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»Juliard.«

»Genau.«

»Ich bin sein Sohn«, sagte ich. »Die Dame hier, der Sie so gekonnt ausgewichen sind und der Sie gerade geholfen haben, ist Mrs. Orinda Nagle, die Frau des Abgeordneten, der bis zu seinem Tod den Kreis Hoopwestern im Parlament vertreten hat.«

»Gott!« Vor Überraschung ließ er wenigstens die Rechtfertigungsversuche. Wahrscheinlich legte er sich schon eine Neufassung der Geschichte für seine Arbeitgeber zurecht. »Ich bin aus Quindle«, sagte er. »Wie die Dinge liegen, hat Ihr Vater angeblich keine Chance, aber jetzt wähle ich ihn vielleicht trotzdem. Das wär doch schon was!«

Ich notierte seinen Namen, den er mir bereitwillig nannte, sowie Namen und Rufnummer der Möbelfabrik, bei der er beschäftigt war, und er sagte förmlich strahlend »Kopf hoch« zu Orinda und fuhr winkend mit einem Lächeln - ja, mit einem Lächeln - für uns beide von dannen.

Alderney Wyvern hatte die ganze Zeit über dagestanden, als wären seine Schuhsohlen am Boden festgeklebt.

Das Gehupe und die quietschenden Reifen hatten einige Leute aus ihren Häusern gelockt, aber da nicht direkt ein Unfall passiert und Orinda aufgestanden war und sich ins Auto gesetzt hatte, war ihre Neugier rasch verflogen. Usher Rudd und seine Kamera waren ausgerechnet jetzt, wo es wirklich etwas zu berichten gab, nicht zur Stelle gewesen.

Mein Vater, Mervyn, Faith und Lavender kamen von einem siegreichen Bekehrungszug durchs Altersheim zurück und erschraken beim Anblick der blutverschmierten, erschütterten Orinda. Das Papiertuch aus ihrer Handtasche hatte wenig ausgerichtet. Sie weinte jetzt einfach unglücklich vor sich hin und ließ den Tränen freien Lauf.

»Was ist los?« fragte mein Vater mich grimmig. »Was hast du getan?«

»Nichts!« sagte ich. »Ich meine ... wirklich nichts.«

Orinda sprang mir bei. »George, Benedict hat mir geholfen ... Ich fasse es nicht ...« Ihre Stimme kippte. »Alderney ... Alderney ... h-h-hat mich geschlagen.«

»Er hat was?«

Wir schauten alle die Straße hinunter auf Wyvern, der noch kampflustig die Stellung hielt, und meinem Vater mußte im Gegensatz zu mir niemand erst erklären, was für Gefühle hier im Spiel waren. Grimmig entschlossen ging er auf den keine Spur von Reue zeigenden ehemals besten Freund zu und stellte ihn, wenn wir auch die Worte nicht verstanden, laut zur Rede. Wyvern gab genauso heftig Antwort und fuchtelte mit den Armen.

»Benedict ...«, bat mich Orinda, zunehmend nervös, »sehen Sie zu, daß die beiden aufhören.«

Sie hatte leicht reden; das waren zwei erwachsene Männer, und ich ... Egal, schon war ich da und packte meinen Vater am Arm, als er gerade mit geballter Faust wütend auf Wyvern losgehen wollte, der unglaublicherweise spöttisch grinste.

Mein Vater fuhr herum und brüllte mich an: »Mach, daß du wegkommst.«

»Der Pakt«, rief ich. »Denk an den Pakt.«

»Was?«

»Unser Pakt«, wiederholte ich. »Schlag ihn nicht, Vater ... Dad. Schlag ihn nicht.«

Die unbeherrschte Wut verschwand aus seinen Augen, als wäre er plötzlich aufgewacht.

»Er will, daß du ihn schlägst«, sagte ich. Ich wußte nicht, wie ich darauf kam oder wieso ich mir da so sicher war. Es hing damit zusammen, daß sich Wyvern, statt wegzufahren, nicht vom Fleck gerührt hatte, aber in erster Linie war es Intuition, ausgehend von seiner Körpersprache. Er suchte Streit. Er wünschte meinem Vater alles mögliche an den Hals, nicht zuletzt schlechte Publicity vor dem Wahltag.

Mein Vater sah mich ausdruckslos an und ging dann an mir vorbei zum Range Rover. Ich wollte ihm nachgehen, aber Wyvern, dessen niemals lächelnde Züge jetzt brutale Gemeinheit bloßlegten, packte mich und riß mich zu sich herum. Wenn der Vater nicht spurte, sollte der Sohn dafür büßen.

