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Die Südsee ist einigermaßen versaut worden, es muß einmal gesagt sein. Schuld haben die Missionare. Nirgendwo auf der Welt, in keinem noch so gottverlassenen Winkel, tragen sich die Damen so hochgeschlossen, so total bedeckt, wie hier, in den einstigen Paradiesen der Bounty und der Seahawk. Man weiß nicht, was sie sich dabei denken, das heißt, man weiß es. Nur die Unterarme und ein kleiner Teil der Waden sind freigelassen, auf keinen Fall mehr. Sie tragen lange Baumwollhemden und lange Tücher, die verknotet sind, und sie tragen sie gern, das ist das Bedrohliche.
Ich hänge hier seit geraumer Zeit an der Bar, der einzigen auf Funafuti, die noch dazu ein Geschenk Rot-Chinas ist, und ich bin hier kein Fremder. Eigentlich in Kiribati zu Hause, bin ich in dieser Gegend hängengeblieben.
Und die Männer?
Wie tragen sich die Männer.
Genauso, rufe ich aus.
Ich bin nicht laut, aber es muß einmal gesagt sein. Nur die Unterarme sind frei und ein Teil der Waden, die allerdings hier ungewöhnlich stark ausgebildet zu sein pflegen. Die Männer sind ebenfalls versaut. Nachher werde ich aus Gram vom Stuhl fallen und mich in meinen Verschlag tragen lassen. Nicht ohne daß man mir vierzehn Fidji-Bier in Rechnung stellen wird, die ich nie im Leben getrunken habe!
Ach, Kiribati, wo bist du, man hat mich dort entsetzlich geschunden. Aber davor haben sie mich auf Torkelau geschunden und davor … weiß nicht mehr. Ach Torkelau, wo bist du?
Man hält mich hier für einen Säufer. Und zwar zu Recht. Es ist der Toddy, der einem so leicht ins Maul fließt, er fließt von der Palme draußen im Vorhof, die man nur anritzen muß, dann fließt er schon. Ich habe an drei Stellen Blechbüchsen hingehängt, die, zusammengegossen, fast einen halben Liter ergeben. Wer will mich daran hindern. In die Sonne gestellt, verursacht der Toddy nach zwei Tagen ein angenehmes Palmwedeln, das ich dringend brauche, denn man hat mich entsetzlich geschunden.
Mein Name ist Käpten Kuk. Verzeihung, mein Name ist Freddy, aber ich bin unter Käpten Kuk gefahren, mein richtiger Name ist … Wenn man mich fragt, stamme ich aus Hongkong, wenigstens bin ich dort geboren, was natürlich auch nicht stimmt (ich bin überhaupt nicht geboren).
«Ein Bastard, indisch-irisch-bretonischen Ursprungs aus Hongkong», kein Mensch weiß, wo ich herkomme, und da zahlt sich die gute alte Methode aus, nämlich fremde Sprachen immer in einem entlegenen Dialekt zu sprechen. Hier zum Beispiel spreche ich reines Irisch mit dem starken «rr». Merkt kein Mensch.
Die ganze Südsee ist eine einzige große Sauerei, Verzeihung, Behausung wollte ich sagen, eine einzige riesengroße, ewigblaue Behausung. Bei immerwährender Zimmertemperatur. Alle guten Geister, ob Iren oder Schotten, selbst Bretonen sind eingeladen, sich häuslich niederzulassen. Wo sie gerade stehen, an jedem beliebigen Ort, luxuriös im weißen Sand, auf den geschliffenen Korallenklippen oder weich auf meterdicken Seegraspfühlen. Einfach hinlegen und schlafen. Es gibt keine Schlangen, keine Moskitos, keine schwarzen Panther, nur Fregattvögel und die wiegen sich hoch oben auf den Wolkenpolstern, wahrscheinlich schlafen sie da ebenfalls. Das Essen fällt dir ganz von selbst in den Schoß, du mußt nur aufpassen, dich von den gewalten Nüssen nicht erschlagen zu lassen, aber du kannst ja auch Fische mit der Hand greifen. Es gibt Leute, die haben sich nur zur Ruhe gebettet und sind nie wieder aufgewacht, so gut schläft es sich in der Südsee.
Aber morgen früh, wenn ich meinen letzten Toddy ausgeatmet habe, bringt sie mir den Kaffee. Oh, das ist ein Spektakel. Die Südseefrau ist stattlich, auf Tahiti ist sie zierlich, aber ich bin nicht auf Tahiti, und sie geht langsam. Sie spricht langsam, sie lächelt langsam, sie riecht sehr langsam nach Vanille. Sie ist eine schöne Frau, mehr eine Statue, die milde mit mir umgeht, jetzt bringt sie mir den Kaffee. Inzwischen sitze ich im Hof in meinem Rattansessel, der keine Sitzfläche mehr hat, draußen schreien die Kudus, und die kleinen Perlhühner krähen. Jetzt bringt sie mir den Kaffee. Sie öffnet die Tür, keine richtige Tür, man kann an ihr vorbei in den Hof treten, rechts und links vorbei, aber sie öffnet die Tür. In der Hand trägt sie ein Tablett, mit der Henkeltasse, in der sich der Kaffee befindet. Und dann kommt sie.
