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»Das war Pauls dritter Anlauf, das Mandat zu kriegen«, erzählte sie mir mutlos. »Die ersten beiden Male, gegen Dennis Nagle, wußten wir, daß er unterliegt, aber diesmal war die Partei überzeugt, daß er’s schafft, weil der Ausgang der jüngsten Nachwahlen für uns sprach und die Gegenpartei statt Orinda einen Unbekannten rangeholt hat, und jetzt werden sie Paul nicht mehr aufstellen. Er hat verloren wie noch nie, obwohl alles für ihn sprach, und nur wegen diesem gräßlichen Usher Rudd, den könnte ich umbringen ...« Sie vergrub ihr Gesicht in einem

Taschentuch, wie um ihre Umgebung auszublenden, strich mir über den Arm und sagte leise: »Ich vergesse Ihnen Ihre Freundlichkeit nicht.«

Ihr blöder Mann oben auf dem Podium sah unverändert selbstzufrieden aus.

Vor einem Monat, dachte ich, hatte ich noch gar nicht gewußt, daß es die Bethunes gab.

Die liebe Polly hatte im verborgenen geblüht.

Ich hatte nichts von Orinda, nichts von Alderney Wyvern gewußt.

Ich hatte weder Mrs. Kitchens noch ihren wenig liebenswerten, fanatischen Leonard gekannt und den tüchtigen, dicken Mervyn so wenig wie die scheue Crystal. Wie Faith, Marge und Lavender mit Nachnamen hießen, wußte ich immer noch nicht, aber von dem gemeinen rothaarigen Ekel, dessen Lebensglück darin bestand, hinter die heimlichen Freuden anderer zu kommen, um ihnen einen Strick daraus zu drehen, kannte ich den vollen Namen und würde ihn auch nicht wieder vergessen: Bobby Usher Rudd.

Kapitel 9

Mein Vater ging also nach Westminster und ich nach Exeter, und die ereignisreichen, intensiv erlebten Wochen, die wir damit verbracht hatten, uns kennenzulernen, lebten als Erinnerung fort.

Es kam vor, daß wir uns wochenlang nicht sahen, aber wir telefonierten oft miteinander. Das Parlament war noch in der Sommerpause. Er würde ebenso neu einsteigen wie ich, wenn das Semester anfing.

In der Zwischenzeit ritt ich allmorgendlich Sarah’s Future unter Stallworthys kritischem Blick, und er schien mit mir nicht so unzufrieden zu sein wie Vivian Durridge, denn als ich ihn fragte, ob er den Fuchs mit mir für ein Rennen nennen würde, egal was für eins, meldete er ihn prompt für ein unauffälliges Sieglo-senrennen an einem Donnerstag in Wincanton und meinte nur, ich sei die Groschen hoffentlich auch wert, die mein Vater für Transport und Hufbeschlag, ganz zu schweigen vom Nenngeld, hinlegen müsse.

So ließ ich mich halb froh und halb schuldbewußt von Jim nach Wincanton fahren, und Jim, der nach der Starterangabe vor Ort das Pferd sattelte, konnte dessen Sieg ebensowenig fassen wie ich, als ich als Erster durchs Ziel ging.

»Der ist geflogen!« sagte ich begeistert und verblüfft beim Lösen der Gurte im Absattelring. »Er war großartig.«

»Ich hab’s gesehen.«

Jims verhaltene Reaktion fand ihre Erklärung darin, daß er nicht den Mut gehabt hatte, eine Wette anzulegen. Auch Stallworthy war nicht übermäßig erfreut. Er sagte am nächsten Morgen lediglich: »Du hast den besten Sieg des Pferdes verschenkt.

Wie kann man nur! Ich hätte ja nicht im Traum gedacht, daß du in Front gehst, wenn der Favorit stürzt, sonst hätte ich dir gesagt, halt den Fuchs schön kurz, dann machen wir das nächste Mal eine Stallwette. Möchte nicht wissen, was dein Vater dazu sagt.«

»Gratuliere«, sagte mein Vater.

»Aber keiner hat auf ihn gesetzt ...«

»Hör nicht auf Stallworthy. Hör auf mich. Du hast das Pferd, damit du was daraus machst. Damit du gewinnst, sooft du kannst. Und gewettet hab ich’s auch. Ich habe mit einem Buchmacher vereinbart, daß ich bei jedem Rennen, an dem du teilnimmst, egal wann, egal wo, zum Startkurs auf dich setze. Gestern habe ich 210 zu 10 auf dich gewonnen ... ich lerne sogar schon den Rennsportjargon. Versuch immer zu siegen. Verstanden?«

»Ja«, sagte ich schwach.

