Dies war ein so vernünftiger Rath, daß ich ihn nicht ausschlagen durfte. Ich faßte daher Briefe an die Frau in London, welche mein Geld besaß, und eine Vollmacht für den portugiesischen Kapitän ab, wie mein Freund es mir gerathen hatte. Der Kapitänswittwe gab ich einen ausführlichen Bericht über meine Abenteuer, erzählte ihr von meiner Sklaverei und Flucht, von der Begegnung mit dem portugiesischen Kapitän und seinem menschenfreundlichen Benehmen, von meiner gegenwärtigen Lage und ertheilte ihr die nöthige Anweisung zur Uebersendung des Geldes. Als mein Freund nach Lissabon gekommen, gelang es ihm, durch einen englischen Kaufmann sowohl die Anweisung, als auch einen mündlichen Bericht über meine Erlebnisse nach London zu übermachen. Die Wittwe sandte hierauf außer dem Geld noch aus eigner Tasche an den portugiesische Kapitän ein sehr schönes Geschenk für sein liebreiches Benehmen gegen mich.
Der londoner Kaufmann legte die hundert Pfund in englischen Waaren an, wie es der Kapitän vorgeschrieben, schickte sie sofort nach Lissabon und letzterer brachte sie wohlbehalten nach Brasilien. Es befanden sich darunter (der Anordnung des Kapitäns gemäß, denn ich verstand zu wenig von der Sache) alle Arten Werkzeuge, Eisenwaaren und andere Dinge, die ich auf meiner Pflanzung gut benutzen konnte.
Als die Sendung angekommen war, dachte ich, mein Glück sei gemacht, so voll freudiger Zuversicht war ich. Mein guter Kapitän hatte die fünf Pfund Sterling, die ihm meine Freundin zum Geschenk gemacht, dazu verwandt, für mich auf sechs Jahre einen Diener zu miethen. Er nahm Nichts dafür zur Vergeltung an als ein wenig Tabak, den ich selbst gezogen hatte.
Meine Waaren bestanden in lauter englischen Manufaktursachen, in Tüchern, Stoffen, und solchen Dingen, die in Brasilien besonders gesucht waren, daher ich sie mit Vortheil verkaufen konnte. So löste ich denn das Vierfache des Einkaufspreises aus meiner ersten Ladung und war nun meinem armen Nachbar weit an Mitteln überlegen. Das Erste, was ich nun that, war, daß ich mir einen Negersklaven kaufte und außer dem europäischen Diener, welchen der Kapitän mitgebracht hatte, noch einen weitern miethete.
Wie aber der Mißbrauch des Glücks oftmals unser größtes Unglück herbeiführt, so war's auch bei mir. Meine Pflanzung nahm im nächsten Jahr einen großen Aufschwung. Ich erntete fünfzig schwere Rollen Tabak, außerdem, was ich an meine Nachbarn überlassen hatte. Diese fünfzig Rollen, deren jede über hundert Centner wog, wurden wohl verwahrt aufgespeichert bis zur Rückkehr der lissaboner Schiffe.
Jetzt aber füllte mir mein wachsender Reichthum den Kopf mit allerlei Anschlägen, die über meine Mittel gingen, wie das schon oft die gescheitesten Geschäftsleute ruinirt hat.
Wäre ich in meiner damaligen Lage geblieben, so hätte ich wohl noch alles Glückes theilhaftig werden können, um dessentwillen mein Vater mir so eindringlich ein ruhiges stilles Leben empfohlen hatte. Allein es harreten andere Dinge auf mich. Ich sollte noch der willfährige Schmied meines eigenen Unglücks werden. Ich sollte das Maß meiner Thorheit vollmachen und mir für Selbstbetrachtungen, zu denen ich später Zeit genug haben sollte, noch mehr Stoff sammeln. All mein Mißgeschick aber ward herbeigeführt durch meine thörichte Neigung zu einem unstäten Leben, dem ich, entgegen den klarsten Beweisen, daß mir das Beharren in meinem jetzigen Leben am besten bekomme, unablässig nachstrebte.
Wie ich einst meinen Eltern entlaufen war, so konnte ich auch jetzt nicht in zufriedener Ruhe leben. Ich mußte auf und davon und der glücklichen Aussicht, ein reicher Mann auf meiner neuen Pflanzung zu werden, den Rücken kehren. Nur das unmäßige Verlangen, höher zu steigen, als es meiner Natur angemessen war, trieb mich dazu, und so stürzte ich mich denn in die tiefste Tiefe menschlichen Elends, in die je Einer gerathen ist, und in der nicht leicht ein Anderer sein Leben und seine Gesundheit behalten haben würde.
