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Es ist vor allem A. Schwegler gewesen, der die traditionelle

römische Königslegende als reine Konstruktion erwiesen hat. Versuche der Neueren, wesentliche Züge oder sogar einige von den Gestalten der Könige als historisch zu verteidigen, können demgegenüber nicht ernsthaft in Betracht kommen.

Die immer noch nicht mit Sicherheit gelöste historische Frage besteht vielmehr darin, in welcher Epoche und unter welchen besonderen Umständen diese Königslegende ausgebildet worden ist. Übrigens kann darüber kein Zweifel bestehen, daß die Überlieferung über die Einwanderung des sagenhaften Urvaters der Römer, des Aeneas, in Latium in eine beachtlich frühe Zeit, ins 6. Jh., zurückreichen muß, sie ist auf jeden Fall viel früher als 300 v. Chr. Auch das Standbild der capitolinischen Wölfin ist sicherlich schon viel früher, vielleicht sogar schon in das 6. oder 5. Jh. v. Chr. zu setzen. Bei dem Beginn der römischen Geschichtsschreibung, ja sogar schon um 300 v. Chr., war die Gründungs- und Königslegende längst fest ausgebildet, sie ist dann von der Annalistik übernommen und weitergeführt worden. Übrigens kann das von der Annalistik errechnete Gründungsdatum Roms, 753, nicht als historisch gelten. Anders steht es dagegen mit der Herrschaft eines etruskischen Königsgeschlechts über Rom. Sie gehört in ursächlichen Zusammenhang mit der politischen Expansion der Etrusker nach Campanien.  Wann  die Herrschaft der Etrusker in Rom beginnt, ist unbekannt. E. Kornemann rechnete mit drei Generationen etruskischer Könige in Rom, von etwa 590 bis 490 v. Chr., was sicherlich zu lange ist. E.Gjerstad kommt auf die Zeit von etwa 575 bis 450. Auch dieser Ansatz erscheint noch zu hoch, außerdem ist das Schlußdatum viel zu spät. Im Zusammenhang mit der etruskischen Expansion nach Campanien wird man kaum über 550 v. Chr. zurückgehen dürfen. Natürlich hatte Rom auch schon vorher in engem Kontakt mit den Etruskern gestanden, dies hat sich etwa in den etruskischen Namen römischer Geschlechter  (Romulus, Romilia)  niedergeschlagen. Unter dem Hause der Tarquinier (etruskisch  tarchu)  hat Rom einen bedeutenden wirtschaftlichen, künstlerischen und wohl auch politischen Aufschwung genommen, eine Entwicklung, die aber, wenigstens zunächst, durch die Vertreibung der etruskischen Herrscherfamilie jäh abgebrochen worden ist. Die Tarquinier - wir wissen nicht, wieviel etruskische Könige in Rom regiert haben - haben in etwa einem halben Jahrhundert (?) zahlreiche Bauten in Rom aufgeführt, darunter den Tempel des Juppiter Capitolinus mit der Trias Juppiter, Juno, Minerva. Auch die Regia, das Haus der Könige auf dem Capitol, ebenso das Tullianum, dessen Zweckbestimmung noch nicht geklärt ist, gehören der Königszeit an. Auch der Einfluß des etruskischen Sakralwesens ist nicht gering; von den Etruskern übernahmen die Römer Tempel und Götter, die ihrerseits dem griechischen Pantheon entstammten. Etruskisch sind wohl auch die Leichenspiele, die seit dem 3. Jh. v. Chr. unter Hinzuziehung von Gladiatoren gefeiert worden sind. Derartige Leichenspiele sind übrigens aus dem Bereich zahlreicher antiken Kulturen, nicht zuletzt auch aus der griechischen, bekannt.

Etruskischen Ursprungs sind endlich auf dem Gebiete des staatlichen Lebens der Triumph und die Fasces. Nimmt man noch die vielfachen Anregungen der etruskischen Malerei und Plastik (Apollo von Veji) hinzu, so wird klar, daß die Entwicklung Roms nur im Rahmen der etruskischitalischen Kultur verstanden werden kann. An etruskischen Inschriften sind bisher lediglich zwei, eingeritzt auf Buccherogefäßen in Rom, und zwar bei den Ausgrabungen am Fuße des Capitols, gefunden worden, sie gehören ins 6. Jh. v. Chr., sind also älter als die älteste lateinische Inschrift, die vom Lapis Niger auf dem Forum Ro manum.

