Meine nächste Aufgabe war jetzt, die Gegend auszukundschaften, einen geeigneten Platz für meine Niederlassung auszusuchen und mich umzusehen, wo ich meine Güter am sichersten unterbringen könnte. Ich wußte nämlich nicht, ob ich mich auf dem Festlande oder auf einer Insel befinde; ob die Gegend unbewohnt sei oder nicht; ob es hier wilde Thiere gebe oder keine.
Etwa eine Meile von mir entfernt stieg ein Hügel steil empor, welcher den sich ihm nach Norden hin anreihenden Höhenzug überragte. Ich nahm eine von den Vogelflinten, eine Pistole und ein Pulverhorn zu mir, und so bewaffnet trat ich meine Entdeckungsreise nach jenem Punkte an. Von dort erkannte ich zu meiner großen Betrübniß, daß ich mich auf einer rings vom Meer umgebenen Insel befand. Kein Land war zu sehen, ausgenommen einige Felsen in ziemlicher Entfernung und zwei kleinere Inseln, die etwa drei Meilen westwärts ablagen.
Ich bemerkte ferner, daß meine Insel unangebaut und, wie deshalb mit gutem Grunde anzunehmen, unbewohnt war, wenn es nicht etwa wilde Bestien dort gab, deren ich jedoch bis dahin keine wahrnahm. Nur eine große Menge mir unbekannter Vögel sah ich, von denen ich jedoch, auch nachdem ich einige getödtet, nicht zu sagen vermochte, ob sie eßbar seien. Bei meiner Rückkehr schoß ich einen großen Vogel, der neben einem ansehnlichen Gehölz auf einem Baum saß. Das mochte wohl der erste Schuß sein, der hier seit Erschaffung der Welt vernommen wurde. Kaum war er gefallen, so erhob sich aus allen Gegenden des Waldes eine Unzahl von Vögeln verschiedenster Art, die alle durcheinander krächzten und schrieen. Keine mir bekannte Art war darunter. Der von mir erlegte schien, nach der Farbe und dem Schnabel zu schließen, dem Habichtgeschlecht anzugehören, doch waren seine Klauen nicht wie die bei dieser Vogelgattung gewöhnlichen beschaffen. Mit dem Fleische ließ sich Nichts anfangen.
Indem ich mit diesen Ergebnissen meiner Entdeckungswanderung mich vorläufig begnügte, ging ich nach meinem Floß zurück und beschäftigte mich den Rest des Tages über damit, die Ladung aus Land zu bringen. Da ich mich fürchtete, auf bloßer Erde zu schlafen, wegen der etwa vorhandenen wilden Thiere (später zeigte sich, daß diese Furcht ungegründet gewesen), verbarrikadirte ich mich, so gut es ging, mit den Kisten und Brettern, die ich ans Ufer gebracht hatte, und baute mir daraus für mein nächstes Nachtlager eine Art von Hütte. In Bezug auf meine Nahrung hatte ich vorläufig nichts Brauchbares bemerkt außer einigen hasenähnlichen Thieren, die aus dem Walde gelaufen kamen, in welchem ich den Vogel geschossen hatte.
Ich bedachte nun, daß ich noch sehr mannigfache nützliche Gegenstände und vor Allem das Tau- und Segelwerk aus dem Schiffe holen konnte. Daher beschloß ich eine weitere Reise an Bord des gestrandeten Fahrzeugs zu unternehmen, und da ich einsah, daß der nächsterfolgende Sturm dieses nothwendig zertrümmern mußte, nahm ich mir vor, mit Beiseitesetzung alles andern, sofort zu retten, was möglich sei. Meine Flöße wiederum zu der Fahrt zu benutzen, erschien mir nach reiflicher Erwägung nicht gerathen, und so entschloß ich mich, den Weg zum Schiffe wieder ganz in der früheren Weise zu machen.
