Выбрать главу

Jeder Stand hatte seine besonderen Verpflichtungen und seine eigene Laufbahn. Allein die Angehörigen des Senatorenstandes stellten die Anwärter auf die höhere Beamtenlaufbahn, sie bekleideten die Magistrate und die hohen, allein den Consularen und Prätoriern vorbehaltenen Positionen in der Reichsverwaltung. Zusammen mit den Rittern erscheinen die Senatoren in den Geschworenengerichten  (quaestiones). Wurden sie selbst vor Gericht gestellt, so durften sie nur von ihren Standesgenossen gerichtet werden. Ihre militärische Laufbahn begannen sie in den  turmae equitum,  sie stiegen dann zum Militärtribunat auf und konnten es bis zum Legaten einer Legion bringen. Die Ritter sind dagegen erst unter Hadrian in größerer Zahl in die höhere Verwaltung eingedrungen. Sie waren hier eine wertvolle Ergänzung des Senatorenstandes, vor allem in den verschiedenen ritterlichen Prokuraturen. Auch die Angehörigen des Dekurionenstandes in den Munizipien und Kolonien hatten gute Aufstiegsmöglichkeiten. Wenn sie die collegia iuvenum  durchlaufen hatten, stand ihnen die  militia equestris  offen, sie übernahmen die mittleren Offiziersstellen in den Legionen und Auxilien. Gegenüber ihren Gemeinden waren sie zu bestimmten persönlichen Leistungen verpflichtet, die in der späteren Kaiserzeit zu einer schweren Belastung geworden sind. Übrigens wurde auch die Plebs der Gemeinden zu Dienstleistungen  (munera)  herangezogen, vor allem zum Straßen- und Mauerbau, aber auch zu gewissen Leistungen bei der Beschaffung der Annona, bei der Versorgung des Militärs und bei anderen undankbaren Arbeiten.

In der Behandlung der beiden Klassen der Bevölkerung, der honestiores  und der  humiliores,  gab es vor Gericht grundlegende Unterschiede. Die  honestiores  hatten keine Folter zu befürchten, sie konnten auch, anders als die  humiliores,  nicht zur Zwangsarbeit in Bergwerken oder zum Kampf in der Arena verurteilt werden. Auf die  humiliores  aber wartete im Fall der Verurteilung vielfach ein Gefängniselend, sie konnten sich nur retten, wenn sie mächtige Fürsprecher zu finden wußten. Im übrigen aber hatte die breite Masse an der Verwaltung der Gemeinden nicht das geringste Interesse. Was diese wünschte, waren Brot und Spiele  (panem et circenses).  Die tiefgreifenden sozialen Unterschiede sind in den Diatriben der Kyniker oft erörtert worden - geändert hat sich dadurch nichts, da niemand daran dachte, eine soziale Reform durchzuführen. Wenn man dazu bedenkt, daß die Philosophie immer wieder die Lehre vertreten hat, daß der Wert des Menschenlebens nicht in der Aneignung von Besitz und Geld, sondern in der Sammlung von Gütern bestehe, die weder Motten noch Rost fressen, wenn man ferner weiß, daß auch das Christentum keine soziale Reform gepredigt hat, so wird man es nicht erstaunlich finden, daß die soziale Ordnung der Kaiserzeit im wesentlichen durch mehrere Jahrhunderte stabil geblieben ist.

Für die Regierungen der Julier und Claudier, aber auch der Flavier ist der Widerstand konservativer Kreise gegen das

