Выбрать главу

Erhalte keine Antwort.

«Ist er zu Hause?»

– –

«Ist Don Marco oben?»

Keine Antwort.

Ich sage: «Bumm!!»

Da ist er aufgewacht, er haßt mich.

Die andere Fahrstuhltür, zu den restlichen fünf Stockwerken, befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite des Ovals. Dazu muß ich aber an ihm vorbei, und böse ist der Blick auch nicht, er ist nur tödlich.

Ich bin einmal draußen gewesen, denn es gibt noch eine dritte Tür, die aus dem Oval herausführt. Draußen ist das ganze Stockwerk völlig leer, kalt und grau, von einem Ende bis zum anderen völlig überschaubar, keine Zwischenwände, nur Stahlpfeiler, Fenster ringsum blicklos grau, man nennt das «sanded». Der Eindringling, der hier durchbrechen will, hat keinerlei Chance, vor allem hat er keinerlei Deckung, und die braucht er auch nicht — ich würde sagen, wer auch nur den Gedanken faßt, kann sich von vorneherein als abgeschrieben betrachten. Der ovale Raum um den Fahrstuhl herum fungiert dann nämlich als Schießstand. Ich denke, das könnte vielleicht von Interesse sein.

Doch, einen Gegenstand gibt es in dem leeren Stockwerk, er steht ganz in der fernen Ecke. Eine Badewanne, eine unmotiviert dastehende weiße Wanne, darin sitzt eine Puppe, sehr lebensecht gemacht, bis zu den Schultern in hellgrünem erstarrten Badeschaum. Ich habe nie herausfinden können, was sie bedeutet.

Kunst?

*

Ich nehme dann den zweiten Fahrstuhl nach oben. Er ist noch luxuriöser als der erste, im Abheben und Anbremsen wie ein Luxuskissen. Fahre bis zum Küchentrakt hinauf, wo ich gleich vorne in einem kleinen Waschraum verschwinde, und hier nun, aufgepaßt, geschieht eine merkwürdige Verwandlung. Jeden Morgen.

Hineingeht ein Mr Dobs. Herauskommt Marco Marconi, auch genannt Don Marco oder einfach M.M., und den sollte man besser nicht kennen.

27

Liebe, liebste Freitag.

Ich verhandle noch mit dem Architekten.

Ein schönes Projekt eigentlich, ein Wolkenkratzer der alten Schule, dessen Spitze in ein Himmelshaus verwandelt werden soll — mit den modernsten Mitteln versteht sich —, doch ich gebe zu, daß ich den armen Mann zum Wahnsinn treibe. Ich habe Frank C. Wainright auf der Eröffnungsfeier des Lincolncenters am East Hudson kennengelernt und mit einem Honorar interessiert, das er nicht gut ablehnen konnte. Ich sagte, es sei ein nur kleines, für einen Mann seiner Geltung vielleicht uninteressantes Projekt, die sechs oberen Stockwerke des Wyman Towers, ob er davon gehört habe?

Ja, er hatte davon gehört, und es interessierte ihn, wie sich bei der Besichtigung herausstellte, sogar beträchtlich. Insbesondere die Diskrepanz des mit seinen vier auf dem Dach aufsitzenden Eckpylonen klassisch konzipierten Dreißigerjahrestils im Gegenspiel zu den vertikalen Granitlinien des Turmaufbaus. Das müßte alles weggespiegelt werden. Der Turmaufbau? Nein, die Pylonen, oder wollen Sie da oben vier Teehäuschen haben? Das will ich natürlich nicht, obwohl er damit nicht sehr weit entfernt liegt. Und wenn er sagt: Wegspiegeln, dann sicherlich nur von innen her gesehen, nehme ich an.

Ich laß den Mann erstmal machen.

*

Der Mann ist ein Purist, ohne Frage, ich habe den Eindruck, am liebsten würde er einen fünfstockwerkhohen Würfel aus massivem Garnichts aufsetzen, möglichst farblos. Um ihn dann als bewohnbar zu erklären. Aber er wäre ja bereit zu Kompromissen.

Zunächst schaffte er eine Menge Materialproben herbei, in sämtlichen Grautönen, der Mann war fleißig. Nie gesehene Gesteinssorten aus entlegensten Gegenden, aus Chipehuahua, aus Ponseng, Korea, aus der Wildschönau, feuerveredelter Granit, der milchig weißlich war, totenkopffarbener Alabaster aus Italien, zehn Zentimeter dickes perlgraues Glas für Fußböden, Feigenholz, hochpoliertes Schwemmholz für Wandverkleidungen.

Wieso denn Totenkopf?

Caput mortuum, erklärte er, das sei eine Naturfarbe, die südlich von Siena gefunden werde, sehr elegant.

Na ja, sagte ich, Sie sollen ja erst mal machen.

