Urkunden zu einer Literaturgattung, die das hohe griechische Selbstbewußtsein lebhaft widerspiegelt, wenn auch vielleicht auf Kosten der historischen Wahrheit. Plutarchs Ideale aber sind der Friede (eirene), die Freiheit (eleutheria), gute Ernten (eueteria) und eine genügend große Zahl von Bewohnern in den Städten und deren Wohlverhalten (euandria) und insbesondere der innere Ausgleich (homönoia). All diese Begriffe sind aus den zeitgenössischen Inschriften und Münzlegenden wohlbekannt. Sie entsprechen den Idealen des gehobenen Mittelstandes und der Oberschicht des Bürgertums nicht nur im Osten des Reiches, sondern im ganzen Imperium.
Neben einigen Schriften Plutarchs (etwa 46-127 n.Chr.) sind es vor allem die Reden des um einige Generationen jüngeren Sophisten Aelius Aristides (117-189 n. Chr.), gebürtig aus Hadrianutherai in Mysien, welche die Gesinnung der griechischen Oberschicht in der Hohen Kaiserzeit wiedergeben. Aelius Aristides war ein reicher unabhängiger Mann. Er ist im Imperium Romanum weit herumgekommen, auch Rom hat er besucht, zu Hause aber fühlte er sich in Smyrna, hier war er eine der Leuchten des Museions. In seiner berühmten <Prunkrede auf Rom>, wahrscheinlich vom Jahre 143, hat er der Nachwelt ein ganz unschätzbares Dokument hinterlassen, einen Hymnus auf die Größe und Erhabenheit des römischen Weltreichs. Für Aelius Aristides ist das Imperium Romanum eine Föderation von unzähligen Gemeindestaaten (pöleis). Der gebildete Grieche hatte hiermit den wesentlichen Punkt getroffen, denn die Städte waren wirklich, im Osten wie im Westen, die tragenden Säulen der Kultur, sie waren voll von Gymnasien, von Brunnen, von Monumenten, Tempeln, Werkstätten und Schulen. Jede Zeile der Rede gibt das Gefühl der Sicherheit, der Sekurität, wieder, das in der Tat das vorwiegende Kennzeichen der Hohen Kaiserzeit gewesen ist. Wie Aelius Aristides dachte und schrieb, so empfanden auch seine Standesgenossen: sie waren beglückt von einer unvergleichlichen Friedenszeit, welche der britische
Historiker Edward Gibbon als die schönste Zeit des Menschengeschlechts gepriesen hat. Wenn man das Glück der Menschheit mit Freiheit von Krieg gleichsetzt, so ist dies in der Tat den Menschen der Kaiserzeit in hohem Maße zuteil geworden. Die Kriege des Vierkaiserjahres (68-69) waren zwar höchst blutige Auseinandersetzungen, auch unter der Zivilbevölkerung haben sie schwere Verluste an Gut und Blut gekostet, aber sie dauerten nur kurze Zeit. Der jüdische Aufstand (66-70), die Kriege des Kaisers Trajan gegen Daker und Parther haben den Kern des Reiches nicht berührt, sie haben dem Reich eine bedeutende und im ganzen höchst segensreiche Erweiterung seiner Grenzen gebracht. Erst mit den Markomannenkriegen beginnt eine neue kriegerische Epoche, in ihr ist das Reich einer schweren Belastungsprobe unterzogen worden. Der Ausbruch der großen Pest im Jahre 166 ist, im Grunde genommen, zugleich ein Wendepunkt: die ganze Menschheit, vom Vorderen Orient bis zum Atlantischen Ozean, steht nun unter dem Schrecken der furchtbaren Seuche, sie hat die Seelen der Menschen verändert und das Gefühl der Sekurität beseitigt, das bisher das eigentliche Kennzeichen der Hohen Kaiserzeit gewesen war.
5. Das Vierkaiserjahr (68-69 n. Chr.)
Die Vorgänge des Vierkaiserjahres 68-69 n. Chr. werden nur verständlich auf dem Hintergrund der Spannungen, die zwischen den einzelnen Heeren im Imperium Romanum bestanden haben. Der Sieg der Legionen aus dem Orient hat eine neue Dynastie, die flavische, und mit ihr eine neue Epoche der römischen Kaisergeschichte heraufgeführt. Nach der Mißwirtschaft Neros und seiner Günstlinge bedurfte das Reich eines neuen Lenkers, der die Tugenden des Augustus in seiner Person verkörperte. Konnte man aber den Statthalter des Diesseitigen Spanien, Galba, als den idealen neuen Prinzeps bezeichnen? Galba war immerhin ein Siebziger, ein Mann vornehmer Herkunft, aber ausgesprochen geizig. Im übrigen hatte der neue Prinzeps von Anfang an eine wenig glückliche Hand. Die Beseitigung des Statthalters von Africa, L. Clodius Macer, der ihn nicht anerkennen wollte, war noch allenfalls mit Gründen der Staatsraison zu rechtfertigen. Galbas Parteinahme jedoch für die Anhänger des Julius Vindex in Gallien (dieser war dem Verginius Rufus unterlegen und hatte sich selbst den Tod gegeben) stieß die siegreichen germanischen Legionen vor den Kopf. Die Niedermetzelungen zahlreicher Flottensoldaten in Rom war eine ganz unnötige Grausamkeit. Den Prätorianern verweigerte Galba das ihnen durch Nymphidius Sabinus versprochene Donativ, Nymphidius selbst, der Präfekt der Truppe, wurde hingerichtet, als er eine Verschwörung gegen den Prinzeps anzustiften versuchte. Überhaupt war das Verhalten Galbas voll von Widersprüchen, so ging beispielsweise der größte Verbrecher unter Nero, Ofonius Tigellinus, unter ihm straflos aus. Die Kassen waren leer, zumal Galba ganz unangebrachte Steuerermäßigungen durchgeführt hatte. Noch prekärer wurde seine Lage, als sich am 1.Januar 69 die obergermanischen Legionen von ihm lossagten, am 2. Januar folgten die niedergermanischen Legionen nach, sie riefen A.