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Aller Anstrengung ungeachtet erkannte ich aber bald, daß ich sie nicht einholen würde und daß sie mir aus den Augen kommen müßten, ehe ich ein Zeichen zu geben vermöchte. Schon fing ich an zu verzweifeln, als sie, wie es schien, mit Hülfe ihrer Perspektive mich bemerkt und wahrgenommen hatten, daß mein Boot ein europäisches sei, das vermuthlich zu einem verlorenen Schiffe gehöre. Sie zogen die Segel ein und ließen mich herankommen. Hierdurch ermuthigt, hißte ich die Flagge meines ehemaligen Patrons auf und feuerte als weiteres Nothsignal einen Schuß ab. Sofort legten sie das Schiff bei und nach ungefähr drei Stunden hatte ich sie erreicht.

Sie fragten mich nacheinander auf portugiesisch, spanisch und französisch, was ich für ein Landsmann sei. Ich verstand aber keine dieser Sprachen. Endlich rief mich ein schottischer Matrose, der an Bord war, an, und ich erwiederte, daß ich ein Engländer und aus der Mohrensklaverei von Saleh entflohen sei. Hierauf luden sie mich ein, an Bord zu kommen, und nahmen mich mit all meiner Habe freundlich auf.

Ich war, wie Jedermann glauben wird, unbeschreiblich froh, auf diese Art aus einer so elenden und fast hoffnungslosen Lage befreit zu sein. Sofort bot ich Alles, was ich hatte, dem Schiffskapitän als Lohn für meine Befreiung an. Er aber erwiederte mir großmüthig, er werde Nichts annehmen, es solle vielmehr alle meine Habe mir wieder zugestellt werden, sobald wir nach Brasilien kämen.»Denn«, sagte er,»ich habe Euch das Leben nur aus dem Grunde gerettet, aus dem ich mir selber in ähnlicher Lage Rettung wünschen würde. Vielleicht werde ich früher oder später einmal in gleicher Weise von Jemandem aufgenommen werden müssen. Obendrein«, fuhr er fort,»wenn ich Euch so weit von der Heimat, wie Brasilien entfernt ist, brächte und Euch dann Eure Habe abnähme, so müßtet Ihr doch Hungers sterben und ich hätte Euch dann ja das wieder genommen, was ich Euch kaum gegeben habe. Nein, nein, Sennor Inglese, ich will Euch umsonst mitnehmen, und Eure Sachen werden Euch dort Unterhalt verschaffen und die Heimreise ermöglichen«.

So liebreich, wie er gesprochen, so liebreich handelte er auch. Er untersagte den Matrosen, das Geringste unter meinen Sachen anzurühren; dann nahm er diese in eigenes Gewahrsam und händigte mir ein genaues Verzeichniß derselben ein, damit ich sie sämmtlich, sogar meine drei irdenen Krüge, wiederbekomme.

Mein Boot war ein treffliches Fahrzeug. Der Kapitän bemerkte das und fragte mich, ob ich es wohl an sein Schiff verkaufen und was ich dafür haben wolle. Ich antwortete, er sei so edelmüthig in jeder Hinsicht gegen mich, daß ich für das Boot gar Nichts nehmen könne, sondern es ihm gänzlich überlasse. Er aber erwiederte, er wolle mir einen Handschein auf achtzig Goldstücke für Brasilien geben, und wenn mir dort Jemand mehr biete, so werde er auch das zahlen.

Dann bot er mir sechzig Goldstücke für meinen Jungen, den Xury. Hierzu aber hatte ich keine Lust, nicht weil ich den Buben dem Kapitän nicht gern überlassen hätte, sondern weil es mir leid that, seine Freiheit zu verkaufen, nachdem er mir so treulichen Beistand geleistet hatte. Als ich dies dem Kapitän vorstellte, fand er es gerechtfertigt und schlug die Auskunft vor, daß er dem Jungen durch eine Urkunde versprechen wolle, ihn nach zehn Jahren, wenn er Christ geworden sei, wieder frei zu geben. Hierauf, und da Xury auch einwilligte, überließ ich ihn dem Kapitän.

Wir hatten eine sehr gute Reise nach Brasilien und warfen schon nach etwa drei Wochen in der Allerheiligenbucht Anker. Nun war ich auf einmal aus der jämmerlichsten Lebenslage befreit, und es galt zu überlegen, was ich in Zukunft anfangen wolle.

Das edelmüthige Benehmen des Kapitäns gegen mich werde ich nie vergessen. Er nahm für die Ueberfahrt Nichts von mir und gab mir obendrein zwanzig Ducaten für das Leopardenfell und vierzig für das Löwenfell, auch ließ er mir pünktlich Alles, was im Schiffe mir gehörte, ausliefern. Was ich zu verkaufen Lust hatte, z. B. den Flaschenkorb, zwei meiner Gewehre und den Rest des Wachses, kaufte er mir ab. Kurz, ich löste aus meiner Habe gegen zweihundert spanische Speciesthaler. Mit diesem Kapital ging ich in Brasilien an Land.