Prinzipat bezeichnend, auch unter den Philosophen hat es so manche Gegner des Prinzipats gegeben. Insbesondere die Anhänger der Stoa haben dem Kaisertum wenig freundlich gegenübergestanden. Unter Nero ist es zu Verbannungen und Hinrichtungen gekommen. Auch die Regierung der Flavier hat den geistigen Widerstand der Philosophen nicht aus der Welt schaffen können, unter Domitian hat sich die Opposition sogar noch einmal verstärkt. Im 2. Jh. hat sich dagegen das Verhältnis der Gebildeten zum Kaisertum grundlegend geändert. Aus dem Tyrannen auf dem Thron ist die Idealgestalt des Lenkers und Führers des Staates geworden, wie ihn vor allem die Reden des hochgebildeten Dion Chrysostomos von Prusa schildern. Die Schicht der Gebildeten hatte sich mit dem Prinzipat abgefunden, die Monarchie war in der Form des Adoptivkaisertums fest verankert, niemand wäre noch auf den Gedanken gekommen, an Stelle der festen Ordnung, welche das Kaisertum repräsentierte, wieder die vollendete Unsicherheit der untergegangenen  res publica libera  einzutauschen. Zur inneren Beruhigung hatte die Qualität der Administration nicht wenig beigetragen. In der Periode zwischen Tiberius und Mark Aurel hat die römische Verwaltung eine früher nie erreichte Höhe erklommen, Anklagen gegen Statthalter wegen Erpressungen waren Seltenheiten geworden. Während in der Republik die Statthalter vielfach tief verschuldet die Reise in ihre Provinz angetreten hatten, sorgte in der Kaiserzeit allein schon der hohe Senatorenzensus (250000 Denare) dafür, daß bankrotte Figuren von der Tätigkeit in der Administration von vornherein ausgeschlossen wurden. Dazu kam noch ein hohes Gehalt von 100000 oder 200000 Sesterzen; die Statthalter hatten es daher im allgemeinen nicht nötig, die Untertanen zu schinden. Segensreich war auch die Institution der Provinziallandtage. Sie übten eine gewisse Kontrolle über die Tätigkeit der Statthalter aus. Die vielumstrittenen  societates publicanorum  sind in der Hohen Kaiserzeit verschwunden, an ihre Stelle sind kaiserliche

Finanzprokuratoren getreten. Die Steuerschraube wurde dagegen fest angezogen, spätestens seit Trajan gibt es die Personenstandsaufnahme im ganzen Reich, sie ist an die Stelle der früheren sporadischen Volkszählungen getreten. Auch in sozialer Hinsicht sind in der Kaiserzeit Fortschritte zu verzeichnen: die Behandlung der Sklaven ist humaner geworden, es war untersagt, sie zwangsweise in die Arena oder unter die Gladiatoren zu schicken. Zahlreich sind auch die Alimentarstiftungen für arme Kinder. Die Zinsen wurden als Beihilfe für die Erziehung oder auch zur Begründung einer bescheidenen Existenz verwandt. Anderseits ist die Aussetzung von Neugeborenen weiterhin geübt worden. Grausame Strafen für Verbrechen und Vergehen waren gang und gäbe. Vestalinnen, welche das Keuschheitsgebot verletzt hatten, wurden lebendig eingemauert. Die öffentlichen Hinrichtungen hatten den Charakter von Volksfesten. Die Dekurionen mußten dafür Sorge tragen, möglichst viele verurteilte Verbrecher für die Arena ihrer Stadt herbeizuschaffen.

Charakteristisch für die Zivilisation des Imperiums ist die Existenz einer unendlich großen Zahl von Stadtgemeinden im Osten und im Westen des Reiches. Sie alle verfügen über eine eigene Verwaltung, die in den Händen der Oberschicht liegt. Die Zahl der städtischen Gemeinwesen nimmt außerdem ständig zu, vor allem Trajan und Hadrian sind es gewesen, die für die Urbanisierung des Reiches Großes geleistet haben, insbesondere in vorher städtearmen Gebieten wie Thrakien und Anato lien. Die Differenzierung der verschiedenen Städtetypen als municipia, coloniae civium Romanorum  und  coloniae Latinae im Westen beginnt sich allmählich zu verwischen, wenn auch die Kolonie immer noch als die vornehmste Form der Stadtgemeinden gegolten hat. Im Osten beherrscht dagegen die griechische Polis nahezu uneingeschränkt das Feld. Kolonien römischer Bürger sind hier selten. Dementsprechend ist die Amtssprache im Westen lateinisch, im Osten dagegen griechisch, wobei in Makedonien ein allmähliches Vordringen des Lateinischen auf Kosten des Griechischen zu beobachten ist. In Nordafrika lebt das Punische weiter, in Palmyra spricht man arabisch, in den syrischen Gemeinden ist dagegen ausnahmslos das Griechische im Gebrauch.