Sie kommt milde lächelnd wie eine Sonne, denn sie meint es gut mit mir, schreitet über den Hof, vorbei an dem großen Stein, der dort liegt, vorbei an dem ersten Busch, an dem zweiten Busch. Inzwischen ist der Tag schon fortgeschritten, die Sonnenfelder sind gewandert. Bis sie mir dann stattlich, und zwar auf eine besonders stattliche Weise, den Kaffee hinstellt, ist er kalt geworden, ja, aber es ist ein großes Spektakel gewesen. Ein großes langsames. Da wollen wir uns nichts vormachen.
Ein noch größeres wäre es ohne dieses Hemd gewesen. Hochgeschlossen, gelbrot bedruckt und bis zu den Knöcheln reichend. Die Missionare haben alles versaut.
*
Nachher gehe ich ins Internet-Café, schließlich muß ich mich um mein Geld kümmern. Man hat richtig gehört, es besteht zwar nur aus drei Bretterwänden und einer Wellblechabdeckung, ist aber immer gut gelüftet und hat ein blaues Schild auf dem Dach «Island Dream».
Hier spreche ich mit meinem Dicken, und das muß ich auch noch abklären. Ich dachte immer, er säße in dem Kasten, aus dem er mich mit seinem Image angrinst. Er befindet sich aber in irgendeiner Astralwelt, von wo ich ihn abrufen kann, gleich von wo. Von Paumotu, Tonga oder Tokelau, ich verstehe es auch nicht. Eben auch von Funafuti, solange es dort einen Inseltraum gibt. Auf den Fidjis gibt es sogar einen mit Damenbedienung, kann ich nur empfehlen.
«Hallo», und er grinst mich an: Was ich denn nun wieder angestellt habe, das er korrigieren müsse. Es ist dann genauso, als ob er sich im Nebenzimmer befände, was in gewissem Sinn sogar zutrifft. Wenn ich hier nämlich meinen Kaffee mit Damenbedienung trinke und gleich daneben meine ganz persönliche Seite auftue, meine Homepage: Hallo, Hallo, willkommen in Robinsons Haus. Dann erscheint ein hübsches Bild auf dem Schirm, ein offenes Palmhaus mit einem Robinson in Bart und selbstgeflochtenem Hut. Und, was soll ich sagen, irgendwie treibt auch Freitag hinter dem Haus sein Unwesen, zumindest sieht man seinen nackten Podex. Es gibt auch witzige Sprüche, sogar handfesten Humor, zum Beispiel auf der zweiten Website ein Bild von mir (bin ich natürlich nicht) v o r und n a c h Gebrauch des «do-it-yourself-kit-for-cosmetic-surgery», dann sehe ich nach Gebrauch nicht mehr so gut aus «hahaha». Jeder, der auf die Homepage stoßen sollte, hat seinen Spaß. Während ich dann auf der dritten Seite die Option eröffne, sich meines Bankkontos zu bedienen.
Sofern er den Schlüssel hat.
Den ich dem verehrten Besucher aber doch vorenthalten möchte, und dazu hat sich mein Computer etwas besonders Perfides ausgedacht. Im Prinzip läßt sich jeder Schlüssel knacken, es ist nur eine Frage der Zeit, der Zeitaufwand muß sinnvoll sein. Wenn eintausend Computermaschinen eintausend Jahre lang laufen müssen, um den Schlüssel zu einer Herrentoilette zu finden, ergibt das keinen Sinn. Zehn Computer zehn Stunden lang für einen Bankcode dagegen schon. Besonders wenn es sich um meinen handelt.
Ich möchte jetzt nicht allzu mathematisch werden, das überlasse ich meinem dicken Freund, immerhin weiß ich, daß man Zahlen geometrisch darstellen kann, etwa als Schnittpunkte auf einer Geraden. Das ist selbst mir geläufig, und es geht auch nur um die Schönheit.
Da hat er sich also eine Geometrie ausgedacht, eine fünfseitige leicht konische Säule, die sich in einer Stunde einmal um ihre Achse dreht. Oder sagen wir, ich weiß, daß sie sich dort irgendwie dreht, gesehen habe ich sie nicht. Sie wird also angeblich von einer schräggestellten Ebene durchschnitten, wobei die Schnittpunkte der Konten mit der Ebene jeweils eine Zahl ergeben. Im Minutentakt. Kannst du dir das vorstellen? Wobei die Ebene auch nicht eben ist, sondern parabolisch gekrümmt.