Kapitel 3
Ich werde jetzt den Faden meiner Geschichte wieder im Zusammenhang verfolgen. Wie man denken kann, hatte ich nach vierjährigem Aufenthalt in Brasilien und nachdem meine Pflanzung in guten Zug gekommen war, nicht nur die Landessprache gelernt, sondern auch Bekannte und Freunde unter meinen Pflanzerkollegen und den Kaufleuten zu St. Salvador gewonnen. Bei meinen Gesprächen mit ihnen war auch oft von meinen beiden Reisen an die Küste von Guinea, von der Art und Weise des Handels mit den Negern und auch davon die Rede gewesen, wie leicht es sei, dort für Kleinigkeiten, wie Spielwaaren, Glasperlen, Messer, Scheeren, Beile und dergleichen, nicht nur Goldstaub, Guineakorn, Elephantenzähne &c., sondern auch Neger zur Sklavenarbeit in Brasilien zu erhandeln.
Man lauschte auf diese Mittheilungen mit gespannter Aufmerksamkeit, vorzüglich aber auf das, was den Ankauf von Negern anging. Damals wurde der Handel mit diesen noch nicht stark betrieben. Er stand unter der Oberaufsicht der Könige von Spanien und Portugal, und die Einkünfte flossen in die königlichen Kassen, daher wurden nur wenig Neger nach Brasilien gebracht und diese kosteten schweres Geld.
Einmal, nachdem ich mit einigen Pflanzern und Kaufleuten über diese Dinge mich angelegentlich unterhalten hatte, kamen am nächsten Morgen drei von ihnen zu mir und sagten, sie hätten sich jene Angelegenheit reiflich überlegt und wollten mir einen Vorschlag machen. Ich mußte Verschwiegenheit geloben und hierauf theilten sie mir mit, daß sie Lust hätten ein Schiff nach Guinea zu schicken, da es ihnen auf ihren Pflanzungen an Nichts so sehr fehle als an Arbeitern. Weil sie jedoch keinen öffentlichen Handel mit Sklaven treiben dürften, so beabsichtigten sie nur eine einzige Reise zu machen, die erkauften Neger heimlich ans Land zu bringen und dann unter sich zu theilen. Es frage sich nun, ob ich als ihr Supercargo die Expedition zu Schiffe leiten wolle. Als Vergütung sollte ich einen gleichen Antheil wie sie von den Negern bekommen, ohne zu dem Ankaufskapital beizusteuern.
Dies wäre ein lockendes Anerbieten für Einen gewesen, der nicht eine eigne Pflanzung, die auf dem besten Wege sich zu vergrößern war, zu überwachen gehabt hätte. Für mich aber, der ich einen guten Anfang gemacht hatte und nur so fort zu fahren brauchte, um mit Hülfe meiner andern hundert Pfund aus England binnen drei oder vier Jahren sicherlich mir ein Vermögen von drei- bis viertausend Pfund Sterling erworben zu haben, war der bloße Gedanke an eine solche Reise das Unsinnigste, dessen ich mich schuldig machen konnte.
Jedoch ich hatte nun einmal die Bestimmung, mich zu Grunde zu richten, und deshalb konnte ich dem Anerbieten ebensowenig widerstehen, als ich einst dem guten Rath meines Vaters zu folgen vermocht hatte. Kurz, ich sagte jenen Leuten, daß ich von Herzen gern die Reise machen wolle, wenn sie versprächen, während meiner Abwesenheit für meine Pflanzung zu sorgen und sie, wenn ich umkommen sollte, an die von mir bestimmten Personen zu überliefern. Sie gingen hierauf ein und stellten mir ein urkundliches Versprechen darüber aus. Ich faßte dann ein förmliches Testament ab, verfügte darin über meine Pflanzung und über meine sonstige Habe für den Fall meines Todes und ernannte den Kapitän, meinen Lebensretter, zum Universalerben, mit der Bestimmung, daß er die Hälfte meines Besitztums für sich behalten, die andere Hälfte verkaufen und den Ertrag nach England schicken solle.
So traf ich allerdings die besten Maßregeln, um die Zukunft meines Vermögens zu sichern. Hätte ich nur halb so viel Nachdenken auf das verwandt, was mein wahres Interesse forderte und was ich thun und lassen sollte, so würde ich sicherlich nicht meine günstige Lage aufgegeben und eine Seereise angetreten haben, auf der mich die gewöhnlichen Gefahren einer solchen und obendrein noch, wie ich nach meiner Erfahrung Grund hatte anzunehmen, ganz besondere Fährlichkeiten erwarteten.