Domitian hat die Rheinpolitik seines Vaters fortgesetzt. Größere Erfolge sind ihm jedoch versagt geblieben. Im Jahre 83 siegte er über die Chatten, der Krieg dauerte vielleicht bis zum Jahre 85. Ein weiterer Feldzug des Kaisers steht in Verbindung mit der Erhebung des Antonius Saturninus im Jahre 88. Im Anschluß daran (wahrscheinlich im Jahre 89) wurden die bisherigen Militärdistrikte des exercitus superior und des exercitus inferior in regelrechte Provinzen (Germania Superior et Inferior) umgewandelt. Außerdem wurde die Reichsgrenze im Vorfeld von Mainz und südlich davon beträchtlich vorgeschoben (bis zum Remstal), dazu eine Verbindung mit den decumates agri des Vespasian hergestellt. Im Chattenkrieg waren das Taunus-Gebiet und die Wetterau erobert worden, gegen 90 n. Chr. wurde auch das Odenwaldgebiet in das römische Imperium einbezogen und durch eine vom unteren Main bis zum Remstal verlaufende befestigte Linie gesichert. Auch die Rauhe Alb erhielt einige Kastelle, dazu wurde eine Verbindung mit der Donau (über Faimingen) geschaffen. Weil der Donaustrom keine gute Verteidigungslinie bildete, wurde die Grenze ein Stück nach Norden, auf die Linie Remstal Weißenburg in Franken-Eining, vorverlegt (limes Raeticus). Alle diese Maßnahmen der Flavier - sie sind später durch Hadrian und die Antonine ausgebaut worden - bezeichnen eine neue Phase in der Germanenpolitik der römischen Kaiser. Da man auf die große Lösung, die Unterwerfung der Gebiete zwischen Rhein und Elbe, verzichtet hatte, entschloß man sich zu einer kleinen Lösung. Dadurch ist das Territorium des heutigen Baden-Württemberg und das südliche Bayern in das Imperium Romanum einbezogen worden.
An der unteren Donau waren schon seit Neros Zeit Völkerbewegungen im Gange. Im Prinzipat Neros hatte der Legat von Mösien, Ti. Plautius Silvanus Aelianus (Statthalter von etwa 60-67), einen Aufstand der Sarmaten niedergeworfen und 100000 jenseits der Donau lebende Menschen in seiner Provinz angesiedelt. Auch der Stadt Chersonesus auf der fernen Halbinsel Krim war er bei einer Belagerung durch die Skythen zur Hilfe gekommen. Viel bedeutender als diese Völkerbewegungen aber war die Tatsache, daß sich jenseits der unteren Donau das große Dakerreich des Decebalus gebildet hatte, das den Römern jahrzehntelang schwer zu schaffen machen sollte. Bei einem Einfall der Daker in Mösien (im Jahre 85 oder 86) erlitten die Römer eine Niederlage. Daraufhin erschien Domitian, begleitet von dem Prätorianerpräfekten Cornelius Fuscus, selbst auf dem Kriegsschauplatz (Frühjahr 86). Es gelang zwar, die Daker aus Mösien zu vertreiben,
Cornelius Fuscus aber wurde bei einem Vorstoß ins Dakerland besiegt und fand selbst den Soldatentod. Die Römer suchten sich durch die Anlage einer befestigten Linie vor weiteren Einfallen von jenseits der Donau zu schützen; sie erstreckte sich von einem Punkt nördlich von Cernavoda (Axiopolis) bis hin nach Constantza (Tomi) am Schwarzen Meer. Die entscheidende Kampagne fand im Jahre 88 statt: Decebalus erlitt bei Tapae (in der Nähe von Varhely) eine Niederlage, Sieger war der Römer Tettius Julianus. Doch stellte der Kaiser Domitian den Kampf ein, und zwar, wie es heißt, wegen eines gegen die Quaden und Markomannen erlittenen Mißerfolgs. Mit Decebalus wurde Friede geschlossen, der Dakerkönig mußte zwar die römischen Gefangenen zurückgeben, erhielt aber dafür zahlreiche römische Techniker und Ingenieure zum Wiederaufbau seines Landes. Im Jahre 89 feierte Domitian einen glanzvollen Triumph über Daker und Chatten.
