Seit dem Jahre 87 stand Domitian unter der ständigen Furcht vor Verschwörungen. In jenem Jahr sind, wie die Arvalakten bezeugen, Opfer dargebracht worden ob detecta scelera nefariorum. Im Jahre 88 hatte man in Rom die Säkularspiele besonders festlich begangen, da kam die Kunde von der Erhebung des Legaten des exercitus superior in Germanien, L.
Antonius Saturninus. Infolge des tatkräftigen Eingreifens des Legaten des niederrheinischen Heeres, A. Bucius Lappius Maximus, war jedoch die Gefahr bereits vorüber, als Domitian im Winter 88/89 in Germanien eintraf. Im Jahre 89 wurden die Philosophen und Astrologen aus Rom ausgewiesen; hohe Verwaltungsbeamte wie der Proconsul von Asia, C. Vettulenus Civica Cerialis, und der Legat von Britannien, Sallustius Lucullus, mußten ebenso sterben wie der Philosoph Hermogenes von Tarsus, der den Prinzeps in einer Flugschrift angegriffen hatte. Weitere Verfolgungen richteten sich (im Jahre 93 und 94) gegen eine Reihe von Stoikern, unter ihnen Helvidius Priscus der Jüngere, Junius Rusticus Arulenus und Herennius Senecio. Im Jahre 95 verwies ein Senatsbeschluß alle Philosophen aus Italien. In dem gleichen Jahre wurde der Consul Flavius Clemens, ein Neffe Domitians, wegen Gottlosigkeit vor Gericht gestellt. Er wurde hingerichtet, seine Gattin Domitilla in die Verbannung geschickt, danach zum Selbstmord gezwungen. Die letzten Monate der domitianischen Regierung waren geradezu eine Schreckenszeit. Es bildete sich schließlich eine Verschwörung, an der beide Präfekten der Prätorianer beteiligt waren, auch Domitia Longina, die Gattin des Kaisers, gehörte zu den Eingeweihten. Am 18. September 96 fiel Domitian unter den Streichen des Freigelassenen Stephanus. Dieser wurde seinerseits von der Palastwache überwältigt, die anderen Verschwörer konnten entkommen. Sie riefen Cocceius Nerva, einen älteren Senator und angesehenen Juristen, zum Kaiser aus.
Für die römische Aristokratie war die Regierung Domitians zweifellos eine schwere Zeit. Ganz anders aber war das Verhältnis des Prinzeps zum römischen Volk. Durch wiederholte Geldspenden (congiaria), aber auch durch die Veranstaltung glänzender Spiele wußte er die Sympathien der römischen Plebs zu gewinnen. Auch für die Bauten in Rom hat Domitian riesige Summen ausgeworfen. So schuf er nicht nur eine Naumachie am Tiber, er errichtete außerdem ein Stadium und ein Odeum auf dem Marsfeld. Der Tempel des Juppiter auf dem Capitol wurde besonders kostbar ausgestattet, dabei wurde pentelischer Marmor verwandt, die Tore erhielten goldene Beschläge. All diese Werke kosteten teueres Geld, aber Domitian hat es verstanden, sich immer wieder neue Finanzquellen zu erschließen. Von dem zweischneidigen Mittel der Münzverschlechterung hat er keinen Gebrauch gemacht, anderseits hat er schwerlich einen gefüllten Staatsschatz hinterlassen, obwohl dies Ronald Syme angenommen hat. Für die Verwaltung des Reiches und die Rechtsprechung hat Domitian vortrefflich gesorgt, auch in der Auswahl seiner Statthalter bewies der Kaiser im allgemeinen eine recht glückliche Hand. In der christlichen Überlieferung gilt Domitian als der zweite der großen Christenverfolger. In der Tat spricht der Clemensbrief von der Bedrückung der Christen in der domitianischen Zeit, auch die Johannesapokalypse, die mit Wahrscheinlichkeit in die Zeit des Domitian gehört, zeugt von der Verfolgung. Einer der ältesten Begräbnisplätze der Christen in Rom heißt coemeterium Domitillae, wahrscheinlich nach der Gattin des Flavius Clemens.
Die Außenpolitik der flavischen Kaiser: Über der Außenpolitik der Flavier steht nach der Niederwerfung der Aufstände in Judäa und am Rhein als Devise die Sicherung der Grenzen des Imperiums. Mit der Errichtung der ersten Limites am Rhein und an der Donau geht das Reich nunmehr zu einer starren Verteidigung über. Zu einem schweren, auch für die Römer verlustreichen Kriege ist es allein an der unteren Donau in der Zeit des Domitian, zu einer wesentlichen Erweiterung der Reichsgrenzen ist es nur in Britannien gekommen.