Ich konnte weder boxen noch Karate, besaß aber von Natur aus gute Reflexe und eine in Reit- und Skisport geschulte Körperbeherrschung. Wyvern hatte vielleicht kräftige Hände, aber ich konnte zwei wilden Schlägen nach meinem Gesicht ausweichen, die mich glatt umgeworfen hätten, und konzentrierte mich ganz darauf, auf den Beinen zu bleiben.

Er drängte mich gegen eine schulterhohe Bruchsteinmauer zwischen dem Gehsteig und einem Garten, doch ich entwand mich seinem Griff und nahm Reißaus, da ich nicht irgendeinen Kampf gewinnen, sondern nur ungeschoren davonkommen wollte.

Schon hörte ich Wyvern hinter mir und sah, wie mein Vater mit wieder aufloderndem Zorn kehrtmachte, um mir zu helfen.

»Steig ein«, schrie ich ihn verzweifelt an, »setz dich ins Auto!«, und er stockte, drehte sich wieder um und tat wunderbarerweise, was ich gesagt hatte.

Drei Schritte von dem Range Rover entfernt blieb ich stehen und drehte mich rasch zu Wyvern um, der bei aller Erregung das Kalkül nicht vergessen hatte: Er taxierte sein Publikum - Orinda,

Vater, Mervyn, Faith, Lavender -, und da er angesichts so vieler kalter Blicke zu dem Schluß kam, daß weitere Tätlichkeiten unliebsame rechtliche Konsequenzen haben würden, machte er drei Meter von mir entfernt halt.

Bei seinem giftigen Gesichtsausdruck wurde mir ganz mulmig.

»Eines Tages«, sagte er, »eines Tages krieg ich dich.«

Aber nicht heute, dachte ich, und nur das zählte.

Er ging ein paar Schritte rückwärts, wobei seine Züge sich bereits wieder glätteten, dann drehte er sich um und lief zu seinem Wagen, als wäre nichts passiert. Stieg ein, ließ den Motor an und fuhr seelenruhig, ohne quietschende Reifen oder ähnliche Mätzchen davon.

Die Leute in und um den Range Rover brachten erst einmal den Mund nicht auf.

Schließlich räusperte sich Mervyn und sagte: »Orinda braucht einen Arzt.«

Sie war anderer Meinung. »Ich brauche ein Taschentuch.«

Faith und Lavender förderten ein paar zerdrückte weiße Papiertücher zutage. Orinda trocknete ihr Gesicht, sah in einen Handspiegel und stöhnte über den traurigen Anblick, den sie bot. »So gehe ich nirgendwohin.«

»Und die Polizei?« tippte Faith an.

»Nein«, sagte Orinda, und niemand hielt dagegen.

Alle waren still, als ich uns mit dem Range Rover zurück zum Büro fuhr, und dort setzte mein Vater Orinda gleich in ihr eigenes Auto, um sie nach Hause zu bringen, während ich hinterherfuhr, um ihn mit zurückzunehmen.

Er schwieg auf der ganzen Rückfahrt, doch als ich anhielt, sagte er schließlich: »Orinda meint, ohne dich hätte der Laster sie überfahren.«

»Oh.« »Stimmt das?«

»Der Fahrer ist uns ausgewichen.«

Er wollte genau wissen, was passiert war.

»Ihre Augen tränten«, sagte ich. »Sie konnte nicht sehen, wo sie hinlief.«

Ich wollte aussteigen, aber er hielt mich zurück.

»Warte.« Es schien, als suchte er nach Worten und fände sie nicht.

Schließlich sagte er: »Ich fürchte, ich habe dir mehr aufgeladen, als in meiner Absicht lag.«

Ich lachte beinah. »Über Langeweile kann ich nicht klagen.«

Am darauffolgenden Samstag fuhr er zeitig nach Quindle, wo eine Rundfahrt durch die Vororte anstand, und wegen eines Essens am gleichen Abend und weiterer Verpflichtungen am Sonntagmorgen blieb er über Nacht dort.

An diesem Sonntag wurde ich achtzehn. Vater hatte gesagt, er werde mir einen Geburtstagsgruß dalassen, den ich früh um neun bei Crystal abholen solle. Er sei am Nachmittag zurück, und später würden wir zur Feier des Tages essen gehen. Keine Wahlversammlungen mehr, hatte er gesagt. Nur wir beide, mit Champagner.

Als ich um neun zum Wahlkampfbüro kam, war die Tür noch zu, und erst eine Viertelstunde später erschien Crystal und schloß auf. Ja, sie hätte eine Karte von meinem Vater für mich, meinte sie ... und herzlichen Glückwunsch.

Sie nahm einen Briefumschlag aus der Schublade und gab ihn mir, und ich fand eine Grußkarte mit einem lustigen Spruch übers Älterwerden darin und sonst nichts. »Dein Dad«, hatte er daruntergeschrieben.