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Die Frage der Nachfolge:  Da Hadrian über keine leiblichen

Erben verfügte, wurde die Frage seiner Nachfolge mit fortschreitender Zeit, vor allem aber seit seiner Erkrankung im Jahre 135, immer brennender. Hadrians Wahl fiel schließlich auf L. Ceionius Commodus, der unter dem Namen L. Aelius adoptiert und durch den Titel  Caesar  als Nachfolger designiert wurde. Außerdem wurden dem Thronfolger hohe Auszeichnungen zuteil. L. Aelius war aber als Nachfolger denkbar ungeeignet, er verstarb bereits am 1. Januar 138. Wenige Wochen später, am 25. Februar 138, trat Arrius Antoninus (unter dem Namen T. Aelius Caesar Antoninus) an seine Stelle, der Sohn des Aurelius Fulvus und der Arria Fadilla. Der neue Caesar - es ist der spätere Kaiser Antoninus Pius hatte, ebenso wie sein Adoptivvater, keine Söhne. Aus diesem Grunde mußte er den Sohn des L. Ceionius Commodus gleichen Namens (den späteren Kaiser Lucius Verus) und Marcus Annius Verus (den späteren Kaiser Mark Aurel) adoptieren. Mit dieser Adoption schien die Nachfolge auf eine längere Zeit hinaus gesichert, in der zweiten Generation sogar durch vier Augen. Hadrian aber starb am 10. Juli 138 zu Baiae. Die letzten Jahre waren eine Leidenszeit für ihn gewesen, sein Charakter hatte sich verdüstert, durch unnötige Grausamkeit hatte er sich manche Feinde geschaffen.

Dennoch gehört seine Regierung als Ganzes zu den hellen Lichtpunkten der römischen Kaiserzeit. Hadrian hatte es als eine hohe Verpflichtung angesehen, für die wirtschaftlich Schwächeren, die  humiliores,  gegenüber den Stärkeren und Höhergestellten, den  honestiores,  einzutreten, ein Grundsatz, der auch in der Gesetzgebung seinen Niederschlag gefunden hat. Unter Hadrians Regierung aber verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches allmählich von Rom in die romanisierten Provinzen des Westens und in die Lande hellenischer Kultur im Osten. Es ist eine Weltkultur im Entstehen, ihr Kennzeichen ist die geistige Verbindung aller Gebildeten über alle Schranken von Völkern und Nationen hinweg. Der Kaiser hatte sich zwar bemüht, auch die Lage des flachen Landes und seiner Bewohner zu verbessern, doch ließ sich das starke Gefalle zwischen Stadt und Land nicht aus der Welt schaffen. In diesem ungesunden Zustand lagen die Keime zu späteren Konflikten, die in der Zeit der Severer und ihrer Nachfolger zum Ausbruch gekommen sind.

9. Die Antoninenzeit (138-180 n.Chr.)

Edward Gibbon hat in seinem unvergänglichen Werk «The decline and fall of the Roman empire» die Antoninenzeit als das glücklichste Zeitalter des Menschengeschlechts gepriesen, weil den damals Lebenden das köstlichste Gut, der Friede, in so reichem Maße zuteil geworden sei, und so manche Historiker haben es Gibbon nachgesprochen. In Wirklichkeit aber war die Antoninenzeit, die Zeit des Kaisers Antoninus Pius (138-161) und die Regierung seines Nachfolgers, des Mark Aurel (161 180), keineswegs ein Zeitalter ohne Kriege, wenn diese auch den Kern des Reiches zunächst nicht berührt haben. Entscheidend ist es jedoch, daß unter Antoninus Pius die aufsteigende Linie der politischen Entwicklung des Imperiums zum Stillstand kommt. In der Antoninenzeit liegen die Keime des künftigen Niedergangs, und zwar vor allem infolge der schwächlichen Außenpolitik, die nichts anderes als eine ununterbrochene Kette schwerer Versäumnisse gewesen ist. Hadrians Nachfolger, Antoninus, war nicht die Persönlichkeit, die das Reich nötig gehabt hätte. Der neue Kaiser stammte aus einer begüterten Familie aus Nemausus (Nimes) in der Gallia Narbonensis, sie war aber schon seit einigen Generationen in Italien ansässig und hatte es hier zu großem Vermögen und zu umfangreichem Grundbesitz gebracht. Antoninus hielt sich am liebsten auf seinen Gütern in Italien auf, als Kaiser hat er das Land überhaupt nicht mehr verlassen. Anders als Trajan und Hadrian hatte er niemals eine wichtige kaiserliche Provinz wie Syrien oder Germanien verwaltet, er war vielmehr (im Jahre 135/36?) Proconsul von Asia gewesen. In den Augen Hadrians sollte er nichts anderes als der Platzhalter für den jungen Annius Verus (Verissimus Caesar) sein, dessen Qualitäten Hadrian nicht verborgen geblieben waren. Mit 52 Jahren Prinzeps, setzte Antoninus gegen den Widerstand des Senats die Konsekration seines Vorgängers durch und verdiente sich den Ehrennamen