– –

Also die Eckpylonen wollten sich mit seiner Modernität nicht vertragen — oder eben doch vertragen? Indem sie gar nicht mehr vorhanden waren? Von innen zugemauert, oder — hier kam der Einfall, der uns alle verblüffte — er wollte sie soweit verspiegeln, daß sie nur noch das Gesamtkonzept widerspiegelten, hellgrau in hellgrau, ohne jegliche Kontur?

Aha.

Ursprünglich hatte ich ja eine ganz andere Vorstellung gehabt — ich muß das jetzt einfügen, obwohl es überhaupt nicht hierher gehört. Ursprünglich wollte ich überhaupt nicht in Manhattan bauen, es war eine Frage des Prinzips: Manhattan ist eine Gebirgslandschaft, ein Hochgebirge, in Manhattan baut man unbezwingbare Höhenlagen, für Mrs Waldorf und Mrs Helmsley von denen sie auf eine aufgebrachte Menge herabblicken können. Auf Straßenniveau würden sie keine vierundzwanzig Stunden überleben. Ich spreche von der Vertikalen, vom Sicherheitsabstand der hundert Stockwerke. Bei Mrs Jones und Mrs Keller mag er dann nur noch siebzehn betragen, ist aber immer noch vorhanden.

Wie aber steht es mit der Horizontalen? Dem Sicherheitsabstand nach vorn und nach hinten, den sollte man vielleicht auch in Betracht ziehen. Den Freiraum rechts und links, wo sich niemand und nichts, kein Pizzamann und kein Serienkiller unbemerkt annähert. Das wäre doch auch eine schöne Vorstellung.

Also sieht man mich eines Tages auf der Fahrt zwischen Vegas und Boulder City. Sehr schöne Töne herrschen vor, Rot, Braun und Blau bis zu der rosa Sägelinie einer fernen Sierra. Die Straße verläuft hier über fünfzig Meilen durch einen Zipfel der Mojave-Wüste, einer bis zum Horizont flachen Ebene, die sich frei befahren ließe — das heißt, man muß nicht auf der Straße bleiben, solange man einen Fixpunkt im Auge behält. Und hier, etwa auf der halben Strecke und einer weiteren halben Meile südlich der Straße fand ich den Felsenzahn. Von weitem gewaltig aufragend, beim Näherkommen vielleicht zehn oder zwölf Meter hoch, vielfach gezackt, oben platt, mehr einem Backenzahn ähnlich, einem, der übrig geblieben war, im Lauf der Zeit. Jedenfalls erklomm ich ihn und verbrachte hier einen ganzen langen Tag.

Es war heiß, aber nicht zu heiß im Schatten, ich hörte die Sandkörner rieseln, mal rieselten sie stärker, mal weniger, ab und zu knackte mein Fahrzeug, das sich abkühlte, dann knackte es nicht mehr. Eine Wegstunde entfernt schrie ein Vogel, mehrmals.

Hier ein Buch zu schreiben, eine Religion zu erfinden, eine neue Zeituhr. — Jemand, der sich hier näherte, konnte auf eine Entfernung von drei Meilen von meinem Standpunkt aus eingesehen werden. Ein heller rötlicher Sandstein, auf dem ich lag, leicht zu bearbeiten und zu schleifen. Ich legte ein Dach auf den Zahnkranz ringsum, eine große, flache Betonscheibe, einen weißen Deckel, die Zwischenräume, u-förmig, unterschiedlich breit, würde ich mit Glasplatten ausfüllen. Und hier drinnen im Auf und Ab des Sandsteinbodens boten sich Stufen, Terrassen und Treppen an, die noch herauszuarbeiten wären. Auch eine große flache Plattform als Bettstatt, die war schon vorhanden.

Ein offenes Haus, ein gastliches Haus, ein kühler Hort inmitten fünfzig Meilen Feuerwüste, ich habe nun einmal den Sinn für Luxus.

Ich lasse frische Datteln, Kumquats, Limonensorbet servieren. Einen Tequila Sunrise, bitte sehr. Dabei immer den Horizont im Auge. Nicht durchzuführen wegen technischer und praktischer Einwände? Ich habe den Bau einen Nachmittag lang durchdacht — auf dem warmen Boden liegend, im Schatten einer aufragenden Felswurzel — es war durchaus durchzuführen! Einziges Problem war das Wasser, und das war kein Problem. Hier würde es niemals regnen, hatte es noch nie geregnet, selbst in zweitausend Metern Tiefe würde man nie auf Wasser stoßen, allenfalls auf Öl. Die Lösung hieß Tankwagen, ein schöner großer hauseigener Tankwagen war die Lösung: Einmal im Monat ließe man ihn in der Stadt vollaufen, zehntausend Gallonen Wasser, rechnete ich aus, reichten dann für Pool und Drinks. Müßten nur großzügig gehandhabt werden (im Geiste hörte ich bereits das Plätschern von Brunnenspielen).