»Und es stört mich nicht, wenn du verlierst, weil ein anderes Pferd schneller ist. Halt dich nur an die Regeln und brich dir nicht den Hals.«

»Okay.«

»Ist sonst noch was?«

»Ehm .«

»Wenn du Angst hast, es mir zu sagen, kommen wir nicht weiter.«

»Angst habe ich nicht direkt.«

»Also?«

»Tja ... könntest du Stallworthy anrufen? Könntest du ihm sagen, er soll dein Pferd im Sieglosenrennen in Newton Abbot morgen in acht Tagen laufen lassen? Genannt hat er’s, aber jetzt will er wahrscheinlich nicht mehr. Er wird sagen, es sei zu früh. Das Pferd müsse fünf Pfund Aufgewicht tragen, weil ich gestern mit ihm gesiegt habe.«

»Stimmt das denn?«

»Ja, aber so viele Rennen, die für mich in Frage kommen, gibt’s nicht mehr, bis das Semester anfängt. Stallworthy will gewinnen, aber ich will einfach Rennen reiten.«

»Ja, ich weiß.« Er schwieg. »Newton Abbot geht klar. Sonst noch was?«

»Nur ... vielen Dank.«

Sein Lachen klang durch die Leitung. »Grüß Sarah’s Future von mir.«

Ich kam mir etwas albern vor, als ich dem Fuchs die Grüße bestellte, obwohl ich mir sogar angewöhnt hatte, mit ihm zu reden - wenn wir allein waren, manchmal laut, sonst meist in Gedanken. Trotz meiner Reiterfahrung war er das erste Pferd, mit dem ich kontinuierlich Tag für Tag zu tun hatte. Er war für meine Körpergröße und meinen Leistungsstand wie gemacht. Wenn ich morgens zum täglichen Arbeitsgalopp erschien, atmete er förmlich auf. Wir hatten das Rennen in Wincanton gewonnen, weil wir einander kannten und vertrauten und weil er, als ich ihn zum Schlußspurt aufforderte, gewußt hatte, was not tat, und über den ersten Platz schien er sich mindestens ebenso gefreut zu haben wie ich.

Jim verzieh uns den Erfolg und befaßte sich mit uns. Er hatte einen natürlichen Zugang zu Pferden, und wie sich bald herausstellte, lag die eigentliche Trainingsarbeit vorwiegend bei ihm. Stallworthy sah zwar meistens bei der Morgenarbeit zu, gewann seine Rennen aber mit Papier und Stift, indem er Zeiten, Gewichte und statistische Wahrscheinlichkeiten durchrechnete.

In der Mitte der langen Grasbahn waren zwei Reihen Trainingssprünge angelegt, eine mit drei Hürden, eine mit festen Hindernissen. Stundenlang leitete Jim den Fuchs und mich im schnellen und genauen Überspringen der Hindernisse an, indem er uns immer weiter vor dem eigentlichen Sprung mit dem Anreiten beginnen ließ.

Bis dahin hatte ich mir meinen Reitstil bei anderen Leuten abgesehen. Bei Jim lernte ich quasi von innen heraus zu reiten, so daß ich nach einem Monat mit Sarah’s Future langsam anfing, mich von einem ungestümen Zappler mit nichts als Flausen im Kopf in einen halbwegs kompetenten Amateurrennreiter zu verwandeln.

Nicht ohne ausgiebig darüber zu donnerwettern, daß Besitzer, die von Pferderennen keine Ahnung hatten, gut daran täten, alle Entscheidungen ihren Trainern zu überlassen, schickte Stallworthy den mit fünf Pfund Aufgewicht belasteten Fuchs nach Newton Abbot.

Auf der Bahn war ich noch nie geritten, und bei ihrem Anblick dachte ich zunächst, ich hätte besser auf Stallworthy hören sollen. Es war eine zweitausendvierhundert Meter lange, für Jagdrennen umfunktionierte Flachbahn mit scharfen Kurven, und das kurze Gras bot kaum Halt auf dem von der Augustsonne steinhart gebrannten Boden.

Stallworthy, der noch mehrere andere Pferde dort laufen ließ, war mit kritischem Auge präsent. Jim sagte mir beim Aufsatteln von Sarah’s Future, der Fuchs kenne die Bahn besser als ich (der sie ein paar Stunden zuvor abgegangen war, um die Sprünge und die Anreitwege aus der Nähe zu studieren); ich solle mich an das halten, was er mir zu Hause beigebracht habe und wegen des Aufgewichts nicht zuviel erwarten, zumal dies kein Amateurrennen sei und alle anderen im Feld Profis.

Wie immer war es das Tempo, das mich lockte und mir Erfüllung gab, und damit, daß wir Dritter wurden, hatte sich der Tag für mich schon gelohnt, wenngleich Stallworthy, der zufällig auch den Sieger trainiert hatte, mir wiederholt vorhielt: »Hab ich dir doch gesagt. Hab ich deinem Vater doch gesagt, da kommt nichts bei raus. Vielleicht hört er ja nächstes Mal auf mich.«