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In der Regierung des Commodus überwiegen die negativen Züge, und mit vollem Recht hat der Brite Edward Gibbon mit diesem Prinzeps die Geschichte des Niedergangs des römischen Reiches eingeleitet. Doch nicht alles war die Schuld des Commodus, es waren vielfach die Schäden seiner Zeit, die sich nicht mehr verbergen ließen. Am schlimmsten war es, daß die schöpferischen Kräfte der Bevölkerung, insbesondere der einstmals führenden Schichten, am Versiegen waren. Der Senatorenstand befand sich in einer tiefen Stagnation, aus der kein Weg zu einer Regenerierung herausführen sollte. Dazu bot die hohe Körperschaft des Senats in ihrer grenzenlosen Servilität gegenüber dem Kaiser ein geradezu widerwärtiges Bild. Irgendwelche in die Zukunft weisenden Ideale waren im Senat nicht vorhanden, das Bild der  res publica libera  war längst verblaßt, ja praktisch erloschen. Auch die Verschlechterung der finanziellen Lage des Staates fällt dem Commodus nicht zur Last: die Kriege seines Vaters hatten enorme Mittel verschlungen, eine Münzverschlechterung hatte natürlich nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt. Im Gegenteil, das Vertrauen zur Währung wurde ernstlich erschüttert, schon unter Marcus war es zu beträchtlichen Preissteigerungen gekommen, in denen sich die große wirtschaftliche Krisenzeit des 3. Jh. ankündigte. Auch das römische Heerwesen, eine der großen Säulen des Imperiums, war nicht mehr auf alter Höhe. Die Qualität der Offiziere und Soldaten ließ zu wünschen übrig, eine Erscheinung, die, zum mindesten teilweise, auf die lokale Konskription zurückzuführen ist. Die Provinzialisierung der Legionen und Auxilien war im Vormarsch, die Barbarisierung stand vor der Tür. In der Verwaltung des Reiches ist eine Tendenz zu einer stärkeren Dezentralisierung zu bemerken, eine Reihe von Funktionären wird mit Sonderaufgaben betraut, vor allem für die Verwaltung der Finanzen und der Annona. Außerdem gibt es zahlreiche  curatores civitatium.  Die Historia Augusta behauptet von Antoninus Pius, er habe den Grundsatz aufgestellt, daß jeder römische Bürger zu Leistungen für den Staat verpflichtet sei. Mag dies nun auf Wahrheit beruhen oder nicht - für die zweite Hälfte des 2. Jh. ist die Wiederbelebung der altrömischen  munera  nach dem Vorbild der ägyptischen Leiturgien charakteristisch. Dieser Vorgang aber hatte einschneidende Rückwirkungen auf die freie Wirtschaft zur Folge. Aus den Collegien der Handwerker und Gewerbetreibenden begannen allmählich regelrechte Zwangsgenossenschaften zu werden, welche die Entfaltung des einzelnen und des ganzen Berufsstandes in Fesseln schlugen. Auf religiösem Gebiet ist die Zeit der Antonine gekennzeichnet durch das Vordringen des orientalischen Glaubensgutes nach dem Westen. Die alten Götter, mochte man ihnen auch immer noch durch Weihungen und Opferhandlungen Verehrung zollen, verloren zusehends an Kraft und Einfluß, den Menschen genügte die altrömische Frömmigkeit nicht mehr, sie wandten sich den Erlösungsreligionen, den eleusinischen Mysterien, der Religion der ägyptischen Isis, des persischen Mithras und dem Christentum zu. Insbesondere durch die Begründung der christlichen Katechetenschule in Alexandrien unter Pantainos (um 180 n. Chr.) hat die christliche Lehre eine wissenschaftliche Fundierung erfahren, die für die Auseinandersetzung mit dem Griechentum von größter Bedeutung gewesen ist. Aus dieser Schule ist der große Kirchenlehrer Clemens von Alexandrien hervorgegangen, der den griechischen Geist in den Dienst der christlichen Kirche gestellt hat. Die Kirche selbst aber hat trotz mancherlei Verfolgungen in einer Periode zäher und geduldiger Arbeit die Grundlagen zu ihrer weltumspannenden Organisation geschaffen, die sich auch in den folgenden Jahrzehnten als tragfähig erweisen sollten.

Der Nachfolger des Commodus, den das Heer bestimmt hatte, war der praefectus urbi P.  Helvius Pertinax,  ein Mann bürgerlicher Herkunft, der durch seine militärischen Qualitäten den Weg in den Senat gefunden hatte. Bei seiner Thronbesteigung war er bereits 66 Jahre alt. Im übrigen glichen die Zustände nach dem Tode des Commodus fast auf ein Haar denen nach dem Tode Neros, und Pertinax führte eine Regierung, die in manchem derjenigen des Galba sehr ähnlich war. Pertinax erstrebte vor allem ein gutes Verhältnis zum Senat, was in dem von ihm angenommenen Titel  princeps senatus  zum Ausdruck kommt. Als Herrscher war er von bestem Willen beseelt, so ist die von ihm durchgeführte Trennung zwischen seinem Privatvermögen und dem Krongut richtungweisend gewesen, im übrigen war er sehr sparsam, die Tributzahlungen an die Barbarenvölker wurden eingestellt. Nach Herodian soll er auch die Okkupation des unbebauten Staatslandes gestattet und den neuen Besitzern eine zehnjährige Steuerfreiheit gewährt haben, eine Nachricht, die jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Kopfzerbrechen machte ihm das hohe Donativ, das er den Prätorianern in Aussicht gestellt hatte: jeder von ihnen sollte 12000 Sesterzen erhalten, doch konnte davon nur die Hälfte gezahlt werden, weil der Staatskasse das Geld ausging. Die Prätorianer waren mit dem neuen Kaiser alles andere als zufrieden, sie wurden überdies durch den praefectus praetorio Laetus, den Kaisermacher, aufgehetzt. So wurde Helvius Pertinax nach einer Regierung von knapp drei Monaten am 28. März 193 durch eine Meuterei der Prätorianer gestürzt, er fand den Tod; ein Barbar, der Tungrer Tausius, soll den ersten Stoß mit seiner Lanze gegen ihn geführt haben, eine Nachricht, die jedoch kaum der Wahrheit entspricht.