Sobald die Flut vorüber war, entkleidete ich mich in meiner Hütte und behielt Nichts an als mein leinenes Hemd, meine leinenen Hosen und die Strümpfe, schwamm an das Wrack heran und begann, an Bord gelangt, sogleich mir ein zweites Floß herzurichten. Diesmal baute ich es, durch die Erfahrung genöthigt, weniger schwerfällig und belud es auch nicht so sehr als das erste Mal. Unter den nützlichen Dingen, die ich diesmal mitnahm, befanden sich zunächst einige Beutel mit Nägeln, ein großer Bohrer, etliche Dutzend Handbeile und ein mir ganz besonders dienlich erscheinender Schleifstein. Außer diesen Gegenständen versicherte ich mich einiger dem Stückmeister anvertraut gewesenen Sachen, nämlich mehrer Stücke Eisen, zweier Fäßchen mit Musketenkugeln, sieben Musketen, noch einer Vogelflinte und einer weiteren kleineren Quantität von Pulver; ferner fand ich einen großen Sack mit kleinem Schrot und eine dicke Rolle Blei. Die letztere war jedoch so schwer, daß ich nicht wagte sie über Bord zu bringen. Weiterhin eignete ich mir zu, was ich an Kleidungsstücken finden konnte, sodann ein Bramsegel, eine Hängematte und etwas Bettwerk. Auch diese zweite Ladung brachte ich zu meiner großen Freude auf dem Floß unversehrt und vollständig ans Ufer.
Mit einiger Furcht hatte ich daran gedacht, während meiner Abwesenheit vom Lande könnten meine dort befindlichen Lebensmittel geraubt sein, doch fand ich bei meiner Rückkehr keinerlei Spuren eines Gastes. Nur sah ich ein Thier, ähnlich einer wilden Katze, auf einer der Kisten sitzen, das, als ich näher kam, eine Strecke fortlief und dann stehen blieb. Es saß ganz ruhig da und sah mir ins Gesicht, als ob es Lust habe, meine Bekanntschaft zu machen. Ich zielte mit dem Gewehr nach ihm, aber das verstand es nicht, wenigstens machte es keine Miene wegzulaufen. Hierauf warf ich ihm ein Stück Zwieback zu, wiewohl ich nicht sehr freigebig mit diesem Artikel sein durfte, da mein Vorrath nicht weit reichte. Das Thier lief darauf zu, beschnüffelte es, fraß es auf und sah mich dann vergnügt an, als ob es noch mehr verlange. Ich dankte jedoch für Weiteres, und da es sah, daß Nichts mehr zu erwarten sei, lief es fort.
Nachdem ich meine zweite Ladung ans Land gebracht, hätte ich am liebsten vor allen Dingen die Pulverfässer geöffnet, um den Inhalt nach und nach (denn es waren große, schwere Behälter) fortzuschaffen. Doch hielt ich es für gerathener, mir zunächst aus Segeltuch und einigen Pfählen, die ich zu diesem Zwecke gefällt hatte, ein Zelt zu errichten. Sobald dies fertig war, brachte ich Alles hinein, was durch Regen oder Sonne beschädigt werden konnte. Rund um das Zelt thürmte ich sämmtliche leere Kisten und Fässer auf, um mich gegen plötzliche Angriffe von Menschen oder Thieren zu sichern. Sodann verschloß ich den Eingang mit einigen Brettern von Innen und mit einem leeren Kasten von Außen, breitete ein Bett auf den Boden, legte meine zwei Pistolen mir zu Häupten und meine Flinte neben mich, ging dann zum ersten Male wieder zu Bett und schlief die ganze Nacht sehr ruhig. Meine Müdigkeit war begreiflich genug, da ich die vorige Nacht nur wenig geschlafen und den letzten Tag über tüchtig gearbeitet hatte.
Wiewohl ich jetzt das größte Magazin von Gegenständen besaß, das wohl jemals ein einzelner Mensch um sich her aufgehäuft hat, gab ich mich dennoch nicht damit zufrieden. Denn da das zertrümmerte Schiff noch in seiner früheren Stellung verharrte, glaubte ich mich verpflichtet daraus zu holen, was ich nur bekommen konnte. So ging ich denn jeden Tag bei niedrigem Wasser an Bord und schaffte diesen und jenen Gegenstand herüber. Das dritte Mal holte ich mir, so viel ich vermochte, vom Takelwerk, alle dünnen Seile und Stricke, ein Stück Leinwand, das zum Ausbessern der Segel bestimmt war, und das Faß mit dem nassen Pulver. In der Folge bemächtigte ich mich nach und nach des sämmtlichen Segeltuchs, ließ es jedoch nicht ganz, sondern schnitt es kurzer Hand in Stücke, da es nur noch als bloße Leinwand zu verwenden war.
Wie groß aber war meine Freude, als ich nach fünf oder sechs solcher Fahrten, während ich schon glaubte, das Schiff enthalte nichts Brauchbares mehr für mich, noch eine große Tonne mit Brod, drei ansehnliche Behälter mit Rum und Spiritus, eine Schachtel mit Zucker und ein Fäßchen mit feinem Mehl entdeckte. Ich leerte die Brodtonne aus, wickelte die Brode einzeln in Segelstücke und brachte Alles wohlbehalten aus Ufer.