Kurze Zeit darauf empfahl mich der Kapitän an einen Mann von gleicher Redlichkeit, wie er selbst war. Dieser besaß ein Ingenio, das heißt eine Zuckerplantage. Auf derselben hielt ich mich eine Zeitlang auf und wurde dadurch mit der Kultur und Bereitung des Zuckers bekannt. Da ich sah, welch angenehmes Leben die Pflanzer führten und wie rasch sie reich wurden, entschloß ich mich, wenn mir die Niederlassung gestattet würde, gleichfalls Pflanzer zu werden und mir zu diesem Zweck mein in London hinterlassenes Geld schicken zu lassen. Ich ließ mich deshalb durch eine Urkunde naturalisiren, kaufte so viel Land, als mit meinem Kapital möglich war, und machte einen Plan zu einer Pflanzung, wie sie mein in England befindliches Geld mir anzulegen gestatten würde.

Ich hatte einen Portugiesen, der aus Lissabon, aber von englischen Eltern stammte, mit Namen Wells zum Nachbar, der sich ungefähr in gleichen Umständen befand wie ich. Wir wurden mit einander gut bekannt. Sein Betriebskapital war wie das meinige nur gering, und unsre Pflanzung verschaffte uns etwa zwei Jahre hindurch wenig mehr als den Lebensunterhalt. Indessen begannen wir uns zu vergrößern und unser Land zu verbessern, so daß wir im dritten Jahr schon etwas Tabak anpflanzen und Jeder von uns ein großes Stück Land zum Zuckeranbau für das folgende Jahr vorbereiten konnte. Beide aber hatten wir Hülfe nöthig, und jetzt wurde es mir fühlbar, daß es eine Thorheit von mir gewesen war, mich von Xury zu trennen.

Aber ach! es ist kein Wunder, daß ich, der ich's nie vernünftig angefangen hatte, auch diesmal verkehrt gehandelt hatte. Das war nun nicht wieder gut zu machen. Ich hatte mich jetzt auf ein Leben eingelassen, das meiner ganzen Natur entgegen und völlig verschieden von dem war, an dem ich Gefallen fand, dessentwillen ich das Vaterhaus verlassen und den väterlichen Rath in den Wind geschlagen hatte. Jetzt befand ich mich auf der Mittelstraße des Lebens, die ich zu Hause auch hätte wandern können, ohne mich in der Welt so abzuplagen, wie ich es nun that. Oft sagte ich zu mir selbst: diese Art Leben konntest du auch in England unter deiner Sippschaft führen und brauchtest nicht deswegen fünftausend englische Meilen unter Fremde und unter die Wilden in eine Wüstenei zu gehen, wo man von dem Fleckchen Erde, das deine Heimat ist, niemals ein Wort vernommen hat.

So sah ich meine Lage mit immer größerem Mißvergnügen an. Ich hatte Niemanden zum Umgange als jenen Nachbar, mit dem ich zuweilen verkehrte. Was zu arbeiten war, mußte ich mit eigenen Händen thun, und ich kam mir vor wie Jemand, der auf eine einsame Insel verschlagen ist. Aber das sollte erst noch kommen. Jedermann möge bedenken, daß, wenn er seine gegenwärtige Lage ungerecht beurtheilt, die Vorsehung ihn leicht zu einem Tausche zwingen kann, damit er durch die Erfahrung lerne, wie glücklich er früher gewesen. Jenes einsame Leben auf einem öden Eilande, an das ich damals dachte, sollte mir noch dereinst beschieden sein, weil ich so oft ungerechter Weise damit mein damaliges Leben verglichen hatte, welches, wenn es länger gedauert, mich sehr wahrscheinlich zu einem begüterten und reichen Mann gemacht hätte.

Ich hatte meine Plantage schon einigermaßen in Stand gebracht, als der Schiffskapitän, der mich auf der See eingenommen, die Rückreise antrat. Das Schiff hatte nämlich, bis die Ladung und die Reisevorbereitungen beendet waren, beinahe drei Monate dort verweilt. Als ich meinem Freunde sagte, daß ich ein kleines Kapital in London hinterlassen, erwiederte er in seiner freundlichen und aufrichtigen Art:»Sennor Inglese (denn so nannte er mich immer), wenn Ihr mir Briefe und eine Vollmacht mitgeben wollt, mit dem Auftrag an die Person, die Euer Geld in London hat, dieses nach Lissabon zu schicken, und zwar in solcher Münze, wie sie hierzu Lande gilt, so werde ich's Euch, will's Gott, bei meiner Rückkehr mitbringen. Doch weil menschliche Dinge dem Wechsel und Mißgeschick so sehr unterworfen sind, rathe ich Euch, nur die Hälfte Eures Kapitals, hundert Pfund Sterling, kommen zu lassen und dem Glück anzuvertrauen. Kommt dies Geld richtig hier an, dann könnt Ihr ja den Rest in gleicher Weise beziehen. Geht's verloren, so habt Ihr wenigstens die Hälfte gerettet.«