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Ich habe bereits drei von diesen Piscos getrunken, sie sind sehr hübsch mit Minzesträußchen garniert und haben eine gewisse Wirkung, die ich vielleicht nicht unterschätzen sollte.

Ein Anruf.

Nein, wahrscheinlich nur ein fehlgeleiteter Anruf, vom Barmann an der Bar kurz beantwortet, dabei wirft er mir einen kurzen eher vierschrötigen Blick zu, der auch nicht ganz paßt. Danach kein Anruf mehr. Einmal kommt Luigi hochrot aus der Küche herein, offensichtlich begeistert von seinen eigenen Kochkünsten, ob er mit den Seeschnecken noch warten solle? Ja, er solle. Es ist jetzt fast neun, und von der Dame immer noch keine Spur, draußen fährt ein Wagen vor, schwarze Stretchlimousine vier Fenster lang, ich kann ihre Umrisse durch die Tüllgardinen erkennen über vier der Restaurantfenster reichend. Die Kapelle intoniert auf mein Zeichen «Volare», und dann kommt dieses Männchen herein.

Klein, nett, ein älterer Herr.

Moment mal.

Wer hat denn den hereingelassen?

Gibt auch Hut und Mantel ab, als ob er hier eingeladen sei, und der Türsteher, offenbar blind, nimmt Hut und Mantel — ich werde künftige Sicherheitsmaßnahmen viel deutlicher machen müssen (Security). Ob ich für den Herrn zu sprechen sei? Ich denke, wo befinden wir uns denn, wie kommt denn der überhaupt hier herein, schließlich erwarte ich jeden Augenblick meinen Gast, die Dame meines Herzens.

«Sie kommt nicht.»

Moment mal.

Sie wird nicht kommen.

Erscheint hier unangemeldet — ein, zugegeben, sympathisch aussehender älterer Herr, körperlich eher auf der gebrechlichen Seite, eher etwas dünn in den Zügen. Aber gut gekleidet und mit leuchtenden Augen versehen, die mir später, wenn ich gefragt werde, eine eigentümliche Jugendlichkeit in Erinnerung bringen. Ich sage «versehen», denn die Gestalt, die hier aus dem Nichts erscheint (in der langen Limousine) hat etwas Konstruiertes.

In meiner Erinnerung.

Hat auch noch den Nerv, hier unbedenklich, oder zumindest unbedarft an meinen Tisch zu treten und in dem für meine Dame bestimmten hochrückigen Stuhl Platz zu nehmen, vorsichtig, zumindest höflich, aber ohne jede Feierlichkeit. Ich fasse es nicht.

Habe mich später gefragt, wieso ich den Kerl nicht einfach an die Luft gesetzt habe. Hätte dazu nicht einmal das Personal oder mein Trio, das sowieso wie ein Gangster-Trio ausgesehen hat, bemühen müssen. Sitze dort also plötzlich mit diesem Männlein zu Tisch, als ob es so vorgesehen wäre, wunderbar rot dekoriert, mit bestem Geschirr gedeckt, flankiert von Blumenarrangements, es fehlt jetzt nur noch, daß sie jetzt die Camparis, oder was immer vorgesehen ist, servieren. Und da werden sie auch schon gebracht.

«Ihre Dame Freitag kann leider nicht kommen», mit diesen ganz hellen, leuchtenden Augen inmitten dieses kleinen Mannes. Was heißt, sie kann nicht, wieso kann sie nicht?

«Weil es sie nicht gibt.»

Weil es sie nicht gibt.

«Nie gegeben hat.»

Nie gegeben hat.

Die Vorspeise ist noch nicht eingetroffen — ich war später der Meinung, daß wir wenigstens die Vorspeise hätten genießen sollen, Seeschnecken in Sherrysauce —, es ist neun Uhr fünfzehn und der Abend ist fortgeschritten. Damen sind nicht pünktlich, sie sind, genauer gesagt, sogar sehr unpünktlich. Alles ist bereit, der Mann ist bereit, der Tag, die Stunde — — und dann kommt sie nicht.

«Ich weiß sehr wohl, wer Sie sind», sage ich mit fester Stimme, «Sie sind das Männlein, das mir auf der Pelle sitzt, im Zug nach Grevesmühlen, in London, nein, in London nicht», überlege ich.

«Doch», sagt er, «in London auch, ich saß im Neunzehner, du saßt im Fünfzehner Bus, und die beiden Brüder im Siebzehner.»

«Wie auch immer», sage ich, «wir saßen eben im Bus. Ich kenne dich, du sitzt mir seit Jahren auf der Pelle, und ich nehme stark an, du hast eine irgendwie geartete Botschaft an mich — nur daß dies so ziemlich der unpassendste Augenblick ist, den du dir dafür ausgesucht hast.»