In Britannien hatten die Römer bis zum Jahre 69 die Grenzen ungefähr bis auf die Linie zwischen Humber und Mersey vorgeschoben, das südlich davon liegende Gebiet konnte als befriedet gelten, mit Ausnahme der Landschaft Wales, die aber durch eine Reihe von Kastellen abgeriegelt war. Römische
Legionslager befanden sich in Glevum (Gloucester), Viroconium (Wroxeter) und Lindum (Lincoln). Unter der Regierung des Vespasian konnten die Römer unter der Führung des Petillius Cerialis (s. S. 277) und des Sex. Julius Frontinus gegen die Völker der Briganten und Silurer Erfolge erringen.
Aber erst mit der Entsendung des Cn. Julius Agricola (im Jahre 77) begann ein neuer Abschnitt der Eroberung Britanniens. Die Römer besetzten die Insel Mona (Anglesey) und verlegten nach schweren Kämpfen gegen die Kaledonier die Reichsgrenze bis an die Tava (Tay). Auf seinem 7. Feldzug (83) schlug Agricola die Gegner am Mons Graupius, nördlich von Clota und Bodotria (Firth of Clyde und Firth of Forth). Durch eine Flottenfahrt um die Nordspitze Schottlands herum stellten die Römer die Inselnatur Britanniens fest. Agricola aber wurde, spätestens im Jahre 84, abberufen. Domitian konnte sich nicht einseitig auf Britannien konze ntrieren, die militärischen Kräfte des Reiches wurden auch an anderen Fronten, insbesondere an der Donau, dringend benötigt. Im übrigen aber standen die Römer im Jahre 85 an den Toren der Highlands in Schottland, die Landschaft Wales war befriedet, in Caerleon (Isca), ehester (Deva), York (Eburacum) und Inchtuthill erhoben sich Legionslager.
Bemerkenswert waren auch die Veränderungen an der Rheingrenze. Der größte Teil der Rheinarmee (sieben Legionen) war nach Beendigung des Aufstands des Julius Civilis durch neue Einheiten ersetzt worden, vier Legionen hatte Vespasian kassiert, eine weitere war an die Donaugrenze verlegt worden. Die zum größten Teil aus Germanen bestehenden Auxilien wurden aufgelöst und durch neue ersetzt, die Hilfstruppen der germanischen Klientelvölker, der Frisen, Brukterer, Tenkterer und anderer, wurden von nun an von römischen Offizieren geführt und in ferne Länder geschickt. Die Legionslager Mainz, Bonn, Neuß und Vetera wurden erneuert, auch Argentorate (Straßburg) wurde neu besetzt. Im Jahre 77/78 führten die
Römer mit einem Aufgebot von insgesamt acht Legionen einen Krieg gegen die Brukterer: das Volk wurde fast ganz ausgerottet, die Seherin Veleda wanderte in römische Gefangenschaft (s. S. 277). Zahlreiche Orte am Mittelrhein erhielten als Besatzung römische Auxilien, unter ihnen Bingen, Boppard, Koblenz, Andernach, Remagen, Asberg und Altkalkar. Bereits im Jahre 73 hatten die Römer einen Vorstoß am Oberrhein geführt, mit dem Ziel, am Rheinknie, auf dem rechten Ufer gegenüber von Basel, ein Vorfeld zu schaffen. Das neugewonnene Gebiet umfaßte zunächst nur einen schmalen Streifen vom Zusammenfluß des Rheins und des Neckars bis etwa nach Kehl, von dort die Kinzig aufwärts zum Oberlauf des Neckars, alsdann über die Rauhe Alb bis hin nach Tuttlingen und von hier zum Ausfluß des Rheins aus dem Bodensee. Dadurch wurde eine unmittelbare Verbindung zwischen Argentorate (Straßburg) und dem westlichen Raetien hergestellt. Das neueroberte Territorium wurde durch eine Reihe von Kastellen gesichert. Zu ihnen gehörten Ladenburg (Lopodunum), Neueriheim, Hockenheim, Baden-Baden (Aquae), Offenburg, Rottweil (Arae Flaviae) und Zurzach. Tacitus (Germania c. 29) nennt dieses Gebiet die decumates agri, der Name ist bis heute noch nicht mit Sicherheit etymologisch geklärt.