Während die Etrusker ihre Macht über weite Teile Italiens ausbreiteten, standen die Griechen des Landes in harten Abwehrkämpfen. So konnte eine so bedeutende Gemeinde wie Kyme (Cumae) nur dank der Tüchtigkeit ihres Tyrannen, des Aristodemos mit dem Beinamen  ho Malakös,  die äußere Freiheit behaupten. Kurz nach dem Regifugium scheint Rom noch einmal unter die Herrschaft eines etruskischen Königs, des Porsenna von Clusium, gekommen zu sein. Die legendäre Ausschmückung des Ereignisses durch die spätere römische Geschichtsschreibung (Livius) ist unhistorisch; dies gilt vor allem für die Tat des Horatius Codes, der gegen Porsenna den pons sublicius  mit wenigen Gefährten verteidigt haben soll. Unhistorisch ist aber auch der Attentatsversuch des Mucius Scaevola auf den Etruskerherrscher. Porsenna hat, wie es scheint, Rom eingenommen, sein Sieg ist so vollständig gewesen, daß er den Römern den Gebrauch des Eisens - außer für die Herstellung von Pflugscharen - verbieten konnte. Nach einer Nachricht, wahrscheinlich aus kymeischer Quelle, soll um 505 eine Gesandtschaft von Aricia nach Kyme gekommen sein, um die Stadt um Hilfe gegen den Angriff eines Sohnes des Porsenna zu bitten. Ist dies historisch, so wäre damit nicht nur die Porsenna-Episode, sondern auch der ungefähre Ansatz des Regifugiums in Rom auf kurz vor 505 als geschichtlich erwiesen.

Die überragende politische Stellung der Etrusker erklärt sich teilweise aus ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit. Die Etrusker verfügten über eine Fülle wertvoller Rohstoffquellen, nicht nur über das toskanische Eisenerz von Populonia und Elba, sondern auch über Kupfer-, Blei- und Silbergruben. Die Landschaft Toscana war dazu außerordentlich fruchtbar, es gab 15fältige Weizenernten, die Wälder erbrachten Holz und Pech die Fülle; das Tyrrhenische Meer war so reich an Fischen, daß man an der Küste Wachttürme errichtete, um die Züge der Thunfische vom Lande aus beobachten zu können. Als P. Cornelius Scipio sich im Jahre 205 zum Zuge nach Sizilien gegen die Karthager rüstete, da haben ihm die reichen Etruskerstädte freiwillig ihre Erzeugnisse zur Verfügung gestellt: Caere Getreide und Proviant, Populonia Eisen, Tarquinii Segelleinwand, Volaterrae Wachs und Getreide, Arretium die verschiedensten Arten von

Waffen, dazu noch Weizen, andere Gemeinden wie Perusia, Clusium und Rusellae Tannenholz und Getreidespenden.

Mit dem Wohlstand war auch eine Verfeinerung der Lebensführung eingetreten, sie spiegelt sich in der Grabmalerei. In ihr werden vor allem sportliche Wettkämpfe und Trinkgelage abgebildet, wie denn das Essen und Trinken bei den Etruskern überhaupt hoch im Kurse gestanden hat. Wir wundern uns nicht, wenn die nachbarliche Abneigung der Römer den Begriff des pinguis et obesus Etruscus  geprägt hat; der Grieche Theopomp hat ihnen sogar sexuelle Zügellosigkeit vorgeworfen. Doch trifft dies nur die eine Seite des Etruskertums, und die positiven Seiten des etruskischen Volkscharakters sind nicht zu übersehen: im Handel, im Kunstgewerbe und vor allem in der Baukunst haben die Etrusker Großes und Bleibendes geleistet, sie haben als gelehrige Schüler der Griechen zahlreiche Monumente errichtet, von denen die Stadttore wie jenes von Perugia ganz besonders charakteristisch sind. Sehr eindrucksvoll sind auch die von den Etruskern errichteten Gräberstädte, in denen die Grabstätten zu regelrechten Totenstädten vereinigt sind, wie z. B. in Caere (Cerveteri). Von den etruskischen Monumenten hat Plinius n. h. XXXVI 91-93 auf Grund von Varro das sog. Grabmal des Porsenna beschrieben, des Königs von Clusium (Chiusi); es ist bisher nicht aufgefunden worden, an seiner Rekonstruktion haben sich immer wieder die Archäologen versucht (Duc de Luynes, 1830, zuletzt F. Messerschmidt).

Besonders begabt waren die Etrusker auf dem Gebiet der Terrakottatechnik; der Apollo von Veji aus der Zeit um 500 v. Chr. ist ein besonders eindrucksvolles Giebelstandbild (Akroterion). Einzigartig sind die zahlreichen Gemälde der Grabkammern, neben vielen Szenen des täglichen Lebens findet sich gelegentlich auch Historienmalerei. Auf dem Wandgemälde aus dem Fran9oisgrabe zu Vulci ist dargestellt, wie ein Macstrna und ein Avle Vipinas mit mehreren anderen den Caile Vipinas aus der Gewalt von Männern befreien, unter denen sich auch ein Cneve Tarchu Rumach befindet. Der Kaiser Claudius hat in seiner Rede, erhalten auf der Lyoner Bronzetafel, behauptet, Macstrna sei mit Servius Tullius identisch - wir wissen aber nicht, woher der gelehrte Kaiser diese Kunde hatte.