Pius. In der Administration des Imperiums hat Antoninus Pius, eine durch und durch konservative Natur, die Linie seiner Vorgänger fortgeführt. So erließ er nach dem Vorbild Hadrians den Bewohnern Italiens das gesamte  aurum coronarium,  den Provinzialen die Hälfte. In vielen Städten Italiens und der Provinzen hat er Bauten errichtet, in Rhodos und Kos heilte er die durch ein Erdbeben entstandenen Schäden. Auch die Institution der  alimentationes  hat er, im Sinne des Trajan und Hadrian, weitergeführt, ganz besonders großzügig aber zeigte er sich in seinen Spenden an die stadtrömische Bevölkerung.

Wie die Gebildeten unter den Griechen die Lage des Reiches gesehen haben, zeigt die Preisrede des Aelius Aristides auf Rom, wahrscheinlich vom Jahre 143. Von den Städten des Imperiums entwirft der griechische Rhetor ein glänzendes Bild, er preist den Frieden und die Ordnung des Reiches unter dem machtvollen Schutz der römischen Waffen. Ganz besonders aber wird die Errichtung der Mauern an den Grenzen des Imperiums und die Rolle des Heeres hervorgehoben: «Wie ein Graben, so umschließt das Heer im Kreis die ganze Oikumene, von dem einen Ende der Erde zum anderen, von Nubien bis an den Phasis, vom Euphrat bis nach Britannien.» Das Ansehen des Reiches stand hoch im Kurs: aus den fernsten Ländern, aus Hyrkanien und Baktrien, ja sogar aus Indien, erschienen Gesandtschaften in Rom, die Völker an den Rändern des Reiches, die Lazen in Kolchis, die Armenier und die Quaden an der mittleren Donau, erhielten ihre Könige durch den römischen Prinzeps, auch die Parther beugten sich der Autorität des römischen Kaisers.

Antoninus Pius wollte ein Friedenskaiser sein. Dennoch sind ihm Kriege nicht erspart geblieben. Wegen der Einfalle der Briganten in Nordengland mußten die Römer wiederholt zu den Waffen greifen (139-142). Die Annalen des Reichs verzeichnen einen Sieg des kaiserlichen Legaten von Britannien, Q. Lollius Urbicus, sowie die Annahme der zweiten imperatorischen

Akklamation durch den Prinzeps. Das bei weitem wichtigste Ereignis in Britannien aber ist die Errichtung des  Vallum Antonini  an der engsten Stelle der Insel, zwischen dem Firth of Forth und dem Firth of Clyde (142). Der Wall war knapp 60 km lang, er erhob sich etwa 120 km nördlich des Hadrianswalles, der übrigens als Befestigungslinie erhalten geblieben ist. Das Vallum Antonini  mußte jedoch bald wieder aufgegeben werden, wahrscheinlich schon unter Mark Aurel, um 166/67 n. Chr., großen Nutzen hat die Anlage nicht gestiftet.

Auch am obergermanischen Limes trat eine wichtige Veränderung ein. Die Strecke des Limes zwischen dem unteren Main und dem rätischen Limes bei Lorch im Remstal wurde auf eine neue Linie nach dem Osten vorverlegt. Dabei wurden durchschnittlich etwa 10-35 km an Boden gewonnen, die neue Linie wurde durch die Kastelle Miltenberg, Walldürn, Osterburken, Jagsthausen, Westernbach, Öhringen  (vicus Aurel...),  Mainhardt, Murrhardt und Welzheim gesichert. Bezeichnend für den neuen Limes ist die nahezu schnurgrade Streckenführung zwischen Walldürn und dem Haghof bei Lorch (etwa 80km). Die militärischstrategische Bedeutung des neuen Limes war gering, der Wall diente vor allem zur Abgrenzung des Reichsgebiets. Die Linie des alten Limes zwischen Obernburg am Untermain und Wimpfen am Neckar blieb bestehen, so daß die Reichsgrenze in Germanien wie in Britannien nunmehr durch ein doppeltes Limessystem gesichert wurde. Vornehmlich am inneren germanischen Limes siedelte man Brittonen aus Nordengland an, sie taten, nach  numeri gegliedert, hier ihren militärischen Dienst. Nimmt man noch die Fortführung der Arbeiten an der Aluta-Linie in der Walachei, die Errichtung von Befestigungswerken in Thrakien, Mauretanien und Africa hinzu, so ergibt sich überall das gleiche Bild: die Befestigungen bezeugen ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis: die Mauern, nicht mehr die Männer sind der Schutz des Imperiums.