Der Favorit der Prätorianer war der Senator M.  Didius Julianus,  der noch am gleichen Tage zum Kaiser erhoben wurde. Er hatte den Prätorianern ein riesiges Donativ versprochen (angeblich 6250 Denare oder 25000 Sesterzen). Didius Julianus stammte aus Mailand, er war hier im Jahre 133 geboren. Seine Erziehung hatte er im Hause der Domitia Lucilla, der Mutter des Mark Aurel, erhalten. Im übrigen konnte er auf eine erfolgreiche Ämterlaufbahn zurückblicken, in der wichtige militärische Stellungen (Legat der  legio XXII Primigenia  in Germanien) mit Statthalterschaften abwechselten; zuletzt war er

Proconsul von Africa gewesen. Im Grunde war er als Prinzeps weder dem Senat noch dem Volk willkommen, das Heer in den Provinzen aber fühlte sich durch die Prätorianer übervorteilt. Die syrischen Legionen riefen den Legaten der Provinz, C. Pescennius Niger, zum Kaiser aus (wahrscheinlich Mitte April 193), aber schon am 9. April war in Carnuntum der Legat von Oberpannonien,  L. Septimius Severus,  zum Kaiser proklamiert worden. Ganz davon abgesehen, daß die Lage in Rom nicht sicher war, stand Didius Julianus gegen zwei Rivalen, die über die stärksten Heere in den Provinzen verfügten: Pescennius Niger hatte neun Legionen unter seinen Fahnen; die Donauarmee, die stärkste des Reiches, zählte zwölf Legionen, mit ihr stand die Rheinarmee (vier Legionen) in enger Verbindung, auf ihre Mitwirkung konnte gerechnet werden. Septimius Severus, gebürtig aus Leptis Magna in Africa, fühlte sich als Rächer des Pertinax, der bei den Truppen der Donauarmee große Sympathien besessen hatte. Didius Julianus versuchte, Rom in den Verteidigungszustand zu setzen, außerdem sandte er Mörder gegen die beiden anderen Prätendenten aus, der Senat erklärte Septimius Severus zum hostis,  doch war dies nur Theaterdonner. Didius Julianus, dem der Boden unter den Füßen zu wanken begann, bot dem Septimius Severus die Mitregentenschaft an; aber es war bereits zu spät, die gegen den heranrückenden Prätendenten ausgesandten Truppen gingen in Umbrien zu diesem über, das Spiel war für Didius Julianus verloren, der Senat erklärte ihn für abgesetzt und rief Septimius Severus zum Prinzeps aus, dazu beschloß er die Apotheose des Pertinax. Didius Julianus, von allen verlassen, wurde im Palatium von einem Soldaten getötet (2. Juni 193), er hatte im ganzen nur  66  Tage regiert. Eine Abordnung von 100 Senatoren machte sich auf den Weg, um Septimius Severus entgegenzuziehen, sie traf ihn in Interamna an der Via Flaminia, Septimius Severus aber zeigte sich wider Erwarten gnädig und beschenkte jeden einzelnen der Senatoren mit einem Donativ von 100000 Sesterzen. Bevor er den Boden Roms betrat, forderte er die Prätorianer zur Übergabe auf: sie erschienen waffenlos und wurden  cum ignominia  entlassen, als Strafe für ihre Parteinahme für Didius Julianus. Die bisherige Prätorianertruppe wurde aufgelöst, an ihrer Stelle wurde eine neue Prätorianergarde aufgestellt. Sie bestand aus 15000 ausgesuchten Soldaten der Donauarmee. Der Kaiser selbst hielt am 9. Juni 193 seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt, und zwar in der Toga, nicht im Kriegsgewand, während das Heer natürlich im Schmuck der Waffen paradierte. Am folgenden Tage verkündete Septimius Severus vor dem Senat sein Regierungsprogramm, ganz besonders war ihm das Andenken des Pertinax teuer. Diesem zu Ehren wurde das Kollegium der sodales Marciani  in ein solches der  sodales Helviani umbenannt; dem unter die Staatsgötter erhobenen Vorgänger hielt Septimius Severus selbst die Lobrede. Die Anhänger des Didius Julianus aber wurden streng verfolgt. Rom hatte einen neuen Kaiser, doch stand die entscheidende Auseinandersetzung mit dem Rivalen Pescennius Niger noch bevor. Da dieser über das Kornland Ägypten verfügte, konnte er der Stadt Rom den Brotkorb höher hängen. Schon zu Beginn des Juli 193 verließ Septimius Severus die Hauptstadt wieder, um in den Endkampf gegen Pescennius Niger einzutreten. Es spricht für die Klugheit des neuen Prinzeps, daß er bereits vor seinem Aufbruch aus Pannonien sich den Rücken durch ein Abkommen mit dem Legaten von Britannien, Clodius Albinus, zu decken gewußt hatte, und zwar dadurch, daß er jenem den Caesartitel und damit die Mitregentschaft zugestanden hatte. Außerdem war Clodius Albinus von Septimius Severus adoptiert worden.