Neben den Städten gab es in Gallien, Britannien, Africa und anderen Provinzen lokale Verwaltungskörper  (civitates),  sie wurden von einheimischen Adligen geleitet. Überhaupt keine Selbstverwaltung hatte das Land  Ägypten.  Die Spitze der Administration bildete ein  praefectus Aegypti et Alexandreae aus dem Ritterstand. Unter ihm standen drei Epistrategen, gleichfalls römische Ritter, und zwar je einer für das Delta, für die Heptanomia und Oberägypten. Die einzelnen Gaue wurden dagegen von Strategen verwaltet, in der Regel Griechen oder Makedonen. Die Institution der Gaustrategen hatten die Römer von den Ptolemäern übernommen, ebenso die große Schar der lokalen Funktionäre. Im übrigen aber war die Verwaltung des Nillandes einzigartig im ganzen Reich: die Spitze war römisch, die Zwischeninstanzen griechisch, die Dorfverwaltung überwiegend ägyptisch. Eine große Bedeutung für die Wirtschaft hatten die ausgedehnten kaiserlichen Domänen, die vor allem in Afrika, aber auch in Kleinasien (Galatien und Kappadokien) zu finden sind. Zur Verwaltung werden sie zu größeren Komplexen  (tractus)  zusammengeschlossen. Charakteristisch für die Domänen ist die große Zahl von Bauern, die als Kolonen an die Scholle gebunden sind. Während die kaiserlichen Besitzungen beträchtlichen Gewinn abwerfen, sind in den Stadtgemeinden des Westens und Ostens die Finanzen das Sorgenkind. Man hatte es immer noch nicht gelernt, einen Haushalt aufzustellen, vielmehr pflegte man so lange aus den verschiedenen Kassen zu wirtschaften, bis diese leer waren. Die Briefe des Jüngeren Plinius aus der Doppelprovinz  Bithynia et Pontus  sind voll von Klagen über Unregelmäßigkeiten in der städtischen Finanzverwaltung. Dazu kamen des öfteren noch unvorhergesehene Ereignisse wie das Eintreten einer Hungersnot. Hatte man zufällig Gelder für die Errichtung einer Wasserleitung zurückgelegt, so mußten diese jetzt zum Ankauf von Getreide für die ärmere Bevölkerung benutzt werden. Die Poleis des Ostens hatten das Recht, lokales Kupfergeld zu prägen, sie wachten mit Eifersucht über dieses Privileg, das ihrem Selbstbewußtsein zugute kam. Vielfach gab es auch Rangstreitigkeiten zwischen den einzelnen Gemeinden, die von den römischen Statthaltern geschlichtet werden mußten. Der kluge Grieche Plutarch hat sich in seinen Schriften, insbesondere in den  Praecepta rei publicae gerendae,  dafür eingesetzt, daß sich seine Landsleute mehr um die Verwaltung ihrer Heimatgemeinden kümmern sollten: das Interesse am Gemeinwohl war, wie es scheint, zu seiner Zeit nicht mehr bei allen hierfür in Betracht kommenden Bürgern vorhanden. Wie ein roter Faden zieht sich durch Plutarchs Schrift das Eingeständnis der eigenen Schwäche und Machtlosigkeit: die Zeiten, in denen die Griechen über Krieg und Frieden zu beschließen hatten, waren vorüber. Man dürfe nicht, schreibt Plutarch, in den unbedeutendsten Angelegenheiten die Entscheidung der römischen Statthalter anrufen, für die Gesandtschaften an die römischen Kaiser möge man besonders charaktervolle Männer auswählen. Wer ein guter Bürger sein wolle, dürfe nicht davor zurückschrecken, einem unwürdigen Prinzeps die Meinung zu sagen. Was Plutarch von seinen Landsleuten fordert, die offene, freie Rede, sie findet sich wieder in den von Adolf Bauer als «heidnische Märtyrerakten» bezeichneten Papyri. Sie erstrecken sich über die Zeit von Gaius (Caligula) bis Commodus. Die Urkunden schildern Gerichtsverhandlungen vor dem römischen Prinzeps. Angeklagt sind die Führer des alexandrinischen Griechentums, und zwar wegen Erregung antisemitischer Unruhen in der Weltstadt am Nil. Wieweit die Schilderung der Papyri der Wirklichkeit entspricht, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall gehören aber die