Auch an der mittleren Donau herrschte Unruhe. Die Jazygen vernichteten eine ganze Legion der Römer (XXI Rapax), Domitian selbst weilte in den Jahren 92 und 93 auf dem Kriegsschauplatz. Den Siegerbeinamen Sarmaticus hat er jedoch nicht angenommen; die Urkunden bezeugen jedoch seit 84 den Beinamen Germanicus.
Schon einige Jahre zuvor (86?) war die Provinz Mösien geteilt worden (Moesia Superior et Inferior). In Viminacium begann man mit der Errichtung eines neuen Legionslagers. Am wichtigsten aber war der Bau des Donaulimes, einer gewaltigen Festungslinie, die sich von Turnu Severin (Drobeta) am Südfuß der Transsylvanischen Alpen über Craiova und Plojescht bis in die Gegend von Braila am Donaudelta erstreckte. Hinter dem Donaulimes erhob sich noch eine zweite befestigte Linie, von Kalafat bis in den Raum nördlich von Giurgiu. Das Problem der offenen Donaugrenze war aber damit keineswegs gelöst; auch die Grenzwälle der Römer waren nicht geeignet, den Ansturm der Völker von jenseits der Donau auf die Dauer aufzuhalten. Zu einer Offensive großen Stils aber war Domitian nicht imstande, da die Kräfte des Reiches auch an anderen Stellen benötigt wurden.
Für den Orient war die Zeit der flavischen Dynastie - sieht man von dem jüdischen Aufstand ab - eine Ruhepause. Sie wurde genützt durch den Ausbau der römischen Position im Osten. Seitdem Vespasian im Jahre 75 dem Partherkönig Vologaeses I. seine Hilfe gegen die Alanen verweigert hatte, waren die Beziehungen zwischen Rom und Parthien gespannt. Für Rom war es ein Glück, daß das Partherreich nach dem Tode des Vologaeses I. (um 79 n. Chr.) wieder einmal inneren Wirren anheimfiel. Eine regelrechte Achillesferse des römischen Imperiums war die Ostgrenze Kleinasiens. In ganz Anatolien stand nämlich keine einzige Legion; die gesamte Grenze von Zeugma am Euphrat bis hin zum Schwarzen Meer war der Überwachung durch römische Klientelfürsten anheimgegeben, von denen die Könige von Kommagene und Kleinarmenien die wichtigsten waren. Vespasian hat hier einen neuen Anfang gemacht: beide Klientelstaaten, Kommagene ebenso wie Kleinarmenien, wurden im Jahre 72 annektiert, nach Samosata wurde eine neuformierte Legion (XVI Flavia Firma) gelegt. Kleinarmenien und Galatien wurden zur Provinz Kappadokien geschlagen, in Melitene hielt eine Legion (XII Fulminata) ihren Einzug. Kilikien einerseits und Lykien nebst Pamphylien anderseits wurden eigene kaiserliche Provinzen, Kommagene wurde in Syrien inkorporiert. Der römische Einfluß erstreckte sich unter Vespasian und seinen Nachfolgern bis weit hinein ins Kaukasusgebiet; in Harmozika (Mtzcheth bei Tiflis) lag eine römische Besatzung, und ganz in der Nähe von Baku (in Beiuk- Dagh) ist eine Inschrift eines Centurio der legio XII Fulminata gefunden worden, die in die Zeit des Domitian, genauer zwischen 84 und 96 n. Chr., gehört. Schon vor vielen Jahren hat F. Cumont das Werk der flavischen Kaiser im Osten hoch gepriesen. Mit vollem Recht: was hier von den früheren Kaisern versäumt worden war, das haben die Flavier nachgeholt. Sie haben vor allem auch zahlreiche Straßen und Wege gebaut, die nicht nur für die Truppenbewegungen, sondern auch für den Fernhandel von großer Bedeutung gewesen sind.
7. Das Imperium Romanum unter Nerva und Trajan (96-117 n. Chr.)