Er blickt mich an, fast gütig.

«Ich bin Freitag.»

Du bist Freitag.

«Immer gewesen.»

Immer gewesen.

«Und jetzt werde ich dir das Leben retten», sagt er.

29

Ich dachte immer, der Tod käme als großes schwarzes Roß donnernd um die Ecke getrabt, wenn die Schicksalsstunde schlägt. Wenn die Steilkurve plötzlich zu eng, die Nacht zu dunkel, der Arzt zu ernst wird. Dann trabt es unbegreiflich stark um die Ecke, mit seinen riesigen schwarzglänzenden Keulenmuskeln, die auf und ab gehen, seinem Schnauben wie die Schöpfung und den eisernen Hufen, groß wie der Weltuntergang. So habe ich mir das gedacht. Und jetzt bei Little Luigi’s?

«Siehst du den Kellner an der Tür?»

Ich sehe ihn, es ist der mit dem Mund.

«Und siehst du den Barmann?»

Den auch.

«O.K. Diese beiden und Luigi, Luigi samt Sohn, das ist die eine Partei!»

– –

Inzwischen ist der Abend anscheinend noch weiter fortgeschritten, die Verhältnisse scheinen sich hier stündlich zu verändern. Dafür spricht auch die Beleuchtung, die aus irgendwelchen Gründen zunehmend spärlicher wird. Wenn wir noch eine Weile warten, sitzen wir im Dunkeln.

In der dunkelsten Bronx!

«Das ist die eine verdammte Partei», hat er soeben gesagt, und dann tut er etwas, was niemand von dem Männlein erwartet, er faßt in seine Rocktasche und zieht eine Bombe heraus, eine Rauchbombe. Ich weiß, es hört sich wahnsinnig an, und es ist auch nur ein Apfel, den er herauszieht. Dem Erscheinungsbild nach. Aber glaubt mir, es ist eine Rauchbombe — in der Schicksalsstunde in der Bronx, wenn das schwarze Roß kommt.

«Und siehst du diesen Kellner, der sich einen Liter Öl ins Haar geschmiert hat, wenn auch nur als Stilmittel?»

Den sehe ich auch. Ein Spic, ein Puerto Ricaner offenbar, und bei näherer Betrachtung scheint auch der Bandleader nicht sehr weit davon entfernt zu sein. Allmählich bekomme ich ein Auge für die Situation.

«Das ist die andere Partei, nur kleine Besetzung, nur Hit-Männer, der Kellner und das Trio. Sie haben keine Großen geschickt, aber fällig bist du, du bist dran, du bist schon längst dran gewesen.»

Jetzt bringen sie endlich die Vorspeise, der eine Kellner bringt die Seeschnecken, der andere die Sherrysauce, sie wird sozusagen — die Vorspeise — von beiden Parteien getragen.

«Nur der Türsteher — — also der Türsteher ist im Augenblick nicht so leicht unterzubringen, der könnte sowohl zur einen als auch zur anderen Seite tendieren. Möglicherweise zu beiden, es ist alles möglich», sehr nachdenklich, «aber wenn du jetzt genau tust, was ich dir sage — — werde ich dir jetzt das Leben retten.»

!!!

«Siehst du das Lämpchen?»

Das Lämpchen an der Ecke, es ist ein beleuchtetes «Gentlemen». Ich sehe es.

!!!

Die «Ladies» befinden sich wahrscheinlich an der anderen Ecke, die kann ich von meinem Platz aus nicht sehen. Um das einmal zu rekapitulieren, es sind also zwölf Schritte bis zum «Gentlemen», zwölf steife, völlig verkrampfte und vor allem viel beachtete Schritte, die locker und unbefangen nebenher auszuführen sind. Schließlich läuft man nicht jeden Tag um sein Leben. Ich wundere mich sowieso, daß sie mich hier laufen lassen, der Trick mit der Toilette ist so alt wie die Toilette selbst. Die Waffe liegt dann immer oben auf dem Spülkasten (Pate).

Wundere mich fünf Schritte lang, unter strengem Blick aller Beteiligten, dann fünf Schritte lang in großer Erleichterung, über die ich mich auch wundere: Anscheinend halten sie nicht viel von mir. Außerdem sind es zwei Parteien, die sich mißtrauen, oder doch gegenseitig eine der anderen wenig Vertrauen entgegenbringen. Glaube ich.

Noch zwei Schritte bis zum «Gentlemen», die «Ladies» müssen sich gegenüber befinden. Noch zwei Schritte unter Todesangst? Ja.