Zimmer. Hast du das weitererzählt?«